[252] Eva Sorel zog durch die Länder: ein Komet mit glänzendem Schweif.
Ihr Tag war von Menschen bevölkert. Die allseitigen Forderungen zu gewähren oder nur zu prüfen, verlangte die Geschmeidigkeit eines erfahrenen Praktikers. Hierin leistete Monsieur Chinard, der Impresario, Dankenswertes. Nur Susanne Rappard behandelte ihn mit Unlust. Sie nannte ihn einen Figaro pris à la retraite.
Außer ihm stand ein Reisemarschall und ein Sekretär im Sold der Tänzerin.
Mehrere ihrer Anbeter folgten ihr seit Monaten von Stadt zu Stadt. Fürst Wiguniewski; Mr. Bradshaw, ein Amerikaner[252] in mittleren Jahren; der Marquis Vicenti Tavera von der spanischen Botschaft in Petersburg; Herr Distelberg, ein jüdischer Fabrikant aus Wien; Botho von Thüngen, ein Hannoveraner, blutjung, Student im dritten Semester.
Diese wie auch andre, die sich gelegentlich einfanden, vernachlässigten ihren Beruf, ihre Freunde, ihre Familie. Sie brauchten die Luft, in der Eva atmete, um selber atmen zu können. Sie hatten die Geduld von Bittstellern und den Optimismus von Kindern. Sie neideten einander ihre Vorzüge, ihr Wissen, ihre witzigen Einfälle. Jeder vermerkte es mit Schadenfreude, wenn sich der Rivale eine Blöße gab. Sie warben mit Eifer um die Gunst Susannes und machten ihr kostbare Geschenke, damit sie ihnen berichten sollte, was die Herrin gesprochen und getan, wie sie geschlafen, in welcher Laune sie aufgewacht und wann sie empfangen würde.
Seit Graf Maidanoff in Evas Lebenskreis getreten war, hatte sich Niedergeschlagenheit ihrer aller bemächtigt. Sie wußten, wie jeder es wußte, wer sich hinter dem Pseudonym verbarg. Gegen den Gewaltigen und Gefürchteten konnte keiner hoffen zu bestehen.
Eva tröstete sie lächelnd. Sie wogen nichts in ihren Augen. »Wie geht es meinen Kammerherren?« erkundigte sie sich bei Susanne; »was treiben meine Zeitvertreiber?«
Sie war aber nicht mehr ganz so leicht im Gemüt wie vordem.
Ausgewählte Ausgaben von
Christian Wahnschaffe
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