[3] Das Zimmer der Alceste.
ALCESTE allein.
Er ist gekommen
Der Bote, der die Antwort mir des Gottes
Von Delphi bringt. Ich wagt' es nicht
Ihn anzuhören, ach! – ich wagt' es nicht
Die Augen zu ihm aufzuheben.
An seinen Lippen hängt
Dein Schicksal, mein Admet, – das Schicksal deiner Gattin![3]
O! gute Götter, habt ihr jemals
Der frommen Liebe Flehn euch rühren lassen,
So hört mich, Götter! rettet, rettet ihn;
Wo nicht, so lasset mich mit ihm erblassen!
Zwischen Angst und zwischen Hoffen
Schwankt mein Leben, wie im Rachen
Der empörten Fluth ein Nachen
Aengstlich zwischen Klippen treibt.
Der Donner rollt, die Winde brausen,
Die aufgewühlten Wogen kochen;
Rings um mich her ist Nacht und Grausen!
Dies Herz, ein Herz das nichts verbrochen,
Ist alles was mir übrig bleibt!
[4]
Zwischen Angst und zwischen Hoffen
Schwankt mein Leben, wie im Rachen
Der empörten Fluth ein Nachen
Aengstlich zwischen Klippen treibt.
Alceste. Parthenia.
ALCESTE.
Parthenia! – wag ichs – Ah!
Wie blaß ist ihre Wange!
Sie bebt! – o Schwester, laß mich nicht
In dieser Ungewißheit! Hat der Gott
Mein Urtheil ausgesprochen? Rede, rede!
Bringst du mir Leben oder Tod?
PARTHENIA mit weggewandtem Gesicht und erstickter Stimme.
Ach Schwester!
ALCESTE.
Was sagst du? Muß er sterben?[5]
PARTHENIA.
Unerbittlich,
Ach! unerbittlich sind die furchtbarn Töchter
Des Erebus! Schon strecket Atropos
Die schwarze Hand – Bald wird der Faden feines Lebens
Durchschnitten seyn –
ALCESTE indem sie kraftlos auf einen Lehnstuhl sinkt.
Ihr Götter!
PARTHENIA.
Fasse dich, Geliebte!
Noch läßt Apoll
Uns einen Stral von Hoffnung schimmern,
Noch lebt er, dein Admet, und soll
Bis an das fernste Ziel der Menschheit leben,
Wenn jemand sich entschließt
Für ihn sich hinzugeben.[6]
ALCESTE.
Parthenia, sprichst du wahr?
PARTHENIA.
Apollo sprichts aus meinem Munde.
ALCESTE.
Und zweifelst du, ob jemand ist
Der sich entschließe für Admet zu sterben?
PARTHENIA.
O Schwester, welch ein Mittel ihn zu retten!
Wer wird die Liebe, wer die Großmuth bis
Zu diesem Grad der Höhe treiben?
Sein Vater selbst, der abgelebte Greis,
Der lebendtod ein freudeleeres Daseyn
Vielleicht noch wenig Tage schleppen wird,
Sein Vater selbst
Kann zu der edeln That sich nicht entschliessen.[7]
Wir flehten ihm, wir faßten seine Knie;
Wie baten wir! Umsonst! Gefühllos, taub,
Taub wie ein Marmor blieb er unserm Flehen.
ALCESTE.
Das Alter hat in seiner kalten Brust
Die Quelle der Empfindung aufgetrocknet.
Doch, klage nicht, Parthenia! – Mein Admet
Wird leben! lebt in diesem Augenblicke
Schon wieder auf! – Es ist gefunden
Das Opfer, das für ihn der Parzen Zorn versöhnt.
PARTHENIA.
Was sagst du, Schwester? O erschrecke nicht
Mein ahnend Herz durch diese grauenvolle
Gelassenheit! – Ich zittre – Ach! Alceste,
Welch ein Entschluß –[8]
ALCESTE.
Er ist gefaßt!
Ihr Götter der Hölle,
Ihr furchtbaren Schatten,
O! schonet den Gatten!
Hier bin ich, und stelle
Zum Opfer mich dar.
Euch weyh ich mein Leben! –
Sie habens vernommen!
Sie kommen, sie kommen!
Ich höre das Schweben
Der schwarzen Gefieder.
Sie steigen hernieder!
Sie holen das Opfer
Zum Todesaltar!
Ihr Götter der Hölle,
Ihr furchtbaren Schatten!
O! schonet den Gatten![9]
Hier bin ich und stelle
Zum Opfer mich dar!
PARTHENIA.
O! Götter, höret nicht
Was in der Angst der zärtlichen Verzweiflung
Ein Liebekrankes Herz euch angelobt! –
Komm, liebste Schwester, komm in meine Arme!
Komm zu dir selbst zurück! – Besinne dich,
Alceste! – Sieh mich an, die dich so zärtlich
Von unsrer Kindheit an geliebt, mich die du wieder
So zärtlich liebtest, – kannst du den Gedanken,
Mich zu verlassen, nur erträglich finden?
Verlassen willst du Freunde, Vaterland
Und Kinder, alles was den Sterblichen[10]
Das Theurste ist, verlassen? – dieses goldne Licht
Der Sonne mit der ewgen Nacht
Des Tartarus vertauschen? – Jeder Freude
Des Lebens, jedem schönen Blick
In wonnevolle Tage die dir winken
Entsagen? – Schrecklich! Nein, du sollst es nicht!
O ruf's zurück, Unsinnige, das rasche
Entsetzliche Gelübd –
ALCESTE.
Es ist unwiderruflich!
Vergebens marterst du mein leidend Herz:
Laß ab, Parthenia! Nur zu sehr empfind' ich
Der Trennung Quaal. – O! meine Kinder! –
O mein Gemahl! – O! meine Schwester! – Bald,[11]
Bald werden diese halberloschnen Augen
Nicht mehr voll Liebe sich
An eurem Anblick weiden!
Die Parze ruht! Wir müssen – Ach!
Wir müssen scheiden!
PARTHENIA.
Uns scheiden? O! verhütet es
Gerechte Götter! Nein, Alceste, Nein!
Noch ist es Zeit. Die Götter haben Mitleid
Mit unsrer Schwachheit; hören nicht
Gelübde, von Verzweiflung
Der Liebe ausgepreßt. – Es ist –
ALCESTE.
Es ist geschehn! Sie haben mich erhört,
Der Tod erwartet gierig seine Beute.
Schon fühl' ich seine Hand – Wie kalt sie ist![12]
Ein banges Schaudern läuft durch meine Adern.
Parthenia, lege deine Hand auf diesen Arm
Und fühle –
PARTHENIA.
Götter!
ALCESTE.
Ja, ich sterbe,
Und mich gereuet mein Gelübde nicht.
Du lebst, Admet! – Wie leicht, wie süß ists der
Die nur für dich gelebt, für dich zu sterben!
PARTHENIA.
Nein, Nein! Bey allen Mächten des Olympus!
Du sollst nicht sterben, wenn im ganzen Umfang[13]
Der allbelebenden Natur
Ein Mittel übrig ist. – Ich eile! – Gute Götter,
O helft, o rettet sie!
ALCESTE allein.
Wohin, wohin, Parthenia? Höre mich! –
Sie ist entflohn! – Unglückliche,
Dein Eifer ist umsonst!
Kein Mittel, keine Wunderkraft der Kunst,
Kann einen Tag zu meinem Leben setzen.
Ich bin den Todesgöttern heilig,
Ich sterbe! – Dieses bange, langsam durch
Mein Innerstes hinkriechende
Noch nie gefühlte Schaudern,
Es ist der Tod! –
Sie sinkt in einen Lehnstuhl.
Parthenia! – Admet! – Wo seyd ihr?[14]
O du, mein zweytes beßres Ich,
Wo bist du? Kannst du, kannst du mich
In diesem letzten Kampf verlassen?
Ich sterb', ein Opfer meiner Pflicht,
Du lebst, Admet, und eilest nicht
Alcestens Seele aufzufassen?
Ende des ersten Aufzugs.
[15]
Ausgewählte Ausgaben von
Alceste
|
Buchempfehlung
Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.
54 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro