Die Abbitte

[21] Selinde sah vor wenig Tagen

Den jungen Damon freundlich an:

Wie konnt ich einen Blick vertragen,

Der viel, sehr viel bedeuten kann!

Ich wollte sie alsbald verlassen,

Und schwur: ich wollte nimmermehr

Sie wieder sehn, ja, sie gar hassen, – –

Wenn es mir möglich wär.


Sie rieb die schönen Augenlieder,

Und hub sie schmachtend in die Höh:

Dann fiel ein falsches Thränchen nieder

Wie Morgenthau auf jungen Klee.

Drauf rang sie ihre weißen Hände,

Und seufzt ein halb gebrochnes Ach!

Ich – – sah erschrocken an die Wände,

Und – – seufzte heimlich nach.
[22]

Sie wollte mir darauf entrinnen:

Und ach! was hatt ich ihr gethan?

Durch Seufzen war nichts zu gewinnen;

Drum fing ich laut zu weinen an.

Ich warf mich nieder: auf den Knieen

Stellt ich ihr meine Reue dar:

Daß ich – – daß ich ihr schon verziehen,

Daß ich – – zu ehrlich war.

Quelle:
Christian Felix Weiße: Scherzhafte Lieder, Leipzig 1758, S. 21-23.
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