Fünfte Scene.

[310] JOHANNA allein.

O Glaube der Unsterblichkeit,

Was wär ich ohne dich! In welchem Abgrund

Von Jammer würde sich die hoffnungslose Seele

Verzweifelnd wälzen – trennte das Verhängniss

Die Liebenden auf ewig, würd ich dich,

Mein Guilford, niemahls, niemahls wieder finden!

– O Tod! dann wärest du das schrecklichste

Von allen Übeln! Aber nein! die Seele

Lebt unvergänglich! Das Verhängniss trennt[310]

Die Frommen nicht auf ewig! – Ja, Geliebter,

Wir finden uns in einem Leben wieder,

Wo keine Noth uns mehr erreichen kann!

Wo nur der Überschwang der grenzenlosen Wonne

Das Herz in Dank und Freudenthränen schmelzt.

Auf! Triumfiere, meine Seele! – Schau!

Der Himmel thut sich auf! – O welch ein Licht! –

Welch liebliches, entzückendes Gewimmel

Von seel'gen Geistern! – Welche Harmonie

Entzückt mein Ohr! – Wo bin ich? – Schon

Vom Leib entkleidet? Schon –

Was für ein Augenblick war das! – Ich sah

Und hörte schon, was in der Menschen Sprache

Unnennbar ist! –


Quelle:
Christoph Martin Wieland: Sämmtliche Werke. Supplemente Band 4, Leipzig 1798, S. 310-311.
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