[371] Nicht weit von dem Pyrenäischen Gebürg (welches Franckreich von Spanien unterscheidet) wohnte auf einem Schloß ein adeliche, und vermögliche Wittfrau, Armilla genannt. Diese hatte einen eintzigen Herrn Sohn, mit Namen Cyriacus, welcher etliche Jahr in denen Schulen, und hernach bey Hof zugebracht. Nachdem er wieder nach Haus kommen, wolte er sich keiner ernstlichen Geschäften annehmen; sondern brachte die Zeit allein mit Kurtzweilen und Faullentzen zu. Unterdessen (wie es gemeiniglich im Müssiggang den jungen Leuten widerfahret) ward er von der schädlichen [371] Liebs-Kranckheit angegriffen. Die Frau Mutter hatte unter ihren Aufwarterinnen ein zwar von gutem Geschlecht herstammendes; mithin aber armes Mägdlein, Leonis mit Namen. Ihr auserlesene schöne Gestalt, und Eingezogenheit; wie auch die tägliche Gegenwart, und holdselige Ansprach haben das Hertz des Cyriaci also eingenommen, daß er dieses Mägdlein zu heurathen sich gäntzlich entschlossen. Solches Vorhaben (wie einem ehrlichen Kind wohl ansteht) entdeckt er seiner Frau Mutter. Diese aber setzt sich starck darwider, und will einem so armen Heurath keineswegs beystimmen. Allein der Sohn weicht nicht; sondern laßt sich verlauten er wolle der Frau Mutter (dafern sie ihme in seinem vorgetragenen Heuraths-Geschäft länger wollte verhinderlich seyn) ein Stuck Geld zur jährlichen Unterhaltung geben, und selbige aus dem Schloß anderstwohin verschicken. Hierauf getrauete sich Armilla nicht länger offentlich zu widerstreben, sondern lasset es dem äusserlichen Schein nach gutwillig geschehen; nimmt aber gar bald auch selbst, dem Sohn zu Trutz, einen jungen Mann, Lucianus mit Namen zur Ehe, aus welchem sie hofte, noch einmahl Mutter zu werden; verfolgte mithin die unschuldige Leonis mit allen Kräften, und hielte selbige verächtlicher als zuvor, da sie noch ihre Aufwarterin gewesen. Cyriacus mag solcher Verfolgung länger nicht zusehen, bittet demnach die Frau Mutter, sie wolle mit ihrem jungen Mann eine andere Wohnung suchen: er wolle ihnen mehr, als die Schuldigkeit erfordere, zu ihrer standmäßigen Unterhaltung, herbey schaffen. Solches Begehren legte ihr Armilla zum Schimpf aus, und zörnete wider die Sohns-Frau (als von welcher sie glaubte, daß des Sohns Begehren seinen Ursprung habe) so heftig, daß sie selbige in Abwesenheit des Cyriaci bey nächtlicher Weil samt ihren zwey saugenden Zwilling-Kindlein in dem Beth er würgen liesse. Dieses aber ware dem vor Rach und Zorn rasenden Weib noch nicht genug; sondern sie laßt das Schloß versperren; ergreift die Waffen, und stellet sich mit ihren Leuten zur Gegenwehr, der gäntzlichen Resolution, den wiederkehrenden Sohn mit einem Hagel-Geschütz abzutreiben, und also des Schlosses allein Meister zu werden. Cyriacus wurde des Tods eigen gewesen seyn, wann ihm nicht ein getreuer Mensch entgegen gangen, und ihm von allem gewisse Nachricht ertheilt hätte. Der hierüber nicht wenig bestürtzte Sohn suchet bey der hohen Obrigkeit Schutz, Hilf, und Beystand, welche ihm auch alsobald eine genugsame Rott tapferer Kriegs-Leuten zugegeben. Diese umringten das Schloß, daß niemand weder hinein noch hinaus konte; werfen gar bald durch untergraben einen mercklichen Theil der Ring-Maur über einen Hauffen, und bemächtigen sich des Schlosses mit stürmender Hand. Der treulose Stief-Vatter Lucianus ist in währendem Streit von einer Musqueten- [372] Kugel getroffen, todter geblieben; Armilla aber, die mörderische Schwieger hat sich zu todt gefallen, da sie durch das Fenster auf einer Leiter (als welche geschlipfert) entfliehen wollte. Camusius in tragœd. Histor. 12.