Zwiegespräch

[388] zwischen Felix, dem Schäfer,

und Galathea, der Schäferin


Felix


Galathea, wie lange schon

Hab ich dich nun gebeten!

Galathea, nur kalter Hohn

War die Antwort auf all mein Flöten,

Auf mein Trompeten, auf mein Schalmein,

Auf meine entzückenden Weisen!

Oh, Mädchen, du hast ein Herz von Stein

Und eine Tugend von Eisen!


Galathea


Mein lieber Felix, was bist du nur

So traurig im schönsten Lenze?

Komm mit mir hinaus auf die Blumenflur,

Da schwellen die üppigsten Kränze.

Sieh, wie die Vögel so zärtlich tun,

Wie die Hunde so selig schlafen.

Sieh, wie so friedlich im Grase ruhn

Die Böcke bei unsern Schafen.


Felix


Oh, Galathea, die Böcke sind satt,

Die Schafe in Rührung zerflossen.

Von meinen Empfindungen aber hat

Sich keine den deinen erschlossen.

Es brodelt in mir wie in einem Vulkan,

Ich muß mich beständig kratzen;

Und wird mir nicht bald Genüge getan,

Dann werde ich nächstens zerplatzen.


[388] Galathea


Ach, Felix, wir leben im Monat August,

Da schwitzt man begreiflicherweise;

Und wenn du dich überdies kratzen mußt,

Dann hast du wahrscheinlich Läuse.

Sieh nur, welch reizenden Kranz ich hier

Aus Himmelsschlüsseln gewunden!

Kränz ich damit deine Locken dir,

Dann ist alles Jucken verschwunden.


Felix


Es handelt sich nicht um das Jucken der Haut;

Das würd ich wohl schwerlich noch spüren! –

Oh, Galathea, sei meine Braut;

Du hast keine Zeit zu verlieren.

An deinem letzten harmlosen Schrei

Möcht ich so gerne mich freuen.

Du findest ja auch deine Rechnung dabei,

Du wirst es gewiß nicht bereuen.


Galathea


Oh, Felix, ich habe, solang ich weiß,

Noch nie eine Rechnung gefunden;

Doch wird auch mir jetzt auf einmal so heiß,

Und meine Ruh ist verschwunden.

Auch spür ich ein Jucken, so sonderbar,

Wo, läßt sich genau nicht entscheiden.

Ich glaube, daß welche aus deinem Haar

In meinen Locken schon weiden.


Felix


Bleib endlich mit deinen Läusen fort!

Du willst mich gar nicht verstehen!

Dich freut es, mir jedes gefühlvolle Wort

Im Munde herum zu drehen.

Dir fehlen, scheint mir, am Schädel herum

Die allernötigsten Schrauben.

Oh, Mädchen, bist du denn wirklich so dumm,

Wie deinem Gesicht nach zu glauben?


Galathea


Ich bin nicht dümmer, als Gott mich schuf.

Ich danke dem Himmel deswegen.

Es ist nicht so einfach, mit dem Vesuv

Eine Unterhaltung zu pflegen.[389]

Du sprichst so verworren, so unbestimmt;

Ich bin nicht klug draus geworden.

Man fürchtet, wenn man es wörtlich nimmt,

Du wolltest einen ermorden.


Felix


Oh, Galathea, spotte nicht mein,

Und sei mir nicht böse, du Süße,

Denn meine Gefühle sind ebenso rein

Wie deine zwei lieblichen Füße.

Ich suche mein Himmelreich und mein Glück,

Den Wahnfried all meiner Sorgen.

Nur fehlt mir dazu das nöt'ge Geschick;

Ich find es vielleicht erst morgen.


Galathea


Oh, Felix, wüßt ich, wohin nur gleich

Sich deine Blicke verkriechen!

Auch wirst du auf einmal so kreidebleich

Und fängst so stark an zu riechen.

Das ist doch ein seltsam entsetzlicher Brauch,

Dein Bild ist gänzlich verschwommen.

Hei-hei-hei-hei-heiratest du mich denn auch,

Wenn ich in die Wochen gekommen?


Felix


Galathea, jetzt wird mir die Welt zu eng.

Ich hab die Besinnung verloren.

Mir donnert dein Schneng-tege-tege-teng-teng-teng

Wie höllischer Spott in den Ohren.

Du selber trägst die Verantwortlichkeit

Für die Wirkungen deiner Partien.

Der Übelstand, welcher nach Abhilfe schreit,

Ist längst aufs höchste gediehen.


Galathea


Oh, Fe-, oh, Felix, oh, Felix, oh, Fe-,

Oh, Felix, ist dir auch behaglich?

Wenn ich deine zornigen Blicke seh,

Scheint mir dein Vergnügen sehr fraglich.

Nicht herrlicher denk ich es mir, wenn ich

Das ewige Leben erwerbe;

Doch deine Grimassen sind fürchterlich,

Du machst mich tot, ich sterbe.[390]


Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1969, S. 388-391.
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