Südenland

[121] Horch, durch grüblerische Föhren

Woget stöhnendes Verstören

Herbstlich rauhes Nachtgebraus.

Und die reckenhaften Eichen

Toben, weil die Wipfel bleichen,

Schaurig trostlos ihren Kummer aus.


Droben, wo durch Wolkenhader

Bläulich wallt des Mondes Duft,

Rudert durch die barsche Luft

Wilder Gänse Keilgeschwader.

Ihrer Sehnsucht dunkel Raunen

Lenkt empor mein stummes Staunen

Und erweckt die kühlen Schauer

Unvergessner Abschiedstrauer.


Dein gedenk ich, armer Freund!

Vom vertrauten Heim betrogen,

Bist du fröstelnd fortgezogen

Mit der Wildgans südenwärts.

Draußen suchst du, grambegleitet,

Was allein das eigne Herz,

Wie der Baum sein Harz, bereitet.
[122]

Fahret wohl! Ich bleibe hausen,

Wo die Föhren mürrisch brausen

Mit mir selbst allein; verschweige

Meiner Sehnsucht Schrei und neige

Zum Gebet mein Haupt: Wohlan,

Sei nun stark, Einsiedel! Zeige,

Was die eigne Kraft noch kann!

Tiefste Andacht weihe dich,

Und zur Öde, Zaubrer, sprich

Jenes Wort, das Berggestein

Spaltet: »Sesam, tue dich auf!«/

Dann hinein, getrost hinein!

Hinter rauher Felsenwand

Lächelt dir ein Südenland/

Dein ersehntes Friedenland.

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 121-123.
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