Vierzehendes Exempel.

In einem Closter setzen sich verdammte Geister vor dem Nacht-Essen an die Tisch des Convents.

[176] Zu Neapel einer Stadt in Welschland, ist ein gewisses Closter, dessen Orden ich nicht benamsen will. In diesem hat sich einstens folgendes zu getragen. Als ein Bruder des Closters auf einen Abend in das Convent gieng, den Tisch zu decken, siehe! da nimmt er wahr, daß alle Tisch des Convents mit Geistlichen seines Ordens besetzt wären, welche in der Stille gleichsam warteten, bis man das Nachtessen auftragen wurde. Weil nun der Bruder keinen aus ihnen kennete, als der sie sein Lebtag niemahl gesehen, kam es ihm sehr fremd vor: dann er wohl wußte, daß die Geistliche, so ins Convent gehörten, noch in ihren Zellen wären, und warteten, bis sie das Zeichen zum Nacht-Essen hören wurden. Endlich gieng ihm ein Schauder durch den Rucken; weil er darfür hielte, es müßten Geister seyn. Demnach stunde er nicht lang still, sondern luffe eilend zum Convent hinaus, und dem Prior des Closters zu. Diesem erzählete er voller Schröcken, was er im Convent gesehen hätte. Der Prior glaubte anfänglich, der Bruder müß von Sinnen kommen seyn; oder er gehe etwan im Traum: liesse ihm also nichts aus der Sach gehen. Allein weil der Bruder sagte: er wisse wohl, was er rede; und daß es kein Traum wäre: mithin den Prior bathe, er wolte selbst mit ihm ins Convent gehen, und den Augenschein einnehmen, liesse sich dieser überreden, und gienge in Begleitung des Bruders selbst ins Convent hinein. Wie er nun eben das gesehen, was ihm der Bruder erzählt hatte, kame ihn gleichfalls ein Grausen an: nahme also samt dem Bruder den Weeg eilends zum Convent hinaus, und berufte die [176] Aeltiste des Closters zusammen ihnen voller Schrecken erzählend, was er und der Bruder im Convent gesehen hätten. Nun komme es auf die Frag an, was zu thun seye? dann das seyen Geister; und also müsse man behutsam drein gehen, wann man sie aus dem Convent vertreiben wolle. Da wurde dann einhelliglich beschlossen, der Prior solte in die Sacristey gehen, und dort die priesterliche Kleider anlegen: alsdann das Hochwürdigste Gut aus dem Tabernackel des Altars nehmen, und damit in Begleitung aller Geistlichen des Closters ins Convent hinein gehen, und die Geister durch die Gegenwart Christi beschwören, daß sie sagen und bekennen sollen: wer sie seyen? zu was End sie in das Convent kommen? und was sie wollen? nun das geschiehet. So bald der Prior dann mit dem Hochwürdigsten Gut ins Convent kommen, stunden die Geister zwar alle auf, und neigten sich; zohen aber ihre Münchs-Kappen über die Angesichter herunter, damit sie Christum den HErrn im Sacrament nicht müßten anschauen: auf welches hin sie sich wiederum nieder setzten. Als aber der Prior den Obersten, so diesen Geistern allen vorsasse, anfragte, wer sie wären? stund der Geist auf, und sagte: Wisse, daß wir vor diesem alle deines Ordens-Brüder geweßt, aus welchen die meiste die Stell eines Oberen, als Priors; oder ein anders Ehren-Amt des Ordens, als Magisters, Lectors, und dergleichen vertretten. Nun aber seynd wir alle verdammt; und zwar wegen unserem Ehr-Geitz, Hoffart, Neid, und anderen Lastern, so die Höll verdienen. Es hat aber GOTT aus sonderbarer Gnad gegen euch wollen, daß wir anhero kommen, und nicht allein euch, sondern alle Ordens-Brüder ermahnen solten, daß ihr euch befleisset, vermög eueres Berufs nach der Clösterlichen Vollkommenheit zu streben; wann ihr anderst mit uns nicht auch wollet verdammt werden. Damit ihr aber an unserer Verdammnuß nicht zweiflen könnet, so schauet uns nur recht an. Als er dieses geredt, zogen sie ihre Münchs-Kappen von denen Häuptern herunter. Und siehe! es fuhren aus ihnen feurige Flammen, und sie sahen gantz giüend aus, wie ein feuriges Eisen. Auf dieses schluge der Oberste aus diesen Geistern mit der Hand auf den Tisch: und damit verschwunden sie insgesamt. Antonius Senensis in Chron. FF. Prædicat. in Com. fol. 119.


Wie gefährlich ist es, wann man an demjenigen Ort, welches ein Schul der Demuth seyn soll, dem Ehr-Geitz ergeben ist, andere verachtet; oder sie beneidet, wann sie herfür gezogen werden! und wie ist es möglich, daß man die wahrhafte Tugend erlange, wann man nicht die Demuth zum Grund legt? darum sagt gar schön der heilige Augustinus: Wilt du ein Gebäu der Tugenden anführen? so stehe zu erst um die Demuth, [177] als um das Fundament dieses Gebäues. Und dieses ist was Christus von seinen Nachfolgeren verlangt; indem er sagt: Lernet von mir: dann ich bin demüthig von Hertzen. Matth. 11.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 176-178.
Lizenz:
Kategorien: