II

[105] Anfangs Juni 1871 zog ich zum zweitenmal nach Wien; diesmal kam ich von München her und fuhr der großen Stadt durch den Wienerwald entgegen, an all diesen reizenden, zwischen Waldbergen gebetteten Sommerfrischen vorbei, in denen damals noch mehr als jetzt der wohlhabende Wiener fast die Hälfte seines Jahres verbrachte. Ich kam als noch junger Theaterdichter, um das Burgtheater endlich kennen zu lernen und darin die erste Aufführung meines Lustspiels »Die Vermählten« zu erleben. Juni! Eine mörderisch späte Zeit für ein neues Stück. Das focht mich nicht an; ich nahm's, wie es kam, ich war der jugendliche Reiter, der noch nicht im Graben lag. Das Burgtheater und sein Publikum hatten mich freundlich aufgenommen, meine kleinen Lustspiele »Unerreichbar« und »Jugendliebe« mit kleinen Siegeskränzen geschmückt; warum nicht auch die größeren »Vermählten«? dacht' ich.

Der blinde Mut behielt diesmal recht. Die »Vermählten« überwanden den Juni; nach der Aufführung[105] hatte ich die erste schlaflose Glücksnacht des Dramatikers. Es war aber nicht nur der Sieg des Stücks; so ein seelenloser Anbeter des Erfolgs war ich denn doch nicht. In mir jauchzte auch die Freude über dieses Paradies der Kunst, das Burgtheater, in dem ich gefunden hatte, was ich schon so lange suchte: die echte Blüte des deutschen Schauspiels, die Weihe der festen Überlieferung, den Atem der Geschichte. Hier schien sich Gewordenes dauernd fortzusetzen, gleichsam von Geschlecht zu Geschlecht. Schöne, starke Talente hatte ich auch anderswo, zumal in Berlin und München gesehn; in München auch den besten Willen eines trefflichen Intendanten, eines hochbegabten Regisseurs. Aber es war nicht »Wallensteins Lager«, es war nicht die große, fortbildende Schöpfung, bleibendes Ergebnis.

Und so verließ ich denn im Herbst mein geliebtes München, meine teuersten Freunde, um – als Mensch und als Dichter mächtig angezogen – in der Stadt und in der Luft des Burgtheaters zu leben.

Es war eine Werdezeit, die einen fröhlich Werdenden wohl ergreifen und festhalten konnte; ich glaube, ein schöneres Jahrzehnt als die Siebzigerjahre hat Wien kaum gesehn. Ein Frühling, der Unendliches versprach, war ins Land gekommen: aus der Katastrophe von 1866 war eine große Befreiung und Erhebung hervorgewachsen, ein sich verjüngendes Österreich neben einem neu erstandenen Ungarn; die Luft war voll Hoffnungen, alles schien noch möglich. Die Hauptstadt Wien schritt voran; die Stadterweiterung gab ihr eben ein neues Gesicht, neue Reize, alle künstlerischen Kräfte reckten sich, das Geld »lag auf der Straße«. Nach London und[106] Paris bekam 1873 auch Wien seine Weltausstellung; ein teures Vergnügen, aber doch eine Tat, die auf neue Taten wies. Fortschritt überall! und die Luft am Schaffen. Neue große Talente erschienen fast in allen Künsten, aus dem Heimatsboden oder von draußen her; zu Bauernfeld, Ferdinand von Saar und Marie von Ebner-Eschenbach trat Anzengruber hinzu, Makart kam von München und blieb, Lenbach kam auf Jahre und immer wieder, Semper ward berufen, Brahms wuchs sich fest, Johann Strauß, der große Walzerzauberer, ward nun auch der Operettenmeister. In der Theaterwelt begann das rastlos schöpferische Ringen des Laubeschen Stadttheaters mit dem Burgtheater; die Geistinger herrschte und blühte im Theater an der Wien, die Gallmeyer bald hier, bald dort, Girardi stieg empor. Die Oper wetteiferte mit der kaiserlichen Schwesterbühne; laßt mich hier nur die Wilt, die Materna nennen. Wie vieles wäre noch zu nennen, das in diesen Siebzigerjahren das Wiener Kunstleben schmückte.

Unter den Dichtern sollte ich den größten, den scheidenden Stern noch über dem Horizont schweben sehn: Grillparzer, der Anfang 1872 verschied. Ich besuchte ihn, der Dichter Joseph Weilen hatte es vermittelt und führte mich zu ihm. Der achtzigjährige Mann hörte so schwer, daß an eine richtige Unterhaltung nicht zu denken war; es war nur die schmerzliche, andächtige Freude, den Dichter von »Des Meeres und der Liebe Wellen« – für mich seine edelste und staunenswerteste Schöpfung – noch einmal mit dem leiblichen Auge zu schauen, eh er uns verließ. Er stand[107] in seinem schlichten Zimmer am Stehpult und blieb so; eine traurig greisenhaft gebückte Gestalt, in dem bleichen, vergeistigten Gesicht lebenssatte Augen, die wohl fast so monologisch blickten, wie sein Geist zu uns sprach. Er sprach allein; ich glaube, ich hab' nicht viel mehr als den Gruß beim Kommen und beim Scheiden gesagt. Da einer aus dem Deutschen Reich vor ihm stand, das sich in ebendiesem Jahr 1871 vollendet hatte, redete er von den Deutschen da draußen und den Österreichern; er ganz Österreicher, in dem die gerechte Bitterkeit eines langen Daseins gegen die ihm so fremd gebliebenen »deutschen Brüder« lebte. Von unseren Sünden gegen ihn sprach er nicht, wie sollte er auch; aber daß unser vaterländischer Aufschwung, unsre junge Größe sein Herz nicht ergriffen hatte, das erklang aus jedem Wort. Er pries mit seiner milden Stimme, seiner schlicht klugen Rede die Vorzüge der Süddeutschen und der Österreicher; gegen die Gegenwart, die ihn nicht freute, pries er die Vergangenheit, in der er gelebt hatte; »laudator temporis acti«, wie er sich mit anmutig lächelnder Selbstverspottung nannte. Es war aber doch, als stehe da einer, der nicht mehr mit und bei uns war, der seine stille Gruft verlassen hatte, um uns nur zu sagen, daß wieder untertauchen das Beste sei.

Mich ergriff sein Anblick sehr, wenn er mir auch das Herz bedrückte; ich wußte, wie viel er gelitten und wie Großes der nun so müde Geist in diesem zart zähen Leib geschaffen hatte. Meiner lebenbejahenden Jugend stand er fast gespenstisch fremd gegenüber, dieser blasse, Schwermut aushauchende Rest eines hochauffliegenden, dann wund und vergrämt durch endlose Jahre[108] schleichenden Daseins; das uns doch mit goldenen Früchten beschüttet hatte, die wir Nordischen ihm nicht dankten, weil wir sie nicht kannten. Denn wer kannte sie? Wer hat der deutschen Jugend gesagt: dort an der deutschen Donau lebt einer, der zu den Größten gehört, die in unsrer Sprache schrieben; lest ihn, lernt ihn lieben!? Er blieb der herablassend (von unten hinauf) Bekrittelte, blieb der Unbekannte. Und so wanderte er einsam durch sein vom »Neid der Götter« geschlagenes, vielgekränktes Leben; zuletzt noch verspäteter Ehren bitter wehmütig froh; kann man sagen: froh? Wie er so am Stehpult stand, schien er nur zu meinen: ihr, auf die noch so viele Enttäuschungen warten, lebt wohl, mich kann nichts mehr täuschen!

Sieben, acht Monate später gingen wir dann hinter seinem Leichenwagen, bei seinem feierlichen, eines großen Toten würdigen, tragisch spät verklärenden und versöhnenden Begräbnis.

Wie viel besser war es dir ergangen, du so viel geringerer, aber gesünderer, stärkerer, so ganz fürs Leben geschaffener Eduard Bauernfeld! Wie viel glücklicher flossen deine Tage hin bis zu deinem noch so viel späteren letzten! – In demselben Juni 1871 lernte ich auch Bauernfeld kennen; er war fast schon Siebziger, aber frisch wie eine Forelle, beweglich und geschmeidig wie Quecksilber; und wenn er »raunzte« – der berühmte Raunzer – so konnte man sich beruhigend sagen: das erhält ihn jung! Er ist auch eigentlich jung geblieben, so lang ich ihn kannte; wenigstens die Form, die Prägung gleichsam seines Sichauslebens änderte sich nicht. Ich erinnere mich, wie ich ihn einmal in einem[109] seiner späten Jahre – etwa fünfundachtzig alt – vom Josephsplatz kommen und zum Michaelerplatz wandern sah; durch den engen Torweg huschte er wie ein Wiesel, er, ein halbblinder Mann, nur soeben noch an den Wagen vorbei, die von vorn oder von hinten heranfuhren. Als er die Theaterstücke, die sein Gehirn in ewigem Johannistrieb immer noch hervorbrachte, nicht mehr niederschreiben und lesen konnte, diktierte er sie und lernte sie auswendig; auswendig hat er so ein allerletztes in der Villa Wertheimstein in Döbling vorgetragen. Er starb nicht ab wie Grillparzer, er ist nur gestorben.

Als ich mit ihm bekannt ward, war er noch mehr als alle der Dichter seines Burgtheaters; mit den Schauspielen »Aus der Gesellschaft«, »Moderne Jugend«, »Landfrieden« hatte er sich eine neue Blüte und dem Theater dauerhafte Erfolge geschaffen. Auguste Baudius, später meine Frau, hatte an all diesen Erfolgen teil, war so recht seine Schauspielerin; er dankte es ihr auch in seiner väterlich ritterlichen Weise. Er lebte mit alt und jung frisch gesellig fort, schlug sich mit allem herum, was die Zeit bewegte. Nur blieben diese Bühnenerfolge seine letzte Blüte; Werke von gleicher Lebenskraft glückten ihm nicht mehr. So manches, was in seinem heiteren Kopf noch summte, verging im Stadttheater als Eintagsfliegen; bei größeren Anläufen, die er dann noch nahm – so sein »Alkibiades« – sprang er zu kurz. Ich habe in den Achtzigerjahren als Direktor des Burgtheaters einige dieser Spätlinge aufgeführt, die mit jugendlichem Ungestüm nach den Brettern verlangten, aber sie dauerten nicht.[110]

Ein anderer war mittlerweile gekommen, auch ein Wiener Kind, Ludwig Anzengruber, der soeben mit seinem »Pfarrer von Kirchfeld« einen gewaltigen Erfolg errungen hatte und nun die Siebzigerjahre mit seinem mächtig aufstrebenden, reichen Schaffen füllte. Ich hab es staunend miterlebt; staunend über seine großen Gaben und über das wunderliche, ganz besondere Martyrium, das er in seiner eigenen Vaterstadt erlitt. Er brachte glänzende Werke, die in vortrefflichen Aufführungen fast alle einschlugen oder doch Ehre gewannen, seinen Ruhm vermehrten; sie hielten sich so und so viele Abende, machten gute und minder gute Häuser; dann verschwanden sie, fast wie nie gewesen, und der Dichter, der scheinbar mit Siebenmeilenstiefeln ausgeschritten war, stand noch auf demselben Fleck. Ende 1871 erschien im Theater an der Wien sein kraftstrotzender »Meineidbauer«, im Oktober 1872 »Die Kreuzelschreiber« ebendaselbst (eine entzückende Vorstellung dieses Meisterstücks; ich sah sie mit Ernst und Helene Hartmann als Gast in ihrer Loge); im April 1873 spielten die Burgschauspieler seine »Elfriede«, die immerhin versprach, was sie noch nicht hielt; im September 1874 glänzte wieder das Theater an der Wien mit dem »G'wissenswurm«, den sie so meisterlich aufführten, wie er es verdiente. Werke, wie wir noch keine hatten, neue, einzige; durch und durch österreichische Werke eines Österreichers, eines Wieners, in Wien von wienerischen Talenten musterhaft und mit Glück gespielt. Hätte man den Mann auf Händen getragen, mich hätt's nicht gewundert! – Sie ließen ihn aus den Händen fallen: so sah's aus. Als wäre er einer von den Alltagsdichtern, die man[111] zu Dutzenden hat. Das Stadttheater nahm ein volkstümliches Trauerspiel »Hand und Herz« von ihm; am Silvesterabend 1874 ward es aufgeführt, als hätte man den festen Plan gehabt, es hinzurichten. Man schlug Anzengrubers Schaffensfreudigkeit wie mit Keulen tot. Wie ist das zugegangen, wie ist das gekommen? Ich hab's nie ganz begriffen; ich begreif' es auch heute nicht.

Vielleicht erklärt es sich zum Teil aus Anzengrubers Persönlichkeit: wenn auch Wiener Blut, war er doch wohl fremdes Blut, ihm fehlte die Leichtigkeit, die Sonnigkeit, die den Wiener so gemütlich liebenswürdig macht. Ein Charakterkopf von Natur, durch eine harte Werdejugend und bittere Enttäuschungen wohl noch mehr gehärtet, ging er gleichsam mit steifem Rückgrat herum, stiernackig, wetterfest, auf sich selbst gestellt. So fand ich ihn gleich das erste Mal, als ich einen tieferen Blick in sein Inneres tun konnte; bis dahin hatt' ich ihn nur in dem Laden seines und meines Verlegers Leopold Rosner gesehn. Jetzt saßen der, Joseph Lewinsky und ich mit Anzengruber im »Hotel Müller« am Graben zusammen (es war im September 1874); wir waren alle drei warme Bewunderer seiner mächtigen Begabung, wir hatten sein noch nicht aufgeführtes Trauerspiel »Hand und Herz« gelesen und wünschten einmütig, ihn zu Änderungen dieses nicht ganz geglückten Werkes zu bewegen. Rosner hatte die Zusammenkunft gemacht, Lewinsky und ich waren dem Dichter noch recht fremde Leute; unsere allerbeste Meinung freilich konnt' er nicht verkennen. Im lustigen Hof, bei Dreherschem Bier, redeten wir auf ihn ein bis Mitternacht. Ich sehe ihn[112] noch, wie er mir gegenübersaß: auf den festen Schultern, dem kurzen Hals der gleichsam aus Erz gegossene Adlerkopf. Er hörte alles freundlich oder doch nicht unwillig an, aber als rührte sich nichts in ihm. Seine Züge sagten: Was ich gemacht habe, das hab' ich gemacht! Und zuletzt sagten auch seine Worte: So wie's ist, so bleibt's!

Es ist auch so geblieben. Nicht aus Eigensinn: das wäre für einen Anzengruber ein zu kleines Wort. Ich glaube, es war ein so festgefügter Organismus, der – umgekehrt wie Bauernfeld, welcher unaufhörlich ändern, umgestalten konnte – das einmal Gefundene und Geformte gleichsam naturnotwendig festhielt, »als wär's ein Stück von ihm«. Freilich, seinen Roman »Der Schandfleck« hat er umgedichtet, als eine ungewöhnliche und in großen Nöten hilfreiche Aufforderung an ihn herangetreten war; dort kehrte er aber zu eigenen früheren Gedanken zurück und trennte unglücklich, sozusagen unorganisch Verbundenes zu zwei Gestaltungen, die nun beide lebten.

Ich hab' ihn nicht oft gesehn, nicht viel mit ihm geteilt; während mich mit Bauernfeld, dann mit Ferdinand von Saar die Villa Wertheimstein und andere Häuser oft zusammenführten, blieben Anzengrubers und meine Wege getrennt, wie es nun so geht. Seine Bühnenwerke zu sehn, seine Erzählungen zu lesen war mir selbstverständlich, da ging ich all seine Wege mit, jeden neuen Schritt, den er tat, mit neuer, herzlicher Bewunderung begrüßend. In seiner Komödie »Doppelselbstmord« (1876) erschien auch Girardi; in der »Trutzigen« (1878) Josephine Gallmeyer, die in die[113] Hauptrolle all ihr Temperament und Können warf, ganz vortrefflich spielte; in den ersten Siebzigerjahren hatte die Geistinger für ihn das Gleiche getan. Drei Tage nach der »Trutzigen« saß ich mit Rosner, Schöne, Thimig am Abend im Wirtshaus (bei Breying, glaub' ich); da erschien auch Anzengruber mit dem Gesicht eines Freudenboten; er meldete: wir haben den Schillerpreis! Das Schicksal hatte es wunderlich gewebt: drei in Wien lebende Dichter auf einmal erhielten den Berliner Schillerpreis, der zweimal liegen geblieben war: Anzengruber, Nissel und ich. Am 7. Dezember feierte uns dann der Journalisten- und Schriftstellerverein »Konkordia« mit einer Festkneipe im »Grand Hotel«; es war wohl auch ein Fall, der nicht wiederkommt. In dieser Nacht war ich mit Anzengruber am längsten zusammen: erst Morgens um fünf Uhr verließen wir das Kaffeehaus (»Rebhuhn«, damals Sternfeld), in das er und ich mit Ferdinand von Saar, dem Professor Joseph Bayer, den Schauspielern Swoboda und Kadelburg und andern noch aus dem »Grand Hotel« übersiedelt waren, um doch nicht gar zu früh auseinanderzugehn.

An Anzengruber überraschte mich hier ein Zug, den ich noch nicht kannte: er tyrannisierte »seinen« Schauspieler Swoboda mit vollkommener Despotenlaune und mit einem Herrschtalent, dem die sich völlig unterwerfende Hingebung Swobodas entsprach. Ob auch sonst dieses Talent in Anzengrubers Leben eine Rolle spielte, davon weiß ich nichts; nach dieser Probe glaub' ich's wohl, und in Gestalt und Gesicht hatte der Finger der Natur dahin deutende Zeichen hineingedrückt.[114]

Als ich später Direktor des Burgtheaters ward, ging mir wohl oft der Wunsch durch den Kopf, auf meiner Bühne auch Anzengruber zu spielen; es blieb aber einer von den »frommen« Wünschen, mir fehlte immer diese oder jene Kraft. An der Liebe und Luft hätt' es nicht gefehlt. Freilich, wie viele seiner Werke waren aus dem Wiener Hoftheater einfach ausgeschlossen; vor allen wohl die »Kreuzelschreiber«, die ich wohl am liebsten gespielt hätte, die ich für Anzengrubers allereigenste, unvergleichlichste, genialste Schöpfung halte.

Ein Leben voll Glück und Gunst hat er nicht geführt. Große, begeisterte Anerkennung von vielen der Berufensten ward ihm wohl zu teil; er hat aber doch erst sterben müssen, eh seine Stadt- und Landgenossen, eh sein deutsches Volk ihn recht eigentlich ins Herz geschlossen, eh die ganz verstehende Liebe begriffen hat, wie hoch er am Himmel steht. Ein Märtyrer doch auch er! Man kann's nicht verhehlen. Wir sind alle Sünder, zumal wir Deutschen; auf dem Friedhof unserer Großen stehen viele Leichensteine, unter denen Verkannte oder spät Erkannte, sogar Halbverkümmerte ruhen. Keiner von den deutschen Stämmen kann den andern richten; aber man soll sagen, was wahr ist: die beiden größten Dichter, die in Wien zur Welt kamen und in Wien lebten und schufen, Grillparzer und Anzengruber, haben es nicht gar gut gehabt. Der du einst als dritter kommst, mögest du es besser haben! Mögen die Wiener und du ein Herz und eine Seele werden, eh sie dich begraben![115]

Quelle:
Wilbrandt, Adolf: Erinnerungen. Stuttgart, Berlin 21905, S. 105-116.
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