1722.
Kron und Lohn beherzter Ringer,
Der Seligkeit Herwiederbringer,
HERR JESU, HERR der Herrlichkeit!
Schau vor deines Thrones Stufen,
Zwo Seelen, welche zu Dir rufen,
Sie wären gerne benedeyt.
Du segnest ja so gern, Gesegneter des Herrn,
Wir begehrens,
So komm herein, wir sind ja Dein,
Und laß uns recht gesegnet seyn!
Brunnquell aller Seligkeiten,
Ach! fahre fort uns zu bereiten
So, wie es Dir gefällig ist:
Wir als von Natur verdorben,
Wir sind dem Leben abgestorben,
Darinnen Du zu finden bist.
So tödte doch den Feind, der uns zu stürzen meynt,
Unser Leben!
Vollbringe nun, uns abzuthun,
Daß wir in Deinem Tode ruhn.
[63]
Selig sind die Geistlich-Armen,
Sie finden leichtlich Dein Erbarmen,
Das Land der Himmel bleibet Ihr:
Da im Gegentheil die Reichen,
Und die gar satt sind, ferne weichen
Von Deines Königreiches Zier.
Ach! mach uns Arme reich, doch Deiner Armuth gleich.
Gib uns, JESU,
Den reichen Muth! dem irdisch Gut
Recht weh, und Armuth sanfte thut!
Selig sind, die Leide tragen,
Sie sollen Trosis genug erjagen;
Ihr Herzog ging den Weg voran:
Stieg Er auf durch Creutz und Leiden;
So will Er uns den Kelch bescheiden,
Der Ihm hienieden gut gethan.
Uns ist in dieser Zeit kein Feyertag bereit;
Hier gilts Weinen:
Beym Lammes-Mahl ist keine Quaal;
Wir aber gehn durchs Jammerthal.
Selig sind die sanften Geister,
Sie sind auf Erden Herrn und Meister;
Und niemand sieht es ihnen an;
Da sie doch durch stillen Wandel
In allerley Geschäft und Handel
Ihr Lammes-Wesen dargethan.
Es ist ihr Bräutigam, das erstgeborne Lamm,
Lamm und Löwe,
Gar sanft und weich, doch stark zugleich;
So sind auch die aus Seinem Reich.
Wenn der Feinde stolze Rotten
Der armen Einfalt JESU spotten,
Und Seiner sanften Lämmerlein;
(Weil sie nicht mit Schatten prangen
Und unverrükt am Cörper hangen,)[64]
So müssen sie oft schreklich seyn.
(Hohel. 6.)
Scheint einem Goliath der kleine David matt,
Will er höhnen;
So fährt ein Stein zur Stirn hinein,
Dem, der ein Riese wolte seyn.
Selig (gleich dem Lebens-Fürsten,)
Sind alle, welche sehnlich dürsten
Und hungern nach Gerechtigkeit,
Sollen auch gesättigt werden;
So, wie ihr Goel hier auf Erden,
Zur vorbestimmten Leidens-Zeit,
Den Durst in Seinem Theil, nach unsrer Seelen Heil
Wohl empfunden:
Wer in der That so Hunger hat,
Und also dürstet, der wird satt.
Selig sind barmherz'ge Seelen:
Barmherzigkeit wird sich vermählen
Dereinst mit ihrer Dürftigkeit.
Wer ein Tröpfgen Wassers giebet,
Wird um das Tröpflein auch geliebet,
Und wohl belohnt zu seiner Zeit.
Wohl also jedermann, der hier viel Guts gethan:
Wehe denen,
Die sich durch Pracht darum gebracht:
Vor GOTT wird ihrer schlecht gedacht.
Selig sind die reinen Herzen,
Die ihre Krone nicht verscherzen:
Sie werden GOTT im Frieden sehn!
Alle unbeflekte Tauben,
Die an den Freund der Seelen glauben
Und in der Reinigkeit bestehn,
Die sehen einst im Licht, das keusche Angesicht
Unsers Lammes;
Lamm, wir sind Dein, behalt uns rein,
Und lehr uns Dir recht ähnlich seyn.
[65]
Selig, die in allen Sachen
Von Herzen gerne Frieden machen:
GOTT siehet sie als Kinder an;
Also soll ihr Name heissen,
In Friedens-Schmukke sollen gleissen
Die viel zum Frieden hier gethan.
Wer liesse sich dann nun nicht lieber Unrecht thun?
Friede, Friede,
Hat unsre Gunst, ist unsre Kunst,
Der reichste Zank-Gewinn ist Dunst.
(1 Cor. 6, 7.)
Selig sind, die voller Freuden
Allhier ums Guten willen leiden,
Und sprechen: Du bist ja der HERR,
Wir dulden nur um Deinetwillen;
Die Zahl der Leiden zu erfüllen
Wird uns aus Liebe gar nicht schwer.
Wie glüklich wären wir, o JESU, wenn wir hier
Um Dich lidten:
So geh voran, wir dringen an
Auf diese Kriegs- und Sieges-Bahn.
Selig sind schon hier auf Erden,
Die wakker ausgehöhnet werden
Von wegen ihres Bräutigams;
Wird sich eine Braut nicht schämen
Des Liebsten Namen anzunehmen;
Was schämen wir uns unsers Lamms?
Das müsse ferne seyn, laßt kommen Schmach und Pein!
Wir sind Christen,
Und allezeit mit Freudigkeit,
Durch Ehr und Schmach zu gehn bereit.
(2 Cor. 6.)
Wir sind frölich aus der Maassen,
Und wissen uns fast nicht zu lassen,
Wenn wir die grosse Seligkeit
Tapfrer Streiter recht erwägen,[66]
Die sich mit Christo niederlegen,
Ans Creutz in Niedrigkeit und Leid.
Wie sanfte wird sichs ruhn, wie wird die Ehre thun,
Nach der Schande:
Wie blitzt der Glanz, wie steht der Kranz,
Da halten wir den Ehren-Tanz.2
Laß uns Rittermäßig ringen,
Durch Tod und Leben zu Dir dringen:
Als Feld-Herr trit ins erste Glied.
Dieses ist ein Streiter-Rennen,
Da wir noch manchen Helden kennen,
Der mit uns auf die Bahne zieht.
Das Kleinod ist es werth, daß man es ganz begehrt,
Es ist unser:
Wir sprechen schon im hohen Ton,
Was gilts, wir bringen es davon.
Darum hast Du uns verbunden,
Und das vielleicht auf wenig Stunden,
Du hast aus Zweyen Eins gemacht,
Daß wir mit verknüpften Machten,
Die Krone zu erkämpfen trachten:
Hie stehen wir auf unsrer Wacht,
Wir sind von Deinem Stamm, Du bist der Bräutigam,
Wir sind Glieder,
O Mann und Haupt, wer also glaubt,
Der wird Dir nimmermehr geraubt.
Also müssen wir auf Erden,
Nie, als in Dir, erfunden werden:
Du hast uns je und je geliebt,[67]
Du hast erst um uns geworben,
Du bist vor Liebe gar gestorben;
Wer ist, der solche Proben gibt?
Wohlan, wir lieben Dich, o Liebe eigentlich;
Unsre Liebe
Ist nur ein Bild, solang es gilt,
Wie Du uns endlich lieben wilt.
1 Am 7ten September.
2 Es ist ein sehr falscher Gedanke, daß man eines Christen Hochzeit-Tag zum Ehren-Tag, und den Todes-Tag zum Buß-Tage macht. Warum läßt man nicht an dem Tage, wenn die Kriegs-Leute ins Feld rükken, den Ambrosianischen Lobgesang singen, und nach erhaltener Vietorie die Litaney beten?
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