Fünfter Auftritt

[214] Dietrich von Quitzow tritt plötzlich, nachdem er eine Zeitlang in der offenen Mitteltür gestanden, durch die Versammelten hindurch in den Vordergrund.


DIETRICH. Wenn es so ist, Herzog, warum treibt Ihr dann Possen?

OTTO fährt zurück. Possen? Ich – Possen?

DIETRICH. Es war doch nicht Euer Ernst, was Ihr da spracht?

OTTO. Was sonst?

DIETRICH. Prahlhanserei!

OTTO. Was erlaubt Ihr Euch?!

DIETRICH. Zunächst mich zu setzen. Zieht einen Stuhl herbei, setzt sich, indem er sich leicht gegen Kasimir verneigt, legt das Schwert aus den Tisch.

OTTO. Ihr vergeßt, Herr von Quitzow, daß Ihr mit Fürsten sprecht.

DIETRICH. Nein Herr, Ihr erinnert mich mit jedem Wort daran.

OTTO. Ich sehe nicht, daß ein anderer von unseren Herren sitzt.

DIETRICH. Hütet Eure Junge! Eure Herren essen Euer Brot – ich gehöre zu Euren Herren nicht!

OTTO. Ah seht doch, hört doch, wo liegt denn Euer Fürstentum?

DIETRICH springt auf, hält ihm die geballte Faust entgegen. Hier![215]

BARBARA fährt auf. Ah! Mannesgewalt und Herrlichkeit!


Gemurr unter den Anwesenden.


OTTO. Sollen wir das ertragen?!

KASIMIR hält sich den Kopf. Nicht solchen Lärm – ich bitte – mir zerspringt der Kopf! Herr von Quitzow, Ihr seid hitzig und wenig rücksichtsvoll für Eure Bundesgenossen.

DIETRICH. Nur so lang, als Ihr vergeßt, daß ich Euer Bundesgenosse bin und nicht Euer Diener.

KASIMIR. Der Bote, den wir zu Euch gesandt, hat sich beschwert, daß Ihr ihn geschlagen hättet.

DIETRICH. Und wenn er das nächste Mal in solchem Tone zu mir spricht, so schlage ich ihn tot.

OTTO. Immer besser! Aber wir sind es ja gewöhnt: bei der Erstürmung von Straußberg habt Ihr mehr als einen von unseren Leuten erschlagen.

DIETRICH. Woher wißt denn Ihr das? Euch hab' ich nirgends gesehn, als es zum Sturm ging.

KASIMIR. Es war nicht unser Wille, daß Brandpfeile in die Stadt geworfen wurden.

DIETRICH. Nein, es war der meine.

OTTO. Aber auf uns fällt die Verantwortung.[216]

DIETRICH. Ich will die Verantwortung auf mich nehmen, wenn Ihr – nun, denkt Euch das Ende.

OTTO. Wenn wir – was?

DIETRICH. Wenn Ihr zu feige dazu seid!

OTTO, PRIESEN, SCHWERIN. Ha!!

DIETRICH. Nichts Feigeres kenne ich, als Krieg zu beginnen und dann vor dem Kriege zu erschrecken! Nichts Verächtlicheres als Halbheit! War's Euer Wille, Herzog Kasimir, Straußberg zu erobern?

KASIMIR. Ihr wißt es so gut wie ich.

DIETRICH. Euer Wille, Straußberg bald zu haben?

KASIMIR. Nun freilich.

DIETRICH. Was also klagt Ihr? In zwei Tagen habt Ihr's erlangt.

KASIMIR. Es wäre auch wohl ohne Brand gegangen.

DIETRICH. Nein! Denn das Heer der märkischen Städte wäre uns über den Hals gekommen.

OTTO. Die märkischen Städte – hahaha!

DIETRICH. Warum lacht Ihr?

OTTO. Wo ist das Heer der märkischen Städte?[217]

DIETRICH. Auf Eueren Fersen!

OTTO. Im Mauseloch!

DIETRICH. Geht nach Stettin zurück und lernt das ABC der Kriegskunst, wenn Ihr die Ehre haben wollt, mit Dietrich Quitzow zu Felde zu ziehen, prahlerischer Knabe!

OTTO. Knabe?! Prahlerischer –?!

DIETRICH. Ja! prahlerischer, unreifer Knabe! Der mit dem Kriege spielt, wie ein Kind mit dem Messer! Der den Feind verachtet, weil zwischen seiner fürstlichen Haut und dem Feinde die Leiber so und soviel treuer Männer stehen, die sich für ihn opfern!

OTTO. Wagt Ihr mir zu sagen, daß ich – daß ich feige sei?

DIETRICH. Wo waret Ihr, als der Sturm auf Straußberg begann?

KASIMIR richtet sich auf. Herr – Herr von Quitzow – man spricht nicht so zu einem pommerschen Herzog.

DIETRICH. Wenn Ihr einen Höfling suchtet, mußtet Ihr Euch nicht an mich wenden!

KASIMIR. Das ist zu stark – in der Tat – das –

OTTO. Bruder Kasimir, sollen wir noch länger Gemeinschaft halten mit diesem – dreisten Mann? Diesem –

DIETRICH. Glaubt Ihr, ich sei der Mann, der sich Freundschaft geben und nehmen läßt? Pommern- Stettin – ich sage dir ab!


Bewegung.
[218]

OTTO. Er sagt uns ab! Hahaha! Er sagt uns ab! Was seid Ihr denn, Herr Habenichts, wenn wir die Hand von Euch ziehen?

DIETRICH. Ein Mann, vor dem Ihr zittern sollt! Er geht in den Erker, reißt das Fenster auf, ruft hinaus. Dietrich Schwalbe!

STIMME von draußen. Gnädiger Herr?

DIETRICH ruft hinaus. Aufgesessen die Quitzowschen! Eingerückt in Straußberg! Schmeißt die Pommern hinaus! Brandenburg ist die Losung!

OTTO, BRIESEN, SCHWERIN reißen die Schwerter heraus. Ah! Teufel! Verräter!

BARBARA ergreift Dietrichs Schwert, das auf dem Tische liegt, springt in den Erker. Quitzow, waffne dich!!

DIETRICH wendet sich von Fenster um, reißt das Schwert an sich und aus der Scheide, in denselben Augenblick wollen die Pommern auf ihn eindringen und prallen zurück. Hier ist der Quitzow! Wen gelüstet's, ihn kennen zu lernen?

KASIMIR steht zitternd aufrecht. Barbara! Hierher!

BARBARA. Nie mehr zu Euch! Nie mehr!

QUITZOW. Hierher gehört sie, zu dem Leben, das sie gerettet!


Wirft den linken Arm um Barbara, sie schmiegt sich an ihn.


KASIMIR faßt mit beiden Händen an den Kopf. Mein Kopf – ich ersticke – Luft!

OTTO UND BRIESEN springen ihm zu Hilfe.[219]

OTTO zu Barbara. Ah! Dirne! Ehrloses Bastardblut!


Barbara führt auf.


DIETRICH. Laßt ihn schimpfen, Gräfin, heute abend wird er greinen, wenn ihm die märkischen Ruten den Rücken gegerbt haben!


Trompeten außerhalb in der Ferne.


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 9, Berlin 1911–1918, S. 214-220.
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