[329] Peckius, ein hertzhafter Mann, zoge sich (was Ursach, ist nicht bekannt) auf den Halß den Haß und Feindschaft eines gewissen Edelmanns, so auf einem Schloß wohnte. Dieser Edelmann nun liesse durch seine Diener dem Peckius aller Orten aufpassen, damit er ihn möchte zu Handen bringen; welches auch endlich geschehen. Dann, als Peckius einstens über Feld ritte, und durch ein hohle Straß mußte, wurde er von des Edelmanns Dienern (so sich verkleydet, und alldort versteckt hatten) unversehens überfallen, angepackt, gleich einer Katz in einen Sack gesteckt, und auf des Edelmanns Schloß gebracht. Da liesse ihn der Edelmann so fort in einen tieffen und finstern Thurn setzen, wohin weder Sonn noch Mond kamen; sagte aber Niemand von seinen Hausgenossenen was davon, ausser einem eintzigen treuen und verschwiegenen Diener. Diesem gabe er Befehl, dem Gefangenen täglich an einem Stricklein nur ein wenig Brod und Wasser in den Thurn hinunter zu lassen; nicht so fast, daß der arme Gefangene länger leben, als täglich gleichsam sterben sollte. Unterdessen, weilen Peckius auf die bestimmte Zeit nicht nach Haus kame, wurde ihm von seinen Leuten aller Orthen nachgefragt; konnte aber nirgends erfragt werden, ausser daß zuletzt sein Pferd, auf welchem er ausgeritten, in gedachter hohlen Strasse mit Blut besprengt gefunden worden. Woraus man dann gemuthmasset, er müsse mörderischer Weiß umgebracht worden seyn. Darum man fleißig nach dem Thäter geforschet, seynd auch ihrer zwey, von [329] denen man wußte, daß Peckius nicht längst einen Zanck-Handel mit ihnen gehabt, eingezogen worden. Als man sie nun darüber examinirt, und gefoltert, bekennten sie zuletzt (wiewohlen nicht mit Wahrheit, sondern allein aus Forcht länger gemartert zu werden) daß sie den Peckium ermordet hätten. Worauf sie dann beyde verurtheilt, und hingerichtet worden. Unterdessen mußte der arme Peckius 19. gantzer Jahr in seiner Gefängnus zubringen; allwo er so lange Zeit weder schlagen, noch läuten gehört, kein Tag-Liecht gesehen, mit keinem Menschen ein Wort gesprochen, ja nicht einmahl gewußt, an was für einem Ort der Welt er seye, oder wer ihn in diese Gefängnus habe setzen lassen. Dann ob er schon täglich ein Stücklein Brod, und Krüglein mit Wasser bekame, so wußte er doch nicht durch wen es geschehe; indem des Edelmanns Diener, so das Brod und Wasser in aller Stille an einem Stricklein in die Gefängnus hinunter gelassen, von dem Gefangenen nicht konnte gesehen werden; nach zuruck gezogenem Stricklein aber in der Stille, und ohne ein Wort zu sprechen, wiederum davon gienge. Wußte also der arme Gefangene nicht, ob es Tag oder Nacht, noch wie lang er in dieser Gefängnus aufgehalten werde. Lebte mithin in immerwährender tieffen Melancholey, und Traurigkeit, Hunger und Durst, und mußte die Kleyder am Leib verfaulen lassen. O traurige Gefängnus, O langweilige Nacht, O Seuftzer, die dieser arme Gefangene aus seinem Hertzen gestossen, O Zäher, mit welchen er sein Elend beweynt, O Leben, das er hundertmahl mit dem Tod hätte vertauschen mögen, mithin ward Peckius von seinen Leuten zu Haus für tod gehalten, und seine Gedächtnus nach und nach in die Vergessenheit gestellt. Nachdem endlich 19. Jahr in dieser finsteren, traurigen, und elenden Gefängnus von dem armen Gefangenen zugebracht worden, ware der Edelmann des Schlosses mit Tod abgangen. Ach GOtt! wie wird es anjetzo unserem Peckius ergehen? Höre, des verstorbenen Edelmanns hinterlassenen Erben kame der Lust an, das Schloß da und dort erneueren zu lassen. Demnach liesse er Maurer und Zimmerleuth kommen, welche der Arbeit sollten den Anfang machen. Wie nun diese mit Niederreissung der Mauren beschäftiget waren, mithin auch an den tieffen Thurn kamen, in welchem der arme Peckius so viel Jahr elendiglich zugebracht, hörten sie ein erbärmliches Seuftzen und Weynen, über welches sie sich anfänglich entsetzt, und nicht gewußt, was sie gedencken müßten. Wie sie aber einander Muth und Hertz gemacht, mithin den Thurn erbrochen und eröfnet; siehe, da erblickten sie einen Menschen, der mehr einem Todten, als Lebendigen gleich sahe; dann er war vor Hunger gantz eingeschmurret, und zusammen gezogen, in dem Angesicht tod bleich, und eingefallen, am gantzen Leib aber mit Haar überwachsen, und mit langen [330] Näglen an denen Fingeren, in Summa: ein rechtes Wunder-Thier. Nachdem man sich genug an ihm ersehen, ward er gefragt, wer er seye, was Lands? wie er an dieses Ort gekommen, und wie lang er sich da aufgehalten; da zeigte er zwar seinen Namen und Vatterland an, auf die andere Fragen aber wußte er nicht zu antworten, und das wegen schon oben angezeigten Ursachen. Allein der Diener, so ihm täglich Wasser und Brod an einem Stricklein in den Thurn hinunter gelassen, und noch vorhanden war, entdeckte den gantzen Handel, worauf der arme Gefangene aus dem Thurn heraus geführt; auf freien Fuß gestellt, und ihm in sein Vatterland zu kehren erlaubt worden; wo er dann seinen Leuten mit ihrer Erstaunung erzehlt, wie ihm ergangen, und wie ihm die Zeit von 19. Jahren, so er in der Gefängnus zugebracht, nicht anderst vorkommen, als wären sie eine halbe Ewigkeit; welches man ihm, in Betrachtung aller Umständen auch leicht geglaubt hat. Drexelius S.J. in Gymnasio patientiæ P. 2. c. 2. §. 3.
Ewiger GOtt! wann diesem Gefangenen 19. Jahr seynd vorkommen, als wären sie eine halbe Ewigkeit; wie wurden sie ihm erst vorkommen seyn, wann er sie in einem feurigen Ofen eingesperrt zugebracht hätte? was Schmertzen, was Traurigkeit wurden sie ihm verursacht haben, wer will es aussprechen; allein, was seynd 19., was seynd 100., was seynd 1000. Jahr gegen der gantzen Ewigkeit, welche die Verdammte in dem höllischen Feur müssen zubringen? O wie lang, O wie unerträglich wird ihnen die Weil vorkommen, wann sie nach 100000. Millionen der Jahren sehen werden, daß sie sich noch am Anfang der Ewigkeit befinden, daß sie noch keinen Schritt weit in der Ewigkeit fortgeruckt seyen? wann es immerzu heissen wird: Jetzt fangt euer Peyn erst an! O erschröckliche Sach! wie traurig ist es, auch nur daran zu gedencken? will geschweigen. wann man diese unglückseelige Ewigkeit mit den Verdammten in der Höllen erst erfahren müßte; wie recht hat dann der gottseelige Cardinal Bellarmin diesen Spruch gethan: O Ewigkeit! wer dich betrachtet, und doch ab dir nicht erschröcket, der hat entweder kein Glauben, oder keinen Verstand.
Wohl geredt. Zum Beschluß, und damit diß alles dem Gemüth tieffer eingedruckt werde, laßt uns hören, was der gottseelige Pater Hieremias Drexelius, aus der Gesellschaft JEsu, von der Ewigkeit gesungen.
1.
Die Ewigkeit, die ewige Zeit,
Die kränckt mich in dem Hertzen;
Die ewig Zeit, die Ewigkeit,
Bringt mir groß Angst und Schmertzen.
2.
O lange Zeit, ohn alle Zeit,
O End, das nie aufhöret;
[331] O du ewige Ewigkeit,
O Zeit, die ewig währet.
3.
Wohlan, steig in die Höll hinab,
Nicht daß du drinn solt brinnen;
Sondern das Feur vor Augen hab,
Damit ihm mögst entrinnen.
4.
Ach GOtt, was ist die Ewigkeit,
Der immerwährend Schrecken;
Daran kein Monath, kein Jahr-Zeit,
Noch tausend Jahr erklecken.
5.
Ja, da tausendmahl tausend Jahr,
Ein End mögen erlangen;
Wann ein Zihl ist verloffen gar,
Thut gleich ein neues anfangen.
6.
Das ist zur Ewigkeit die Bahn,
Darauf man kommt geloffen;
Zum Ewigen doch Niemand kan,
Ein Wiederkunft verhoffen.
7.
Ein Ding ist das End und Anfang,
Im ewigen Verderben;
O Leben schnöd, wie der Tods-Zwang,
O Tod, ohn alles sterben.
8.
Geh hin, du Hurer in die Höll,
Doch wirst nicht mehr entrinnen;
Geh hin du Fraß, du schlimmer Gesell,
Da must du ewig brinnen.
9.
Der Höllen Einfahrt ist gar gut,
Kein Ausfahrt ist vorhanden;
Wen die Höll einmahl verschlucken thut,
Der bleibt in ihren Banden.
10.
Wer seelig wird, hat allzeit Freud,
In dem himmlischen Leben;
Wen GOtt verdammt, hat ewigs Leyd,
Und muß in der Peyn schweben.
11.
So wird auch solcher Freuden-Tag,
Im Himmel ewig währen;
Hingegen der Verdammten Plag,
In der Höll nie aufhören.
12.
Allda muß der Verdammten Schaar,
Viel heisse Zäher schwitzen;
Und samt den Teuflen immerdar,
Im höllischen Feur sitzen.
13.
Wohl auf ihr fromme GOttes-Knecht,
Singt und thut euch erfreuen;
Und laßt nun der Gottlosen Geschlecht,
Ewig heulen und schreyen.
14.
Dem Himmel zu ein jeder eyl,
Weil er uns noch steht offen;
Jetzt ist noch rechte Zeit und Weil,
Nach dem Tod ists verloffen.
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