Anderer Aufftrit.


[132] Cyriax. Petronella. Urselchen.


URSELCHEN. Liebe Frau Mutter / was will sie?

PETRONELLA. Denckt doch ihr Leute / wie schöne kan mein Mägdel reden / und mein alter Narr wolte sie lieber an ihrem Glücke verhindern.

URSELCHEN. Liebe Frau Mutter / was soll ich?

PETRONELLA. Das lose Kind muß zum drittenmahl fragen / es steht ihr gar zu fein an.

URSELCHEN. Liebe Frau Mutter hat sie mich nicht gerufft?

PETRONELLA. Ich habe dich wohl gerufft: Du solst zum Herr Vater kommen.

URSELCHEN. Lieber Herr Vater / was soll ich?

CYRIAX. Frage die Mutter / die mag dirs sagen.

URSELCHEN. Ach lieber Herr Vater sagt mirs nur selber.

CYRIAX. Ists wahr / daß du noch vor Weynachten einen Mann haben wilst?

URSELCHEN. Mein lieber Herr Vater / wer hat das gesagt?[132]

CYRIAX. Dein Gewissen wird dirs sagen / und deine Mutter hat mirs gesagt.

URSELCHEN. Hertzliebster Herr Vater / ich dencke Vater und Mutter stehen im vierdten Gebothe bey sammen; Wenn die Frau Mutter ja spricht / so wird der Herr Vater nicht zuwieder seyn.

PETRONELLA. Ach wo die Worte das steinerne Hertze nicht erweichen / so weiß ich kein Mittel. Ach hertzer Mann ists nicht genung / daß uns die Leute des schönen Kindes wegen nicht viel guts gönnen / wolt ihr uns beyde selber kräncken.

CYRIAX. Ich gönne dem Kinde was guts: Sie soll noch 8. Jahr bey mir bleiben.

PETRONELLA. Was sie in acht Jahren lernen kan / das hat sie bey mir schon begriffen; Und ihr denckt gewiß / in 8. Jahren werden wir auch ein paar Kerlen vor uns haben / da wir auslesen können.

CYRIAX. Sie muß auch wohl vor zum Verstande kommen.

PETRONELLA. Und ich lasse mein Kind keinen unverständigen Narren vergleichen.

CYRIAX. So höre doch Urselchen / kanst du einen Meel-Sack machen? Wie viel hat er Zippel.

PETRONELLA. Das wird sie wohl wissen / daß ein Meel-Sack drey Zippel hat.

URSELCHEN. Ja ja der Meel-Sack hat drey Zippel.

CYRIAX. Das gilt nicht: Die Tochter muß antworten. Sage du mir / wie viel Zippel hat ein Lauge-Sack?

PETRONELLA. Je nu der hat einen Zippel / und in der mitten.

URSELCHEN. Der Lauge-Sack hat einen Zippel / und in der mitten.

CYRIAX. Ey du Schnäpperchen hätte dirs die Mutter nicht vor gepfiffen / einen Quarck würdest du wissen. Höre sage mir / wie viel brauchen wir Stiche zu einem Mannes Hembde?

URSELCHEN. Lieber Herr Vater / ich brauche keinen.

CYRIAX. Das Hembde wird wohl von sich selber nicht fertig.

URSELCHEN. Wenn es aber fertig ist / daß es numehro ein rechtschaffenes Mannes Hembde heissen kan / so sind die Stiche nicht mehr von nöthen.

CYRIAX. Wenn ich aber die Leinwand zugeschnitten habe / wie viel brauchest du Stiche / biß ein Mannes Hembde fertig wird?

URSELCHEN. Ich brauche wieder keinen.[133]

CYRIAX. Wie kommen denn die Stücke zusammen?

URSELCHEN. Ich habe ein Böhmisch Mägdel / dem gebe ich sechs Gröschel / die bringt mir alles gar hübsch zusammen / und ich kan die Zeit in der Haußhaltung besser anwenden.

PETRONELLA. Ach hertzer Mann / das Mägdel ist euch viel zu klug: Wir mögen sie mit Ehren vom Halse schaffen.

CYRIAX. Verstört mich nicht. Was wilst du bedencken wenn du ein Bier zu brauen hast?

URSELCHEN. Die Mältzer und die Brauer wissen was sie thun sollen: Wenn das geschehen ist / so kühlen wir aus / wir setzen zusammen / darnach lassen wir fassen.

CYRIAX. Aber wenn muß dieses geschehen?

URSELCHEN. Hertzlieber Vater / wenns Zeit ist.

CYRIAX. Weist du aber wenns Zeit ist?

PETRONELLA. Ey was wollen wir fragen / obs Zeit ist? Wäre es mit dem Mägdel nicht Zeit / so käme kein Freyer. Komm Urselchen / wir wollen an die Thüre treten / der Vater mag in der Stube brummen wie er will: Wenn der Freyer vorbey gehet / so wissen wir auch / was wir reden wollen.

CYRIAX. Ich biethe euch beyden Trotz / daß ihr mir an die Klincke greiffet.

PETRONELLA. Sieh da mein tausend Schatz / hast du auch geredt? Das wäre mein erstesmahl / daß ich mir liesse Trotz biethen.

CYRIAX. Ich wills haben / bleibt da.

PETRONELLA. Mir ist immer gar anders ums Hertze.

CYRIAX. Laß dir eine Sache nicht zweymahl befehlen.


Er ficht ihr vor den Augen.


PETRONELLA. Urselchen schlug mich der Vater?

URSELCHEN. Hertzliebe Frau Mutter / ich wuschte gleich die Augen / ich habe es nicht gesehen.

PETRONELLA. Höre du Schabe-Hals / hast du mich geschlagen?

CYRIAX. Ich habe dich nicht geschlagen: Aber das will ich haben / du solst mir in der Stube bleiben.


Er ficht wieder.


PETRONELLA. Uber dem Gefechte möchte ich eine Ohrfeige nach der andern kriegen: Mein liebes Urselchen / ärgere dich nicht: Was ich thue das muß ich thun.


[134] Sie kriegt ihn von hinten zu / und wird des Mannes mächtig. Die Tochter fängt jämmerlich an zu schreyen.


Quelle:
Komödien des Barock. Reinbek bei Hamburg 1970, S. 132-135.
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