Liliputanisches Frühlingsfest

[11] Im blauen Äther wirbelt

Ein Ball im Kreiseltanz –

Wie trunken sich ein Mücklein

Wiegt im goldigen Glanz.


Das Frauchen Sonne betrachtet

Vergnügt den runden Wicht;

Da naht das Mücklein Erde

Verliebt dem Sonnengesicht.


Und legt mit Lust vom Leibchen

Die weiße starre Schale,

Sich badend zu verjüngen

Im warmen Sonnenstrale.


Und sieh! Die Wiesen schimmern

Von duftig zartem Grün;

Als gelb und weiße Pünktchen

Felder und Bäume blühn.


Da krabbeln aus den Häuschen

Die Liliputaner hervor

Und kribbeln in bunten Schwärmen

Hinaus zu städtischem Thor.


Auf grünem Wiesenplane

Faßt jeder Mann ein Weib

Und dreht zu zirpenden Weisen

Des Liebchens zierlichen Leib.
[12]

Und wenn ein Pärchen müde,

So rastet es am Tisch

Und schlückert leckre Tränklein

Und kehrt zum Tanze frisch. –


Nur ein Figürchen sondert

Sich ab vom frohen Schwarm

Und wandelt durch die Felder

In bitterbösem Harm.


Es rollt die Äuglein giftig

Und grollt der ganzen Welt.

Warum? – Der Liliput ist

Verliebt und hat kein Geld.


Und heißer zirpen die Fideln,

Und trunkner wirbelt der Reihn,

Und trunkner wirbelt die Erde

Im wärmenden Sonnenschein.


Ein weltenfern Kometenvieh

Mit ungeschlachtem Schwanz

Beglotzt mit dummer Neugier

Den Erdenmückentanz.

Quelle:
Bruno Wille: Einsiedler und Genosse. Berlin 1894, S. 11-13.
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