[248] Wend von Ileburg gefolgt von einigen Rittern, tritt von rechts auf. Hinter ihn drängen Leute des Volks und Reisige in die Tür. Unter jenen befinden sich. Thomas Wins, unter diesen. Dietrich Schwalbe.
ILEBURG tritt in die Mitte des Saales, lüftet den Helm.
Gruß Euch zuvor von Kaiser Sigismund.
DIETRICH verneigt sich.
In schuld'ger Ehrfurcht dankt Mark Brandenburg.
ILEBURG.
Wer spricht hier für den schloßgesess'nen Adel
Des Havellands?
DIETRICH.
Dietrich von Quitzow, ich.
ILEBURG.
Wer für die Stadt Berlin?
DIETRICH.
Ich, Dietrich Quitzow.
ILEBURG.
Alle durch Euren Mund?
DIETRICH.
Ja, wie Ihr hört,
Herr Wend von Ileburg und Herr von Rhonow,
Von Muskau, Lübbenau und Sonnenwalde.
ILEBURG sieht ihn erstaunt an.
Ihr hörtet, daß Jodok, der Markgraf, starb?
DIETRICH.
Durch Peter Grechewitz erfuhren wir's.
ILEBURG.
Und daß die Mark zurückfiel an den Kaiser,
Ist Euch bekannt?[249]
DIETRICH.
Bekannt und sehr erwünscht.
ILEBURG.
So wollt Ihr ihn als Eurem rechten Erbherrn
Gewärtig sein? Gehorsam?
DIETRICH.
Vorbehaltlich
All unsrer wohlerworbnen Rechte, ja.
ILEBURG.
Und da der Kaiser selbst nicht kommen kann,
Um nach den Dingen in der Mark zu sehn,
Wollt Ihr Gehorsam zeigen dem Statthalter,
Den er an seiner Stelle sendet?
DIETRICH.
Nein.
ILEBURG.
Ihr – spracht – daß Ihr gehorsam wolltet sein –
DIETRICH.
Dem Kaiser ja, seinem Statthalter nein.
ILEBURG.
Ihr – sprecht – im Namen dieser aller hier?
DIETRICH.
Ja, edler Herr von Ileburg und Rhonow,
Von Muskau, Lübbenau und Sonnenwalde.
ILEBURG.
Herr, was bedeutet's, daß Ihr meine Namen
Mir so herunterzählt?
DIETRICH.
Um Euch zu zeigen,
Daß ich vertraut mit höf'schem Brauch.
ILEBURG.
Ich weiß nicht –
Verhandeln wir im Scherze oder Ernst?[250]
DIETRICH tritt an die obere Brüstung.
Seht mir ins Auge – und Ihr fragt nicht mehr.
ILEBURG.
Ihr wollt gehorchen – und Ihr wollt es nicht –?
Zweideutig scheint mir das und unverständlich.
DIETRICH.
Das wundert mich, denn mir erscheint es einfach:
Des Kaisers woll'n wir sein und niemands sonst;
Unmittelbar des Reiches wollen wir sein!
DIE EDELLEUTE.
Das wollen wir! Ja!
DIE BÜRGER.
Ja! Ja! Ja!
ILEBURG.
Warum denn wollt Ihr's?
DIETRICH.
Weil wir mündig sind!
Weil wir die Erde, die wir selber pflügen,
Selber verwalten wollen! Darum, Herr!
Weil wir es satt sind, daß Mark Brandenburg
Jedem geldgier'gen Schuft aus Böhmerland
Verschachert wird, damit er seine Tasche
An uns ersätt'ge! Darum, darum, Herr!
ALLE.
Ja, darum! Ja!
ILEBURG.
Der Herr, den Euch der Kaiser ausersehn,
Ein Deutscher ist's, kein Böhme.
DIETRICH.
Einerlei;
Blutigel ist Blutigel, Schwamm ist Schwamm!
Gelächter.
ILEBURG.
Ihr sprächt nicht so verwegen, wenn Ihr wüßtet,
Wer jener ist, den ich Euch künde.[251]
DIETRICH.
Nennt ihn
Und wartet ab, wie ich's aufnehme.
ILEBURG.
Friedrich
Von Hohenzollern ist's, Burggraf von Nürnberg.
DIETRICH schlägt an das Schwert.
Wir haben Spielzeug selbst, sagt das dem Kaiser,
Und brauchen keinen Nürenberger Tand!
PERWENITZ.
Sehr wahr!
DANNEWITZ.
Sehr richtig!
Allgemeines Gelächter.
ILEBURG.
Ihr wißt nicht, was Ihr tut und was Ihr redet!
DIETRICH.
So weiß ich ganz genau doch, was ich will:
Und wenn's Burggrafen regnete vom Himmel,
Sie soll'n uns nicht herein nach Brandenburg!
PUTLITZ.
Trefflich!
PERWENITZ.
Trefflich!
Gelächter.
ILEBURG.
O Ihr betörten Männer, warum lacht Ihr!
Ihr kennt Herrn Friedrich nicht.
DIETRICH.
Kennt er denn uns?
Hat er uns nachgefragt bis heute? Nein!
In seinem Frankenland hat er gesessen,
Die Nase rümpfend, wie sie's alle tun,
Die Herr'n im Süden drunten, wenn er hörte
Von der Sandbüchse zwischen Luch und Bruch.[252]
Uns aber hat das sand'ge Land geboren,
Wir haben es mit unsrem Blut gedüngt,
Darum gehört es uns! Wir sind die Herr'n.
ILEBURG lächelnd.
Und Dietrich Quitzow Markgraf? Meint Ihr so?
DIETRICH will die Stufen hinab, auf ihn zuspringen.
Ha!!
KONRAD hält ihn fest.
Bruder Dietrich!
DIETRICH.
Kämt Ihr – nicht vom Kaiser –
Ihr solltet Euer Lachen – wisset denn –
Ich brauche keine Krone, wie der Burggraf,
Mein Schlachthelm voller Beulen gilt mir mehr!
Wißt und versteht, wenn Euer Hirn es faßt:
Ich will nicht Markgraf sein, weil ich zu stolz bin,
Dietrich der Quitzow will ich sein und frei!
KONRAD.
So redet Brandenburg! So spricht ein Held,
Lausitzer Herr, versteht es wenn Ihr könnt!
ILEBURG.
Ja, ich versteh' Euch ganz; das ist die Sprache
Der Zügellosigkeit und Rebellion!
Nicht der Statthalter ist's, den Ihr verwerft,
Ihr weigert Euren Nacken dem Gesetz.
DIETRICH.
Gesetz – Gesetz – so wißt, daß ich auf Erden
Nichts so verachte wie das Wort Gesetz!
Gesetz ist Bündnis aller feigen Memmen
Wider den starken, mut'gen, freien Mann!
Die Freiheit, aller Kön'ge Königin,
Sie ward zur niedren Magd durch das Gesetz.
So geb' ich Heimat ihr auf märk'scher Heide,
Mit diesem meinem Arm umschling' ich sie[253]
Unlöslich, daß wir sterben gleichen Todes,
Und Dietrich Quitzow sei ihr letztes Wort!
Pause.
ILEBURG blickt umher.
Und diesem Mann der Willkür und Gewalt
Hat eine Bürgerschaft sich anvertraut,
Die selber sich Gesetze schrieb und Ordnung?
DIETRICH.
Zu mir habt Ihr zu reden, nicht zu jenen!
ILEBURG wie vorhin.
So laßt Ihr Euch den Mund von ihm verbieten?
Tiefe Stille.
ILEBURG zu Dietrich.
Ich habe nichts mit Euch mehr zu verhandeln;
Nur diese Frage noch: seid Ihr bereit,
All Euren unerhörten Übermut
Vor Burggraf Friedrich selber zu vertreten?
DIETRICH.
Ihm in den Bart, wenn einen Bart er hat,
Will ich es sagen, daß die Hofschmarotzer,
Die um ihn sind, in Ohnmacht fallen sollen!
ILEBURG.
So lad' ich Euch und diese Edelherren
Und dich, Berlin, von heut in vierzehn Tagen
Nach Brandenburg vor Burggraf Friedrichs Stuhl.
DIETRICH.
Zu welchem Zwecke sind wir eingeladen?
ILEBURG.
Zur Huldigung.
DIETRICH.
Zur Huldigung! Hahaha!
ILEBURG.
Ihr sollt mir Antwort geben, ob Ihr kommt.[254]
DIETRICH.
Ja denn! Wir kommen!
ILEBURG.
Gut, so bin ich fertig.
DIETRICH.
Ich aber bin nicht fertig noch mit Euch!
Wir werden kommen; ratet ihm in Gutem,
Er soll es nicht erwarten, ratet's ihm!
Wir kommen, aber mit uns kommt der Sturmwind,
Der ihn ausfegen soll aus Brandenburg!
Er hüte sich – kein Kaiser wird ihm helfen,
Wenn ihn der Heidewind am Kragen faßt
Und ihm die Glieder durcheinanderschüttelt!
Das sagt ihm – und nun geht – Ihr seid entlassen.
ILEBURG fährt auf.
Entlassen –? Nun – 's ist gut.
Rasch ab nach rechts.
DIETRICH.
Ja! Es ist gut,
Ihr, denk' ich, wißt Bescheid! Und nun, Ihr alle
Ihr hört, was dieser Burggraf von uns heischt.
Er zieht das Schwert, in der Scheide, aus dem Wehrgehänge.
Hier auf den Kreuzgriff meines guten Schwertes
Leg' ich die Hand und also schwöre ich:
Ich will ihn nicht als meinen Herrn erkennen:
Ich biet' ihm Trotz! Ich weig're ihm die Huldigung!
Heran, und schwört mir nach!
Zu Konrad.
Quitzow beginnt.
KONRAD legt die Hand auf Dietrichs Schwertgriff.
Mein Eidschwur hier: ich weig're ihm die Huldigung.
DIETRICH wendet das Haupt.
Die Herrn von Bredow?
LIPPOLD VON BREDOW.
Wir beraten noch.[255]
DIETRICH.
Die Stadt Berlin?
Flüsternde Beratung unter den Bürgern.
DIETRICH.
Ihr wißt, wir schlossen Bündnis
Auf Tod und Leben?
PERWENITZ UND DANNEWITZ treten heran, bereit, die Hand auf Dietrichs Schwert zu legen.
WINS schreiend.
Schwöre nicht, Berlin!!
Wie Häupter wenden sich nach ihm.
DIETRICH.
Wer sprach da?
WINS tritt vor.
Ich.
DIETRICH.
Wer bist du?
WINS.
Thomas Wins,
Von Straußberg Burgemeister.
DIETRICH.
Tritt zurück,
Und halt' dich still, du hast hier nicht zu reden.
WINS.
Hier, wo sich's handelt um mein Fleisch und Blut,
Hier hab' ich nicht zu reden?
DIETRICH.
Nein, noch einmal!
Straußberg ist meine Stadt, du bist mein Mann.
WINS drückt die Hände an die Schläfen.
Äfft mich ein Spuk? Ich steh' in meinen Gliedern,
Mein Atem kehrt aus Gottes weiter Luft
In mich zurück, ich fühle ihn in mir –[256]
Und einer sagt, ich bin nicht mehr mein Eigen,
Nicht frei mehr?
Läßt die Hände sinken, zu Dietrich.
Ha wodurch? Seit wann und wie?
Kraft welchen Rechts?
DIETRICH.
Kraft Ritterfehderechts!
Weil zweimal Straußberg ich für mich erobert!
WINS.
Das also ist es, was du Freiheit nennst?
Du Räuber meines Rechts!
DIETRICH.
Du Hund –
WINS.
Du Wolf!
DIETRICH.
Elender Knecht, du redest dich ums Leben!
WINS.
Du lügst dich um die Seele, wenn du sagst,
Ich sei dein Knecht, denn ich bin frei wie du!
DIETRICH will sich auf ihn stürzen.
Ha –
KONRAD hält ihn zurück.
Dietrich!
PERWENITZ.
Herr von Quitzow! Thomas Wins,
Geht, seid vernünftig!
WINS.
Schande der Vernunft,
Die mir mit Gründen mein Gefühl beschwatzt!
Er sinkt in die Knie, hebt die Hände empor.
Gott du im Himmel, hab' ein Einsehn, Gott!
Ich bitte nicht um Reichtum, Gut und Geld,
Nur daß wir Menschen bleiben, Freiheit, Freiheit!
Ich weiß von Friedrich nichts, dem Hohenzollern,[257]
Du aber schaffst die Menschen dir zum Werkzeug,
Mach' ihn zu einem guten Werkzeug, Gott!
DIETRICH.
Schreist du zu Gott für ihn, den ich verwerfe?
Hast du mich nicht gehört?
WINS auf den Knien.
Weil ich dich hörte,
Bet' ich für ihn! Weil du ihm Huld'gung weigerst,
Huld'ge ich ihm, auf daß er uns erlöse
Von dir, du Geißel und du Unterdrücker!
DIETRICH springt auf ihn zu, legt die Hand auf die Schulter.
Dir stopfe ich den Mund! Her, Dietrich Schwalbe
Und Quitzows Volk!
Dietrich Schwalbe, gefolgt von Quitzowschen Reisigen, tritt heran.
STROBAND.
Was tut Ihr, Dietrich Quitzow?!
DIETRICH.
Ich lege Hand auf den hier, meinen Mann,
Der schnöde sich an seinem Herrn verging!
Stricke an seinen Leib und nach Burg Friesack
In Turm mit ihm!
WINS.
Berlin! Das ist das Siegel,
Das Quitzow drückt auf seinen Bund mit dir!
Die Quitzowschen Knechte ergreifen ihn und schnüren ihm die Hände auf den Rücken.
STROBAND.
Wo ist der Burgemeister von Berlin
Der solche Schande zuläßt?
PERWENITZ.
Herr von Quitzow,
Der Mann ist unser Gast.[258]
DIETRICH.
So ladet künftig
Euch bess're Gäste ein! Mit meinem Knecht
Setz' ich mich nicht zu Tisch!
STROBAND.
Nicht Euer Knecht!
Der Mann ist frei! Ihr sollt nicht! Dürft nicht!
DIETRICH.
Darf nicht?
Den Hund nicht zücht'gen darf ich, der mich anbellt?
Daß Ihr es wißt: Quitzow darf, was er will!
STROBAND.
Hängt ihn am Galgen auf, den Unverschämten!
DANNEWITZ.
Gebt uns den Mann heraus!
SECHELWEG.
Den Mann heraus!
ALLE BÜRGER lärmend.
Den Mann heraus!
DIETRICH.
Schreit, daß Ihr berstet!
Eh' sollt Ihr mir den Arm vom Leibe reißen,
Bevor Ihr den bekommt!
PERWENITZ.
Wir waren Freunde –
Ihr tut uns Schmach, Ihr brecht den Frieden, Quitzow,
Ihr brecht das Bündnis, das Ihr uns beschwurt!
DIETRICH.
Ihr selbst Euch Schmach! Ihr seid wortbrüchig! Ihr!
Wer meinen Feind nicht haßt, kann nicht mein Freund sein.
Euch aber halt' ich an beschworner Pflicht
Und die heißt Feindschaft mit dem Hohenzollern.[259]
STROBAND.
Das unsre Pflicht? Wer sagt das?
DIETRICH.
Euer Eid!
DANNEWITZ.
Wir schwuren darauf nicht!
DIETRICH.
Auf Tod und Leben
Habt Ihr geschworen!
PERWENITZ.
Aber nicht auf Knechtschaft
Und nicht, wie's Euch beliebt!
DIETRICH.
Auf Tod und Leben.
PERWENITZ.
Berlin gehört nicht Euch!
DIETRICH.
Auf Tod und Leben!
Ich markte nicht, Eidschwur ist keine Ware!
Ihr habt mich auserwählt zu Eurem Führer,
Mein wurde Euer Wille, Eure Tat,
Mein Leben nahm das Eure in sich auf.
Und also auf dem Tag zu Brandenburg
Erwart' ich Euch. Dort wird die Ehre sitzen –
Seht zu – daß Ihr vor ihr bestehen könnt!
Und dess' zum Pfande nehm' ich, greif' ich diesen,
Den lauten Mund der widerspenst'gen Seele,
Die in Euch gärt –
STROBAND.
Ihr sollt nicht!
DANNEWITZ.
Dürft nicht!
ALLE BÜRGER.
Nein!
Die Bürger legen Hand an Wins, um ihn den Reisigen zu entreißen.
[260]
DIETRICH springt dazwischen, zieht das Schwert.
Wenn er nicht sterben soll vor Euren Augen,
Die Hand von ihm!
Alles weicht zurück – Pause.
DIETRICH.
In Friesack sucht Euch diesen –
Euch finde ich am Tag zu Brandenburg!
Die Reisigen ziehen Wins empor, um ihn fortzuschleppen.
Vorhang fällt.
Ende des zweiten Aktes.
Ausgewählte Ausgaben von
Die Quitzows
|
Buchempfehlung
Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.
546 Seiten, 18.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro