Der langsame Crispin

[124] Bey heitern Mondenscheine,

Erwartete im Hayne

Voll Zorn Claudine den Crispin.

Wie ärgerte Claudinen

Die Trägheit von Crispinen!

Denn, eh er kam, gieng halb der Abend hin.


Sie wollt ihn nicht mehr sehen,

Und hochgelehrt im Schmähen

Empfing sie zornig den Crispin.

Sie weinte, schimpfte, drohte,

Wenn er die Hand ihr bote:

Woher du kömmst, schrie sie, geh wieder hin!
[125]

Sein Reden, Bitten, Flehen

Half nichts, sie hieß ihn gehen,

Dieß währte bis um Mitternacht:

Er bat mit mildern Blicken,

Ihn mindstens fortzuschicken:

Doch desto mehr schien sie nur aufgebracht.


Wohl! sprach er, deinen Willen

Muß ich einmal erfüllen,

Und drollte nach dem Weinhaus hin:

Da fing sie erst von neuen

Erbärmlich an zu schreyen:

Du gehst, Crispin? Ach bleib Crispin! Crispin!

Quelle:
Christian Felix Weiße: Scherzhafte Lieder, Leipzig 1758, S. 124-126.
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