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[25] Töffel. Röschen. Hernach Marthe drinnen.
RÖSCHEN. Weißt Du was, Töffel, ich bin böse auf Dich.
TÖFFEL. Böse? geh doch! warum wärst Du denn hier geblieben?[25]
ROSCHEN. Weil ich, weil ich mich mit Dir zanken will.
TÖFFEL. Je, so konntest Du immer mit der Mutter hinein gehen. – Aber warum bist Du denn böse?
RÖSCHEN. Weil, weil Du so dumm redst.
TÖFFEL. Nu, was hab ich denn geredt?
RÖSCHEN. Du hast geredt, daß Hannchen, das gute Hannchen, daß die nicht entführt, sondern dem Grafen nachgelaufen wäre: und mein Vater hatte sie lieb, und meine Mutter hatte sie lieb, und Christel hatte sie lieb, und sie hatte uns alle lieb.[26]
TÖFFEL. Und der Graf hatte sie lieb, und sie hatte den Grafen lieb, und weil sie den Grafen lieb hatte, so gieng sie mit ihm durch: nicht wahr?
RÖSCHEN. Da kömmst Du schon wieder mit Deinem albernen Zeuge. Einmal für allemal: Du sollst nicht sagen, daß sie mit dem Grafen durchgegangen ist.
TÖFFEL. Wenns nun aber so ist: soll ich denn sprechen, der Schnee ist schwarz, und der Ruß weiß.
RÖSCHEN. Es ist aber nicht wahr.
TÖFFEL. Es ist aber wahr.[27]
RÖSCHEN. Ich wills aber nun nicht haben.
TÖFFEL. Und deswegen ists nicht wahr? Ich will Dirs nur sagen: Du kennst Dir das Hofvolk nicht. Sie haben solche glatte Worte, als wenn sie mit Butter geschmiert wären: und die Mädchen, – die Mädchen verschlucken gar zu gerne solche Worte: das fährt wie Speck die Kehle hinunter. Ich habe einmal eine solche Historie erlebt, da ich beym Baron Rübsamen auf dem Edelhofe diente.
RÖSCHEN. Nu?
TÖFFEL. Da war Dir der eine Junker, Fritze hieß er, der war ein Officier. Ich war dazumal einer von Hofemädchen gut, und sie war mir auch gut.[28]
RÖSCHEN. So? also bin ich nicht die erste, der Du gut bist?
TÖFFEL. Je nu! man kann ja wohl einem Mädchen gut seyn: genug, es ist Dir nichts daraus geworden. Ich merkte gleich, daß der Junker ein Auge auf sie hatte: ich schlich ihr also überall nach. Einmal sah ich sie gegen Abend auf der Wiese grasen. Mein Junker kam den Berg herunter geritten: Trap, Trap, Trap! – Huy, dacht' ich, sollt er sie nicht in Wurf kriegen? – Richtig! er kam; sie that, als wenn sie ihn nicht kommen sähe, und bückte sich und that, als grafte sie, und schielte immer übers Gras weg: da fuhr ich in einen Heuschober hinein, und guckte heraus, und dachte: Du mußt doch sehen, wo das Ding hinaus will.[29]
RÖSCHEN. Nun?
TÖFFEL. So bald er an sie kam: so that er, als ob der Gurt am Pferde nicht fest wäre: Er stieg ab, rufte sie, daß sie ihm das Pferd halten sollte, und knaupelte ein bischen dran herum: es währete nicht lange, so gieng das Komplimentiren los.
TÖFFEL singt mit zweyerley Stimmen.
Mein Engelchen, was machst Du hier?
»Ich grase, wie sie sehen.«
Schmerzt nicht das arme Parschgen Dir?
»Was hilfts, es muß geschehen.«
Hier nahm er sie bey der Hand, und drückte sie, und drückte sie! Eh' man sichs versah, schob er ihr den Aermel bis an die Schulter hinauf; und zog ihr mit der andern Hand das Halstuch weg.
[30]
Wie weiß ist nicht der Arm, wie schön
Mag dieser Busen seyn!
»O pfuy doch! lassen sie mich gehn!«
»Gewiß ich werde schreyn!«
RÖSCHEN. Sie wird auch nicht ein klein bischen geschrien haben.
TÖFFEL.
Geschrien? Nicht ein laut Wörtchen.
Nu hieß es:
Komm liebes Mädchen, küsse mich!
»Ich bin nicht so erpicht.«
Ja, willst Du nicht, so küß' ich Dich!
»Nein, Nein, das thun Sie nicht!
Du meinest nun, er ließ sich abweisen. Je ja doch: er wurf ihr den Arm um den Hals.
Da hast Du eines auf den Mund,
Da eines auf den Arm!
»Pfuy! Pfuy Sie machen es zu bunt,
Es wird mir kalt und warm.«[31]
RÖSCHEN. Nu? was wurde denn draus?
TÖFFEL. Je, was wurde draus? Mir wurde unter meinem Heuschober auch kalt und warm, denn ich sah, daß noch mehr draus werden würde: und rippelte mich, und schüttelte mich, daß der ganze Heuschober übern Haufen fiel. Ich purzelte heraus. Da hättst Dus Mädchen sollen schreyen hören! Zuvor hatte sie nicht geschrien. Der Junker fuhr zusammen, murmelte mir einen Schurken auf den Hals, stieg auf, und wackelte auf seiner Mähre fort.
RÖSCHEN. Je nu; wenns das alles war.
TÖFFEL. So? also meynst Du, das war nichts? – Röse, Röse! das ist mir nun so gar recht[32] nicht. Töffel steckt nicht allezeit in einem Heuschober, und es ist mir immer lieb, daß Du nicht Hannchen bist, die der Graf entführen will.
RÖSCHEN. Kömmst Du mir wieder mit Hannchen? ich weiß gewiß, wenn ihr der Graf so nahe auf den Hals gekommen wäre, sie hätte es gemacht, wie ichs dem Jäger Gabel an der Kirmse machte.
TÖFFEL. Laß doch hören, wie machst Du's ihm denn?
RÖSCHEN.
Als da der Jäger Gabel kam,
Und freundlich mich beyn Händen nahm,
So – ließ ich es geschehn;
TÖFFEL.
So? und Du ließst es geschehn?[33]
RÖSCHEN.
Er zog mich drauf in Winkel hin;
Und griff mir freundlich an das Kinn,
Da sprach ich: wollt Ihr gehn?
TOFFEL. Und er gieng auch? Nu da muß er noch Spaß verstanden haben.
RÖSCHEN.
Ja ja, er dacht es wär mein Spaß,
Und sprach: Du kleines Rabenaas,
Und – hub mich hoch empor.
TÖFFEL. Und Du littst das? Heh! Röse, Du darfst mir nicht viel –
RÖSCHEN.
Und sprach: Du bist und bleibst mein Schatz;
Und gab mir einen derben Schmatz:
Da – kriegt' er eins aus Ohr, –
Sie giebt Töffeln eine Ohrfeige.
daß er übern Haufen torkelte.[34]
TÖFFEL. Je verflucht, Mädchen! das war auch kein Spaß. Dem Jäger konntst Du so eine geben, aber Töffel brauchte nicht zu wissen, wie Du's gemacht hast.
RÖSCHEN. Du hättst mir doch nicht geglaubt, wenn ich Dir's nicht gewiesen hätte.
TÖFFEL. Nu künftig, Röse, so weiß' es andern, und mir nicht.
MARTHE ruft drinnen. Röse! – Röse! – Röse! –
RÖSCHEN. Heh! die Mutter – – Ja!
MARTHE drinnen. Nu? wirst Du bald kommen und die Laterne suchen?[35]
RÖSCHEN. Gleich, Mutter, gleich!
TÖFFEL. Siehst Du! das hast Du von Deinem Plaudern! Hätten wir nu nicht die Zeit über dafür von unserer Freyerey schwatzen konnen?
RÖSCHEN. Wer ist denn Schuld? hättst Du mir nichts vom Hannchen gesagt, so hätt' ich auch nichts gesagt, aber wer weiß, was drunter steckt, daß Du so böse auf sie bist.
TÖFFEL. Je ja, freylich mag wohl was drunter stecken. Der Graf und sie wirds wohl am besten wissen.
MARTHE drinnen. Nu Röse? soll ich Dich holen?[36]
RÖSCHEN. Siehst Du? wenn Du Dich hübsch aufgeführet hättest, – da hatte ich den Strauß für Dich gebunden; aber nun – nun – da hast Du was auf Dein loses Maul! Sie wirft ihm den Strauß ins Gesicht und läuft hinein.
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