Fünf und fünftzigste Begebenheit.

Einem Weib wird ein treffliches Mittel vorgeschrieben, wie sie verhinderen könne, daß ihr Mann nicht viel rumore.

[603] Ein Weib klagte einem klugen und verständigen, wie daß ihr Ehemann fast täglich wohl bezecht nach Haus komme, erschrecklich rumore, und alles zu unterst und oberst kehre. Diese kluge Mann hörte ihre Klagen gedultiglich an; gedenckte aber gleich dabey (wie es dann in der Sach selbsten auch also ware) daß der tolle und wohl-bezechte Ehe-Mann vielleicht durch die Geschwätzigkeit seines Weibs noch toller und rasender wurde. Er versprache ihr demnach nicht allein ein gutes Mittel, sondern gabe ihr solches in die Hand mit diesen Worten: sehet da! mein [603] gute Freundin! nehmet dieses Fläschlein mit Wasser mit euch, und wann euer Ehe-Mann wohl bezecht wird nach Haus kommen, so nehmet ohne Versaumnus ein Maul voll von diesem Saft (es war aber nichts anders, als ein gemeines Bronnen-Wasser) haltet selbiges so lang in dem Mund, bis ihr euch werdet in die Ruhe gelegt haben. Da werdet ihr erfahren, was dieser Saft für ein treffliche Kraft habe, und wie euer sonst stürmischer Ehemann so wenig mehr rumoren werde. Das Weib gehorchte diesem guten Rath, brauchte das Mittel, wie ihr gesagt worden, und verspürte davon die Würckung, die sie ihr nicht eingebildet hatte. Sie stellte sich demnach bey ihrem Rathgeber ein, und begehrte inständig zu wissen, was doch dieses für ein Saft seye, und wie hoch dessen Werth komme. Jener antwortet, O mein gute Freundin, man kan diesen Saft aus dem nächsten Bronnen schöpfen: Dann was ihr dem Wasser zugeeignet, das ist euerem Stillschweigen zuzuschreiben. Cit. Weber in arte bene discurrendi, ut paulo ante insinuatum.


Wer bey sich verspühret, das er ein geschwätzige, und zänckische Zungen habe, der verschaffe ihm dieses Wasser, und halte es fleissig in einem zugeschlossenen Mund, so wird er davon die erwünschte Würckung erfahren. Dessen erinnert uns der weise Salomon Prov. c. 17. Wer das Wasser lasset auslauffen, der ist ein Anfang des Haders. Mit welchem übereinstimmt der Heil. Vatter Gregorius, wann er sagt: Das Wasser lasset man aus dem Mund, wann der Zungen-Fluß sich ergiesset. l. 5. Moral. c. 11.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 603-604.
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