Nr. 10. Arie.

[21] SUSCHEN.

Mädchen kann man leicht bethören,

Lobt man sie nur in's Gesicht.[21]

Wenn die Männer Treu' Euch schwören,

O so traut den Heuchlern nicht.

Buhler suchen nur zu haschen;

Weis't sie ab mit ernstem Blick.

Späte Reue bringt das Naschen,

Nur ein Mann macht unser Glück.

LUX allein. Göttliche Bescheidenheit! Suschen! Du bist ein goldenes Kleinod; in meinem Herzen will ich Dich tragen. Lärm von außen. Aber wer stört mich schon wieder? Kann man denn nicht eine Minute – –

JOSEPH stürzt wild herein. Nur einen Augenblick will ich mit Euch unter vier Augen sprechen. Es ist ein Geheimnis – Ängstlich,. Können wir überrascht werden?

LUX bei Seite. Was wird das sein? Verriegelt die Thür. Wir sind allein.

JOSEPH. Herr Lux! Herr Lux!

LUX. Nun, was soll der Herr Lux?

JOSEPH. Herr Lux, ich habe Gift genommen.

LUX. Gift! Gift! Um des Himmels willen, was soll ich thun? Schon lange?

JOSEPH. Sie können mir nicht helfen, und ich will mir auch nicht helfen lassen.

LUX. Ich zittere am ganzen Leibe, was kann ich für Sie thun?

JOSEPH. Sie sollen Zeuge meines Testamentes sein.

LUX. Testament? Ihre Erbschaft? Sagen Sie nur, warum nahmen Sie Gift?

JOSEPH. Aus Verzweiflung!

LUX. Er dauert mich, der arme Mensch, ich könnte weinen. Trocknet sich die Augen.

JOSEPH. Gestern faßte ich sie liebreich am Arm und beschwor sie auf den Knieen.[22]

LUX. Und sie –?

JOSEPH. Lachte.

LUX. Die kleine Tigerin!

JOSEPH. Schmerz, Liebe und Verzweiflung stiegen auf's Höchste. Als ich heute diesen Brief von ihrer Hand erhielt – lesen Sie selbst Ihren Triumph! – Sie haben mir ein Herz geraubt, das ich anbete.

LUX öffnet neugierig den Brief. Ja, das ist ihre Handschrift! »Ich will mich mit zwei Worten auf ewig von Ihrer ungestümen Zudringlichkeit befreien; ich sage Ihnen also hiermit kurz und nachdrücklich – ich liebe meinen Vormund!« – O Du Herzensmädchen! Liest. – »und kann nicht sein – Ihre geliebte Susanne!« – Freilich ist es entscheidend.

JOSEPH. Dieser Brief hat mir das Herz gebrochen.

LUX. Lassen Sie's auf meine Kosten repariren.

JOSEPH. Ich eilte in die Stadt, kaufte das stärkste Gift unter einem Vorwande und verschlang es.

LUX. Erschrecklich! Armer Joseph! Was denken Sie nun zu thun?

JOSEPH. Vor meinem Tode will ich mich noch rächen.

LUX. Rächen? An wem? An mir? An Suschen? Springt davon. Das ist ein verzweifelter Liebhaber.

JOSEPH. Hören Sie mich an. Ein Herz, wie das meinige rächt sich edel. Ich will mein geliebtes Suschen zur Erbin meines ganzen Vermögens einsetzen.

LUX eilt auf ihn zu und umarmt ihn. O Sie herzensliebster Joseph! Das ist eine durchlauchtigte Handlung dergleichen man keine in der Geschichte liest. Die Unsterblichkeit erwartet Sie.

JOSEPH. Ich komme also zu Ihnen, eine Stunde vor meinem Tode, meinen letzten Willen feierlich zu erklären. Nur ein Umstand macht meine Schenkung zweifelhaft.[23] Ich habe die Landesgesetze studirt und mir ist bekannt, daß meine Blutsfreunde nach meinem Tode der Erbin das Vermögen streitig machen können.

LUX. Es ist wahr, daran hab' ich selbst nicht gleich gedacht.

JOSEPH. Ich bin also gekommen, mich mit Ihnen zu be rathschlagen. Rund pocht von außen.

LUX. Wer pocht?

RUND von außen. Herr Lux!

LUX. Das ist unser Schulmeister, soll ich ihn einlassen?

JOSEPH. Der Mensch scheint mir verdächtig.

LUX. Es ist ein grundehrlicher Mann und mein spezial guter Freund – ich dächte ein Mann von seiner geprüften Gelehrsamkeit – tres faciunt collegium – so sagt ein altes Sprüchwort.

JOSEPH. Nun meinetwegen! Lux öffnet die Thür.

LUX. Herr Rund, Sie kommen wie gerufen. Dinge von der äußersten Wichtigkeit – aber geheim, sehr geheim – altissimum silentiumLegt den Finger an den Mund.

RUND. Ich bin verschwiegen wie der Todte, den man heute im Bache gefunden hat. Joseph setzt sich indeß und hängt den Kopf.

LUX. Dieser junge Mann hat heute aus Verzweiflung Gift genommen.

RUND prallt zurück. Gift?

LUX. Nur stille. Er ist Willens mein Suschen zur Erbin seines Vermögens einzusetzen.

RUND. Das ist gut!

LUX. Ein Umstand macht uns Zweifel.

RUND. Der ist?[24]

LUX. Die Verwandten werden uns die Erbschaft streitig machen.

RUND nachdenkend. Hm! Hm! Da wüßt' ich wohl ein Mittel.

LUX. Göttlicher Mann, welches?

RUND. Der arme Teufel stirbt in wenig Minuten; vermählen Sie ihn mit Suschen vor seinem Tode.

LUX. Vermählen? Aber –

RUND. Sehen Sie denn nicht, daß er schon halb todt ist?

LUX. Es ist wahr, der Gedanke ist unvergleichlich!

RUND. Wer kann seiner Witwe das Vermögen streitig machen? Ich setze die Schrift auf, Sie rufen geschwind einige Zeugen und so geht alles in der Stille vor sich. Seh'n Sie mein Gesangbuch – es war mir immer, als wenn mir Jemand zuriefe: Geh', hole Dein Gesangbuch, Du wirst es brauchen.

LUX. Der arme Joseph! Sehen Sie, wie blaß er ist! Er athmet kaum noch. Zu Joseph. Wie ist Ihnen?

JOSEPH schwach. Es geht zu Ende!

LUX. So müssen wir eilen, sonst stirbt er, ehe wir zu Stande kommen. – He, Suschen! – Ja, wenn sie ihn sieht, so kommt sie nicht! Ich will sie bereden. Ab.

RUND. Alles geht unvergleichlich –, der Gimpel ist gefangen. Ich will mir Wein und Schinken geben lassen; dann springen Sie auf und verschlingen mit Heißhunger einige Stücke, sinken auf einen Stuhl, thun, als wenn Sie entschliefen und nach einer Weile werden Sie gesund. Man kommt! Setzt sich und schreibt.

LUX zerrt Suschen herein, welche sich sträubt. So gehe doch nur her, liebes Suschen, thue es mir nur zu Liebe.[25]

SUSCHEN. Ich will nichts von ihm wissen.

LUX. Schätzchen, ich bitte Dich, gieb mir den Beweis Deiner Liebe.

SUSCHEN. Nun wohlan, was soll ich thun?

LUX. Diesen Menschen heirathen.

SUSCHEN. Nein, das thue ich nicht! Will fort.

LUX hält sie zurück. Herzensmädchen, nur auf einen Augenblick sollst Du ihm die Hand reichen, es ist ja nur pro forma, ein bloßes Spiel.

SUSCHEN. Und wozu dieses Possenspiel?

LUX. Gieb mir Deinen Ring. Zieht ihr den Ring vom Finger und verwechselt ihn mit Josephs Ring.

ADAM. Der Schmiedegeselle ist verbunden; der arme Teufel ist häßlich verunstaltet. Bei ihm heißt es: Mitgefangen, mitgehangen!

LUX. Es ist gut, daß Er kommt! Ruf Er mir geschwind die Nachbarn Thomas und Philipp, wenn sie zu Hause sind.

ADAM. Sie stehen bei der Schenke und reden miteinander. Ich will's ihnen sagen. Wenn der Bauer nicht muß, so rührt er weder Hand noch Fuß. Ab.

LUX. Suschen! Hole Wein und Brot für die Geschworenen, auch Schinken nicht zu vergessen.

RUND. Ich will Ihnen helfen, Jungfer Suschen! Hier Herr Lux, ist der Aufsatz vom Testamente. Lesen Sie indessen. Geht mit Suschen ab.

LUX nachdem er gelesen hat. Der Aufsatz ist förmlich und nach den Gesetzen. Sie erklären also Suschen zur Besitzerin Ihres Vermögens?

JOSEPH schwach. Alles für sie!

LUX. Wie ist Ihnen denn? Fühlt ihm nach dem Puls. Welche Verwirrung! Der Puls geht im Galopp, wir müssen eilen.[26]

Quelle:
Johann Baptist Schenk: Der Dorfbarbier, von Joseph Weidmann, Leipzig [o. J.], S. 21-27.
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