Siebender Auffzug.


[60] Ludomilla, des Königs alte Kammerfrau. Bäbel, der lustige Gärtner.


BÄBEL. Es ist ja gar zu gut / daß ich erlöset werde / war es doch / als wenn ich zur Straffe solte im Gehorsam stecken.

LUDOMILLA. Ja ja mein lieber Meister BÄBEL / ich weiß nicht / ob ihr euch deswegen viel bessern werdet / die Königin will gar garstig reden.

BÄBEL. Ist sie doch eine Frau / last sie immer garstig reden.

LUDOMILLA. Aber nicht / wie ich meine. Sie will mit gantzer Gewalt / daß ihr sterben solt / und ehe ihrs euch versehen werdet / so möchte ein Kerl von hinten zu kommen / der euch den Kopff vor die Füsse würffe.

BÄBEL. Kans ich doch nicht glauben / wenn ich meinem Kopff nicht selber brauche / so ist keinem Menschen damit gedienet.

LUDOMILLA. Aber wenn der Kopff ein Maul hat / das auswaschen kan / so ist den Leuten viel mit gedienet / wenn ihm das reden verboten wird.

BÄBEL. Wer hat einmahl eine Wäscherey von mir gesehen?

LUDOMILLA. Darnach ist es zu lange geharret / gewiß bey meiner armen Treue / der Tod hopfft euch schon vor der Hauß-Thüre herum.[61]

BÄBEL. Je meine liebe Mutter LUDOMILLA, ist mir doch bald / als wenn mir bange würde.

LUDOMILLA. Ja / was geschehen muß / das leide man nur geduldig.

BÄBEL. Ach meine hertzliebe Kammer-Frau / seht doch / wie mir so Angst wird: habt ihr denn keinen guten Rath mehr übrig?

LUDOMILLA. Nicht gar zu viel / doch daß ich nur was rathe / so blintzet nur feine zu / wenn der Tod kömmt / damit seht ihr seine gräßliche Gestalt nicht.

BÄBEL. O es ist mir gar / als wenn mir die Narren- Possen vergiengen / seyd gebethen / und redet was kluges / das mich beym Leben erhalten kan.

LUDOMILLA. Ich weiß wohl was / und dadurch könte euch geholffen seyn.

BÄBEL. Ach was denn meine liebe Mutter LUDOMILLA? sehet nur meinen kläglichen betrübten Trauer-Mantel an / wollt ihr mirs nicht zu gefallen thun / so thut es doch meinem jämmerlichen Wittwer-Stande zu Ehren.

LUDOMILLA. Kurtz von der Sache zu reden / ihr seyd ein Wittwer / ich bin meinem ledigen Stande nach so gut als eine Wittfrau / wollt ihr mich nehmen / so will ich bey der Königin was ausbitten.

BÄBEL. Soll das wahr seyn?

LUDOMILLA. Wenns nicht wahr wird / so hätte ich den grösten Schaden.[62]

BÄBEL. Ja ja Frau LUDOMILLA, wie alt seyd ihr?

LUDOMILLA. O es ist nicht Mode / daß man dem Freyer das Alter sagt. Doch wenn es euer Ernst ist / so will ich das nicht verschweigen / vor zwantzig Jahren war ich zwantzig Jahr.

BÄBEL. Nun so wäre zwantzig mahl zwantzig vierhundert.

LUDOMILLA. Nein / nein / in meinem Lande rechnet man so / 20. und 20. ist 40.

BÄBEL. Aber wenn St. Velten ein Schelm wäre / und machte die Rechnung anders / 20. und 20. sind 40 / 30. dazu sind 70.

LUDOMILLA. So unehrlich will ich nicht seyn / daß ich meinem Liebhaber betrüben wolte. Wollt ihr mir die Zähne besichtigen / so sehet her.

BÄBEL. Ein Mensch hat 32. Zähne / und im 56. Jahre fällt der Erste aus: Nun zehle ich noch siebzendehalbe / also könnt ihr zwar mit Ehren 40. Jahr alt seyn / aber das Maul ist gewiß 70. Jahr alt.

LUDOMILLA. Wenn ich ein jedweder Jahr mit zehen Reichsthalern bezahlen könte / so möcht ihr wündschen / ich wäre 100. Jahr.

BÄBEL. Wo die Morgengabe nach den Jahren eingetheilet wird / so wolte ich lieber achtzehen mahl zehen / als tausend mahl zehen haben.

LUDOMILLA. Und gedenckt / was ich vor gute Suppen kochen kan / ich weiß eine Kunst / wie man das Kälbermarcks aus den Beinen kriegt.[63]

BÄBEL. Last ihr auch die Nase hinein trieffen?

LUDOMILLA. Je du Schelme / du bist doch nicht werth / daß eine redliche Bitte vor dich gethan wird. Da siehstu meine Daumen creutzfechtig über einander / so wahr soll dir noch heute der Halß gebrochen werden.

BÄBEL. Nun / meine Ehrentugendsame Frau LUDOMILLA, itzund gedachte ich erst an den Tod. Last doch sehen / ich will eine Kunst an meinen Knöpfen probiren. Er zehlet sie / und saget dazu: Leben / Sterben. Ey potz tausend / der letzte Knopff weist auff Sterben.

LUDOMILLA. So sterbt doch / dessentwegen will ich gleichwohl einen finden / der sich meiner annehmen wird.

BÄBEL. Nu nu Mutter LUDOMILLA, Heyraths-Sachen wollen bedacht seyn / seht / da hab ich meine Karte / was der Scherwentzel vor ein Wort treffen wird / dabey soll es bleiben. Er zehlet wieder: Leben / Sterben. Daß dich S. Velten / der Scherwentzel will wieder sterben.

LUDOMILLA. Bey den Possen vergeht die Zeit / und wenn es zu langsam ist / so kan ich euch nicht helffen.

BÄBEL. Hört ich will euch die Haare auff dem Kopffe auszehlen / wo das letzte auff Leben kompt / so mag es seyn.

LUDOMILLA. Ja wüst ichs nur gewiß / wie viel Haare ich auff dem Kopffe hätte / so wolte ichs gerne ausstehen.

BÄBEL. Nun so will ich die Zähne in eurem Halse zehlen. Er zehlet / daß der letzte auff Sterben kommt.

LUDOMILLA. Ey da ist noch einer / den müsset ihr auch mitzehlen.[64]

BÄBEL. Ey es ist nur ein halber / der gilt nicht.

LUDOMILLA. O die Wurtzel ist noch gut / zehlet ihn immer mit.

BÄBEL. Es weist sich gar feine an dem halben Zahne / daß ich nur eine halbe Frau haben soll. Doch hört liebe Frau LUDOMILLA, helfft mir vor / darnach will ich mich bedencken.

LUDOMILLA. Umgekehret so wird ein Schuch daraus / bedenckt euch vor / so will ich euch helffen.

BÄBEL. Es ist mir nur darum / ich weiß / was ich an der vorigen Frau verlohren habe: was ich an der neuen kriegen werde / das kan ich nicht wissen.

LUDOMILLA. So magstu es auch nicht wissen / ich bin dir gnung nachgelauffen / hätte ichs gewust / daß du so ein falscher Hund wärest / so hätte ich dir was anders pfeiffen wollen. Geht ab.

BÄBEL. Nein Frau LUDOMILLA, das ist meine Meynung nicht / daß ichs bey den Leuten auff einmahl verschütten will / ich werde wieder um schön Wetter bitten. Geht ab.


Quelle:
Christian Weise: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1971 ff., S. 60-65.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Frau Beate und ihr Sohn

Frau Beate und ihr Sohn

Beate Heinold lebt seit dem Tode ihres Mannes allein mit ihrem Sohn Hugo in einer Villa am See und versucht, ihn vor möglichen erotischen Abenteuern abzuschirmen. Indes gibt sie selbst dem Werben des jungen Fritz, einem Schulfreund von Hugo, nach und verliert sich zwischen erotischen Wunschvorstellungen, Schuld- und Schamgefühlen.

64 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon