Sechster Auftritt

[305] KARL kommt von links.

Vergebens such' ich sie in ihren Zimmern –

Wo ging sie hin? Ah – was ist das?

HAMATELLIWA eilt auf ihn zu, fallt ihm zu Füßen, umfaßt seine Knie.

Erhöre!

Dein Äußeres rundet einen Hohen mir.

Du bist noch jung – dein Antlitz ward noch nicht

Durchätzt von dieses Lebens Bitternissen,

Laß deine Seele deinem Antlitz gleichen,

Du wirst noch Unglück sehn auf dieser Erde,

Nie schwereres als dies, das vor dir liegt!

SATILATLAS.

Sohn Ludwigs, höre dieses Weib nicht an.

KARL.

Was willst du, Maurin?

SATILATLAS.

Hör' sie nicht zu Ende,

Denn eine Bitte wird sie an dich tun,

So unnatürlich, daß das Herz des Sohnes

Sich schaudernd schließen wird –

KARL.

So sprich, was willst du?

HAMATELLIWA.

Dort – diese Männer –[305]

SATILATLAS.

Diese Männer, wisse,

Ihr Vater schickt sie, dessen stolzes Haupt

Der graue Reif des Alters überfiel

Als schmählich ihn sein Kind verließ.

HAMATELLIWA.

Mein Vater!

Zerbrach mein Herz nicht, als ich dich verließ!

Und blieb die eine Hälfte nicht bei dir?

KARL.

Ist's wahr, was diese Männer sagen?

HAMATELLIWA.

Wahr!

Wahr, daß ich treulos floh von meinem Vater

Und daß mir graust vor seinem heil'gen Haupt!

Wahr, daß ich bei den Feinden meines Volkes

Schutz suche vor den Männern meines Volks.

Wahr jeder Vorwurf grauser Unnatur,

Der mich getroffen – aber eins noch ist,

Was sie nicht sagten – Sohn des Christenkaisers –

Wende dein Ohr noch nicht von der Verlornen,

Ruf Bernhard her, den Grafen Barcelonas.

KARL.

Bernhard, den Herzog? Was hast du mit ihm?

HAMATELLIWA.

Zu fragen hab' ich ihn, ob über Christen

Der Gott nicht ist, der über Mauren thront!

ABDALLAH.

Hier kommt der Mann, nach dem du suchtest.


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 7, Berlin 1911–1918, S. 305-306.
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