[172] Zu Sulmona in Welschland war ein Graf; oder besser zu reden, ein rechter Wüterich, als welcher mit seinen Unterthanen sehr streng, und unchristlich umgienge. Ja er hielte sie schlimmer, als seine Hund; massen diesen besser, als denen armen Unterthanen gepflogen wurde. Dann weilen er ein Liebhaber der Jagd war, unterhielte er etliche Kuppel der Jagd-Hunden, denen er manches Stuck-Fleisch hinwarffe; wo die arme Unterthanen unterdessen den bitteren Hunger litten. Nun geschahe auf eine Zeit, daß einer dieser Hunden, der dem Grafen vor anderen lieb war, einem seiner Unterthanen, einem Bauren, weiß nicht was für eine Unruhe und Uberlast anthate. Weilen nun der Baur solchen Hund deswegen tapfer abprüglete, schrye er jämmerlich. Der Graf dies hörend, erzörnte sich wider den guten Mann dergestalten, daß er Befehl gab, den Bauren alsobald in Eisen und Band zu schlagen, und in die Gefängnuß zu setzen. Wie nun der arme Baur aller menschlicher Hülf sich beraubet sahe, überfiele ihn ein solcher Unmuth und Melancholey, daß er aus Verzweiflung den bösen Feind um Hülf angeruffen. Als nachgehends der Kercker-Meister dem Gefangenen zu Essen bringen wolte; sihe! da fande er den Kercker leer, und konte nicht errathen, wie und wohin doch der Gefangene möchte die Flucht genommen haben. Erschracke also nicht wenig ob dieser Begebenheit: und noch vilmehr der Graf selber, da er die Bottschaft davon erhalten: dann er machte ihm deswegen allerhand wunderliche Gedancken. Es waren aber kaum 3. Täg verstrichen, da hörte einstens der Kercker-Meister eine klägliche Stimm, die ihne gedunckte aus der Tieffe des bishero stets verschlossenen Kerckers zu kommen. Er lauft also dem Kercker zu, eröfnet denselbigen; und sihe Wunder! er fande wiederum den Flüchtling; aber gantz verstellet: dann er sahe Kohl-schwartz aus, und die Kleider waren halb verbrennt. Der Kercker-Meister fragte ihn: wo er hingeflohen? und wie er wieder anhero gekommen? der Gefangene aber gab ihm nichts anders zur Antwort, als daß er dem Kercker-Meister mit kläglicher, und gebrochener Stimm sagte: gehe alsobald zum Grafen, und sage ihm, wie daß ich ihm etwas hochnothwendiges zu erzählen habe. Nun das wird dem Grafen hinterbracht. Und weil der Graf begierig war zu hören, was es dann wäre, liesse er den gefangenen Bauren alsobald für sich führen. Da fienge dann der Gefangene [173] mit einem tieffen Seuftzer an also zu reden: »Herr Graf! ich komm daher, als ein Bott, aus der Höll abgesandt, wohin ich bin geführt worden, den Augenschein von den erschröcklichen Peinen daselbst einzunehmen. Dann wisset: wie ich im Kercker gefangen lag, und niemand mich trösten wolte, da hab ich den bösen Geist um Hülf angeruffen. Es erschiene auch dieser ohnverzüglich in abscheulicher Gestalt; faßte mich in der Mitte, und führte mich in den Abgrund der Höllen. O was hab ich dort nicht für erschröckliche Sachen angetroffen, und sehen müssen es waren allda tiefe finstere Gruben; mit feurigem Schwefel und Pech angefüllte Teich; überaus grosse brennende Feur-Oefen. Allda hab ich Fürsten und grosse Herren gesehen, mitten in den feurigen Kohlen liegen, an dero Häls glüende Ketten hiengen. Diese wurden gleich den Sclaven von den Teuflen mit Füssen getreten, unter welchem Tretten diese vorhin grosse Herren ihre geführte Regierungen verfluchten. Es waren allda auch zu sehen geistliche Personen als Prälaten, sitzend auf brennenden Ehren-Stühlen, angethan mit flammenden Rauch-Mäntel: diese verfluchten ebnermassen ihre gehabte Ehren-Stellen, und Würden. Wiederum sahe ich auf einer Seiten etwelche Kauf-Leut, die waren zerfetzt, und zerfleischt bis auf die blosse Beiner, an welchen die höllische Hund nagten. Diese Kauf-Leut verdammten gleicherweis ihre gehabte Reichthümer. Ferners waren allda geile unzüchtige Weibs-Bilder, mit Schlangen und Drachen umwickelt, die ihnen da und dort das Fleisch zerbissen. O was für erbärmliches Geheul setzt es dort nicht ab; welches mein Gehör gantz taub gemacht! O was für ein unleidlicher Gestanck ist nicht allda; der mein Hertz schier ersticket hat! indem ich also die Augen hin und her wurfe, erblickte ich einen gewissen Herrn (und diesen nennte der gefangene Baur mit Namen) den ihr und ich wohl kennen; und der kurtz vorher gestorben. Dieser als ich zu ihm tratte, liesse einen tiefen Seufzer, und zeigte mir, wie er mit stinckenden Eyter und Geschwären angesteckt, und mit Schwefel-Flammen umgeben seye. Alsdann sprach er mit Schauder-voller Stimm zu mir: siehest du in jener finsteren Höle jenen glüenden Sessel? wisse, daß dieser zubereitet seye dem Grafen von Sulmona, wofern er sich nicht bessern wird. Gehe dann, und ermahne ihn; damit er einmahl aufhöre, seine Unterthanen zu plagen, auf daß er nicht auch in dieses Ort der Pein und Qual komme. So man dir aber nicht glauben solte, so setze zu Bestättigung der Wahrheit folgende Erzählung hinzu: es solle nemlich der Graf sich erinneren jenes geheimen Anschlags, den er vor diesem mit ihm in Kriegs-Sachen gehabt: [174] von welchem niemand als er, und ich Wissenschaft habe. Als er dieses ausgeredt, schwiege er still. Und als ich die Hand ausstreckte, den Saum der Kleider zu berühren, schrie er überlaut: laß bleiben; laß bleiben, dann mein Kleid ist lauter Feur: wehe dir! so du es anrührest. Hab also mein Hand zuruck gezogen: und siehe! der Athem allein, und der Dampf war so mächtig und umfressend, daß er sie verbrennt und geschwärtzt hat, wie ihr selbst sehet. Schauet doch, wie viel eyterige Blattern mir aufgefahren, die nun eine stinckende Matery von sich geben; und wie die Würm daraus kriechen, so mir das Fleisch wegfressen.« Auf so erschröcklichen Anblick dieser verbrennten Hand; auf so traurige Zeitung von jenem glüenden Sitz, welches alles der entdeckte Anschlag bekräftigte, erbleichte der Graf im Agesicht; zitterte an Händ und Füssen, und der häufige Schweis brache ihm am gantzen Leib aus: der Gefangene aber wurde alsobald auf freyen Fuß gestellt: welcher darauf nach Haus gienge: den aber niemand aus seinen auch nächsten Befreundten mehr kennte: also gar war er verstellet. Er wandelte forthin seine übrige Lebens-Zeit immer in tiefer Melancholey herum, und konte auf keine Weis mehr getröstet werden. Dann er erschröckte jedermann mit Erzählung seiner traurigen Begebenheit. Wohin er nun kame, beschriebe er jenes greuliche Ort der Peinen; jene feurige Oefen, die nicht erlöschen; jene glüende Ketten, welche diesen elenden Verdammten stets anhangen; jenen unleidentlichen Durst, den man nicht einmahl mit einem Tröpflein Wasser kan abkühlen; jenes Metzgen, Hauen, und Beissen in dem Fleisch; jene häßliche Larven, und Angesichter der Teuflen; jenes Heulen und Klagen; jene Trostlosigkeit und Verzweiflung: und endlich jenes erbärmliche Leben, damit man immerzu sterbe; und jenes erbärmliche Sterben, damit man immerzu lebe. Mit einem Wort: wo man zu keinem anderen Ziel lebt, als daß man immer und ewig brinne und brate; ein Pein und Qual über die andere leide; rase und verzweifle. Damit aber brachte er manchen auf gute Weeg, und verleidete ihnen die Welt-Gelüsten; damit sie nicht in jene höllische Schmertzen geriethen. Ja nicht allein mit Worten, sondern auch in der That selbsten erwiese er in seinen noch wenig übrigen Tägen, daß er nichts anders verlange, als jenes Ort der Pein und Qual auf alle Weis zu vermeiden; als welches ihm solche Forcht und Schröcken eingejagt hatte. Das Gerücht von dieser traurigen Begebenheit hatte sich in selbiger gantzen Landschaft ausgebreitet. Etwelche haben daraus ein Gelächter gemacht; dann es taugte diesen Welt-Vöglen nicht für ihr unordentliches Leben, solche Geschicht zu glauben; und so sie es glaubten, fienge gleich der Gewissens-Wurm an zu nagen. Andere, die von gesunder Vernunft waren, hielten es für eine wahre Begebenheit; als welche mit den Prophezeihungen [175] einstimmte, und mit dem heiligen Evangelio eintraffe. Giengen also in sich selbsten; thaten Buß: damit sie nicht an jenes Ort der Pein und Qual kämen, an welches sie ohne Forcht und Schröcken nicht gedencken konten. Gregorius Rossignolius S.J. in seinen ewigen Grund-Wahrheiten.
Wann grosse Herren, und Obrigkeiten an jenen Spruch im Buch der Weisheit, C. 6. öfters gedenckten: Die Gewaltige werden gewaltige Pein leiden; wie gantz anderst wurden sie mit ihren Unterthanen umgehen! die Obrigkeiten seynd gesetzt zu Gutem der Unterthanen: und also sollen sie diesen Guts thun; und nicht tyrannisch über sie herrschen. Sollen auch gedencken, daß noch einer ober ihnen seye, der sie straffen könne, wann sie die Schrancken ihres Gewalts überschreiten.
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