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[191] Der Doge. Parozzi.
PAROZZI ihm ehrerbietig entgegen.
Eurer Durchlaucht unterthänigst ...
DOGE.
Welcher angenehme Zufall[191]
Lockt Euch heute, seltner Gast,
Zu mir her in den Palast?
PAROZZI.
Darf Anhänglichkeit und Treue
Für den Staat und Eure Durchlaucht
Zufall heißen ...
DOGE.
Ei, zuweilen
Kann selbst Tugend Zufall sein.
Das Verhältniß macht den Menschen;
Heut' ihn trotzig, morgen weibisch,
Heute ehrlich, morgen feil.
Sagt, was wäre Alexander
Ohne Philipps Thron geworden?
Was der Gauner Abellino
An der Spitze eines Heeres?
PAROZZI.
Es geziemt mir, glaub' ich, nicht,
Meiner Vaterlandesliebe
Ehrenreden hier zu halten.
Besser spricht für sie das Werk.
DOGE.
Was betrifft es?
PAROZZI.
Die Verschwörung,
Deren erster Faden, sagt man,
Flodoardo Mocenigho
Aufgefunden haben soll.
DOGE.
Ha, das große Wort des Tages,
Dessen Donnerruf die Ohren[192]
Taub für jedes Andre macht. –
Frische Botschaft? ... oder besser ...
Die Augen forschend auf Parozzi's Miene.
Ein Beweis, daß dort am Ende
Alles falsch sei, eitel, nichtig,
Leeres Schreckbild unsers Argwohns?
PAROZZI.
Nein, im Gegentheil, ich trage
Euch ein Licht zu, dessen Strahlen
Der Verschwornen finstre Werkstatt
Tief ins Innerste beleuchten.
DOGE stutzig.
Ihr? – Wie so? Erzählt. Was gibt es?
PAROZZI.
Doch, durchlauchter Herr, mein Name
Bleibe ewiglich geheim.
DOGE.
Ist er nicht als Bürgschaft nöthig ...
PAROZZI.
Nein, ich bring' Euch bessre Bürgschaft
DOGE.
So empfangt mein Wort; es soll
Euer Name heimlich bleiben.
PAROZZI.
Würd' er ruchbar ... o, es müßten
Welt und Nachwelt ihren Fluch
Mit Empörung auf mich schleudern.
Denn – o Gott – ich darf's kaum sagen,
Dem geschwornen Bürgereide,
Und der Pflicht fürs Vaterland
Soll ich meines Herzens Frieden,[193]
Meine zärtlichsten Gefühle,
Und was je dem Mann von Ehre, –
Was den Völkern aller Zeiten
Hoch galt – kurz ... ich muß, ich soll
Meinen eig'nen Freund verrathen.
DOGE schaudernd.
Euern eignen Freund? ... Doch weiter!
Ihr könnt jetzt nicht mehr zurück,
Und das rasch entfloh'ne Wort
Aus der Luft nicht wieder fangen.
PAROZZI.
Lange hab' ich schwer gerungen
Zwischen Liebe und Gesetz.
Mitleid und Erbarmen klagten
Laut um den verirrten Freund;
Aber lauter schrie der Jammer
Unsrer edeln Republik.
Schwerer hat das Schicksal niemals
Einen Sterblichen geprüft.
Nirgends sah ich für mich Ausflucht,
Immer drängte nur die Wahl:
Hochverräther an der Freundschaft
Oder an dem Staat zu werden.
DOGE.
Allerdings, die Wahl ist graunvoll.
Doch Ihr habt den Kampf bestanden;
Und – es tröstet mich für Euch, –
Euer Schmerz, wie mich bedünkt,
Spricht gesetzt, spricht ziemlich nüchtern.
Drum zur Sache. Nennt den Namen.[194]
PAROZZI.
Darf ich? Muß ich nicht befürchten,
Daß dies Wort, wenn mir's entfährt,
Euer Herz zu schwer erschüttre,
Eure köstliche Gesundheit
In den feinsten Wurzeln tödte?
DOGE düster.
Sorget nicht um mich, und wagt's!
Meine Proben sind bestanden.
PAROZZI.
Denn, man sagt, er sei euch theuer.
Und Ihr hättet ...
DOGE.
Rasch zum Ende!
Klage, Kläger und Beweis!
Eure Botschaft ...
PAROLI nimmt gemächlich einen Brief hervor.
Gnäd'ger Herr,
Als ich, um die Dämmrung, gestern
In der Kühle mich erging,
Fand ich einen offnen Brief
Unweit der Rialtobrücke.
Das Papier, ein Spiel des Windes
Flatterte vor mir am Boden.
Ich erhascht' es, steckt' es zu mir,
Und fand zentnerschweren Inhalt. –
Wie Ihr seht, das Schreiben ist
An Don Kassowich gerichtet,
Obersten Befehliger
Der dalmatischen Besatzung.[195]
Ihm wird eilends angedeutet,
Daß die Stunde der Entscheidung
Zwar um sechs und sieben Tage
Weiter hin verschoben sei;
Daß er aber dennoch wachsam
Bleiben müsse, und bereit,
Auf den ersten Wink des Bundes
Mit dem Kriegesvolk zu wirken.
Ferner, daß er den Marcasca,
Hauptmann bei der Zeughauswache,
Von dem wicht'gen Platz entferne;
Denn der Hauptmann sei verdächtig.
DOGE.
Und die Unterschrift?
PAROZZI.
Sie lautet ...
Flodoardo Mocenigho.
Hier der Brief in seiner Urschrift.
Er überreicht denselben.
DOGE mit ruhigem Ernst, indem er den Brief durchsieht, spricht, immer die Augen auf das Papier geheftet.
Das ist Flodoardo's Handzug! ...
Nach einer Pause.
Und man findet auf den Straßen
Von Venedig solche Briefe? ...
Feiner pflegen doch Verschworne
Sonst ihr falsches Spiel zu treiben.
PAROZZI.
Mit noch feinerm Finger aber
Spielt die Vorsehung hinein.[196]
DOGE mit dem Blick auf ihn.
Ihr habt Recht, wahrhaftig Recht!
Drum baut jeder Bösewicht,
Und wie schlau er's sich berechne,
Immer nur den eignen Galgen.
Alle Bosheit ist nur Dummheit,
Die zuletzt sich selber fängt;
Jeder Vorsatz des Verbrechens
Aufruhr eines Sonnenstäubchens
Wider Gottes Weltenszepter.
PAROZZI.
Allerdings! – Wie sehr beklag' ich
Die Verirrung Flodoardo's!
Nur Verblendung, nur Verzweiflung
Einer hoffnungslosen Liebe
Warb vielleicht den jungen Mann
Für den Bund der Mißvergnügten.
Dieser Bund bot seinem Stolze
Eine große Hoffnung an,
Oder eine große Rache ...
In der That, ich lieb' ihn noch!
Und ... warum nicht? ... mir scheint's möglich,
Ihn vielleicht auch jetzt zu retten,
Ohne Nachtheil für den Staat.
In der Macht von Eurer Durchlaucht
Liegt es, schnell ihn zu entfernen;
Jeder Fingerzeig des Briefes
Ließe sich auch dann benutzen,
Wenn die Handschrift Flodoardo's
Schon im Rauch verflogen wäre.[197]
DOGE kopfschüttelnd.
Laßt das Recht den rechten Weg ziehn!
Euch verdank' ich Eure Treue.
PAROZZI.
Aber wie gesagt, mein Name ...
DOGE.
Bleibt verschwiegen, zweifelt nicht.
Indem er ihm das Zeichen der Entlassung gibt.
Morgen, an dem Namensfeste
Meiner Nichte Rosamunde,
Hoff' ich, werdet Ihr nicht fehlen?
PAROZZI.
Eure Durchlaucht ... allzugnädig ...
Ab.
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