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[8] Wol-ädeler Her, liber Bruder.
Di ehrsten bogen von deiner ädlen Rosemund hab' ich entfangen, und durch-geläsen. Es wäre wahrlich schade, wan so ein schönes und libes wärk, däs-gleichen noch kein Deutscher verfasset hat, hätte sollen verschwigen und ungeläsen in der fünsternüs ligen bleiben. Ich sag' es kurz und rund, daß keiner ihmahls di gebährden und beschaffenheiten unserer leiber so eigendlich und so läbhaft hat abbilden können, als du. Dan,
Mein Bruder, deine schrift ist anders nichts als läben,
als geist und sele selbst. was du uns hast gegäben
fohrhin ans tage-lücht, ist alles ruhmes währt,
und würd von ihderman mit gihrigkeit begährt.
Dis aber gäht weit fohr, dis buhch von ROSEMVNDE,
Dis al-sol-komne buhch, das uns zu aller stunde
erfrölicht und ergäzt; das solche räden führt,
dadurch ein höhfling recht und wohl würd aus-gezihrt.
Wi ahrtlich kanstu nuhr den sün der Libe bilden,
das wäsen, gähn und tuhn mit farben schöhn vergülden!
der augen raschen gang, wan si in ihrer gluht
und schön'sten flamme sein; der Libe wankel-muht,
stäht eigendlich alhihr. Di ROSEMVNDE läbet
selb-selbst in disem Buhch', und in däm läsen schwäbet [*7b]
fohr augen, als ein bild, das gähn und räden kan;
dahr-über sich entsäzt und wundert ihderman.
Ja, mein Bruder, es hat mich dises wunderwürdige Bild so verzükt gemacht, oder vihlmehr deine geschikligkeit, daß ich mich in deiner schrift nicht sat genug läsen kan.
Weil dan nuhn dises ädle wärk so glüklich aus deiner fäder häraus gekwollen ist, ei liber! so lahs uns, doch das übrige von deinen schriften auch sähen, damit du dihr di ganze wält verpflüchten mögest; gleich wi du[8] mich schohn ganz verpflüchtet hältst, dehrgestalt, daß ich ewig bin und verbleibe,
Mein Bruder,
Grüningen, den 6. tahg
des Häu-mahndes,
1645.
Dein träuer diner so
lang' ich heisse
H.L.v.L.
Der Aemsige.
[1][9]