[225] Konrad von Quitzow stürmisch durch die Mitte.
KONRAD tritt einen Schritt auf Dietrich zu, blickt ihn mit leuchtenden Augen an.
Dietrich – mein Bruder?
DIETRICH breitet die Arme aus.
Konrad, junges Blut!
Sie umarmen sich.
KONRAD starrt ihn an.
Ja, so in Träumen hab' ich dich gesehn,
Wenn über Büchern in Propst Ortwins Zelle
Ich lernend saß und Ruhm von deinen Taten
Wie Flügelrauschen an mein Fenster schlug.
DIETRICH.
Du warst ein Kind noch, als du mich verließest,
Wir sahn uns lange nicht.
KONRAD.
Zehn lange Jahre.
Und dieser Mann, der ragend vor mir steht,
Als hätte die Natur dem Heldentum
Ein Denkmal aufgerichtet, ist mein Bruder?
Gewalt'ger Mann – Ehrfurcht und Liebe streiten
Um meine Seele.
DIETRICH wendet sich lachend ab.
Barbara, so hör',
Dein Nebenbuhler. Wie gefällt er dir?
BARBARA.
Gut, denn er sieht dir ähnlich, wie die Knospe
Der Blüte.
KONRAD sieht sie erstaunt an.
Wer ist diese Frau?
DIETRICH.
Jagellos Tochter, Barbara von Bug,
Gefährtin deines Bruders.[226]
KONRAD verneigt sich.
Seid gegrüßt.
BARBARA.
Sieh, wie er sich verbeugt – streng nach dem Buch.
Du junges Füllen – so –
Nimmt seinen Kopf in beide Hände und küßt ihn auf den Mund.
KONRAD.
Was tut Ihr, Frau?
BARBARA ihn betrachtend.
Freundschaft mit dir, du junges süßes Blut!
O, er hat Lippen, weich wie einer Jungfrau,
Und Augen mit dem finstren Blick der Keuschheit.
Du Knospe in dem Rosenhag der Quitzows,
Hast du auch Dornen?
KONRAD.
Ich versteh' Euch nicht.
DIETRICH.
Ob du auch hassen kannst, das fragt sie dich?
Du hast bisher von Liebe nur gesprochen.
KONRAD.
Und – muß ich Antwort geben, weil sie fragt?
DIETRICH.
Willst du mein Bruder sein, so muß ich wissen,
Ob du auch Mark zu Feindschaft hast und Haß.
Quitzow hat wenig Freunde auf der Welt.
KONRAD.
Er hat soviel er will. Dietrich, mein Bruder,
Ich bringe Freunde dir.
DIETRICH.
Du bringst mir Freunde?
Wer wäre das?[227]
KONRAD.
Die Männer von Berlin,
Die ungeduldig draußen deiner warten.
DIETRICH.
Ah die – ja so; Freunde seit heute früh.
KONRAD.
Nein, alt wie die Natur: Landsleute, Dietrich!
DIETRICH.
Landsleute? Barbara, man tut uns Ehre;
Hast du gehört?
BARBARA.
So laß den Knaben schwärmen.
KONRAD.
Nicht Schwärmerei – ich spreche Wirklichkeit. –
Ahnst du denn nicht, wie reich du bist, mein Bruder?
O hättest du gesehen, was ich sah –
DIETRICH.
Was sahst du? Wo?
KONRAD.
Dort drüben in Berlin,
Wie alle Augen brannten, als dein Brief
Verlesen ward! O hättest du gehört
Den Jubelschrei, mit dem von tausend Lippen
Dein Name klang –
DIETRICH.
War's so?
KONRAD.
Als wenn die Sonne
Plötzlich aufging, so war's, und Dietrich Quitzow,
Das war die Sonne des bedrängten Volkes,
Des armen, blutenden – Dietrich – mir war's,
Als trüge ich dein Herz in meinem Leibe,
Und jauchzen fühlte ich dein Herz in mir.[228]
DIETRICH sieht ihn staunend an.
Bei Gott, sind das die Lippen eines Quitzow,
Wo solche Worte wachsen?
KONRAD.
O mein Bruder,
Verschmähe nicht die Liebe jener Leute;
Sie bringen dir das Schicksal ihres Landes,
Daß du es lenkst! Zum Retter deines Landes
Und deines Volkes ruft dich ihr Vertrau'n!
Heut bist du Brandenburgs Gewaltigster;
Komm, komm, sie warten deiner; diese Stunde
Macht dich zum Helden deines Volkes! Dietrich –
O komm, tritt unter sie, faß ihre Hände,
Liebe und laß dich lieben –
DIETRICH wie oben.
Nun beim Himmel –
Das alles klingt, wie aus der andren Welt –?
Konrad, geh hin, ruf mir die Leute her.
KONRAD umarmt ihn stürmisch.
Dietrich, mein Bruder, ja, es soll geschehn!
Ab durch die Mitte. Dietrich steht ihm in Gedanken nach.
BARBARA.
Wie nun? Was ist?
DIETRICH.
Ich weiß nicht – sonderbar –
Der Junge redet wie mit Feuerzungen.
BARBARA.
Er ist ein Kind.
DIETRICH.
Wohl wahr – man möchte lachen
Und kann's doch nicht – wo hat er all das her?
BARBARA.
Aus seinen Büchern.[229]
DIETRICH.
Dann sind Bücher Wein;
Sie machen trunken.
BARBARA.
Deutsche Herzen freilich
Sind leicht berauscht. – Noch immer in Gedanken?
Geht zu ihm, legt die Hände auf seine Schultern, sieht ihm ins Gesicht, lacht laut.
Dietrich – wo weilst du?
DIETRICH.
Warum lachst du?
BARBARA.
Dietrich –
Stadthauptmann von Berlin –
DIETRICH.
Was soll das heißen?
BARBARA.
Landsleute? War's nicht so? Dietrich der Quitzow,
Zu stolz für eines Königs Schwiegersohn,
Der Freund von Krämern! Übers Jahr vielleicht
Ein Kettlein schon, wer weiß, für treue Dienste
Als Stadtsoldat?
DIETRICH.
Daß ich sie nicht erwürge
Die Polenkatze! Still!
BARBARA umschlingt ihn.
Ja, wüte, tobe!
In deine Wildheit hab' ich mich verliebt,
Nicht in den zahmen Quitzow! Ist es möglich?
Das haben die Berliner Angelfischer
Geschickt gemacht.
DIETRICH.
Was machten sie geschickt?
BARBARA.
Als sie den großen Hecht, den Quitzow, sich
Für ihre Küche fingen![230]
DIETRICH.
Ha –
BARBARA.
Und er –
O, wie er anbiß!
DIETRICH.
Eine Falle? Meinst du?
BARBARA.
Wie sie ihn lieben heut, den wackren Quitzow,
Der ihre breiten Krämerbuckel
Vor Hieben schützt und ihre Krämersäcke
Vor Feindes Griff –
DIETRICH.
Ja freilich –
BARBARA.
Aber morgen,
Wenn Frieden ist, dann aus dem Haus den Quitzow!
Den lästigen Gesellen!
DIETRICH.
Laß – es ist gut –
Ich bin zurück zu mir! Dies war bei Gott
Die sonderbarste Stunde meines Lebens.
BARBARA schwiegt sich an ihn.
Die törichtste? Nicht wahr?
DIETRICH.
Ich glaube wirklich,
Ich war für einen Augenblick verrückt?
Behext – durch wen? Durch einen grünen Jungen!
Ah Narr und Schwätzer!
BARBARA lauscht nach der Mitteltür.
Horch – trapp, trapp, sie kommen;
Ich hör' die plumpen Schritte vor der Tür.[231]
DIETRICH reckt die Arme.
So laß sie kommen; ich bin wieder da.
Rauh lachend.
Bündnis mit Quitzow? Krämerseelen, wißt,
Bündnis mach' ich mit Euch – nicht Ihr mit mir!
BARBARA.
Ha, nun gefällst du mir!
DIETRICH.
Geh ohne Sorgen,
Du hast mich aufgeweckt – nun bin ich wach.
Führt Barbara nach rechts; sie geht ab.
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