Zehnter Auftritt.

[215] Zimmer im Palast Parozzi's. – Seitwärts ein Tisch mit Weinflaschen. Im Hintergrunde ein schwarzbehangener Tisch, darauf ein Kruzifix zwischen brennenden Kerzen, vornan ein Todtenkopf.

Parozzi, Memmo, Falieri, Abbate Tolomeo treten herein.


PAROZZI.

Eure Herrlichkeiten, diesmal

Seid Ihr Männer nach der Uhr!

MEMMO zu Parozzi.

Was? Altar und Kruzifix?

Und der Todtenschädel? – Theurer,[215]

Schafft das grausige Gesicht

Mit den hohlen Augen fort!

Solche Weltgerichtsfiguren

Taugen zu uns lust'gen Zechern,

Wie Erdbeben und Orkane

Allenfalls zum Maskenball.

FALIERI.

Der hochwürd'ge Abbate

Will uns, scheint es, Messe lesen.

PAROZZI.

Freunde, heut zum letztenmal

Sammeln wir uns hier zu Rath,

Morgen Nacht ruft uns die That.

Darum, denk' ich, sollen wir

Unsern Bundesschwur erneuern,

Treu zu halten Mann an Mann.

TOLOMEO.

Ja, und feierlich betheuern,

Auch den letzten Tropfen Bluts

Für das heil'ge Werk zu opfern,

Bis es in Vollendung strahlt; –

Bis der ketzerische Stolz,

Ausgerottet im Senate,

Gotte gibt, was Gottes ist,

Und, zu Rom dem Stuhle Petri

Unterwürfig, dessen Recht

In der Kirche anerkennt: –

Bis, von weltlichen Gesetzen

Unbeschränkt, die heilige

Inquisition des Glaubens

Reinheit freudig schirmen kann; –[216]

Bis das Laster der verruchten

Simonie entwurzelt worden:

Daß gesammte Geistlichkeit

Nicht unmittelbar vom Staate,

Wie bisher, abhängig schmachte,

Sondern ihrem Oberhirten

Wie in andern Christenländern,

Wieder heimgegeben sei.

FALIERI hämisch.

Pah! das wird sich Alles machen!

Erst gefegt und dann der Tanz.

Doch wozu die Kinderpossen,

Bundesschwur und Firlefanz?

Schwören oder nicht, wir müssen

Vorwärts in Triumph und Tod.

Vorwärts geißelt uns die Noth!

Es bedarf wohl keines Schwures,

Daß es Niemanden gelüste

Unter'm Henkerbeil zu enden.

Und wer dennoch wanken möchte,

Den, Ihr wißt's, trifft unser Dolch.

Aber wichtiger ist heut,

Daß wir uns ein Haupt erwählen,

Welches die zerstreute Kraft

Blinder Glieder kennt und züchtet,

Und vereint zum Ziele richtet.

MEMMO.

Wohlgesprochen! Hab' ich das

Nicht schon tausendmal gepredigt?

Seht das wahre Haupt im Staat

Ist, Ihr wißt's, der Zehner-Rath.[217]

Er hat Willen und Gedanken;

Ist der Geist, der Alles treibt;

Und der Dog' an diesem Haupte

Nur das Aeußre, – das Gesicht.

Gut, Ihr Andern bildet künftig

Unsern neuen Zehner-Rath;

Seid Ihr dann das Buch der Weisheit,

So macht mich zum Titelblatt.

PAROZZI lächelnd zu Memmo.

Merkt Ihr nicht, daß Falieri

Selber nach der Krone schielt?

Unser edler Freund, ich wette,

Sieht sich mit dem Herzogsmantel

Schon im Geiste angethan;

Und wie er, voll Majestät,

Auf dem goldnen Bucentauro,

An dem Fest der Himmelfahrt,

Ueber Adria's Gewässern

Mit dem goldnen Trauring schwebt;

Dann, umringt von tausend bunten

Gondeln, Barken und Galeeren,

Bei dem Donner des Geschützes,

Und dem Festklang aller Glocken,

Die Vermählung mit dem Meere

Unter Jubelruf vollbringt.

FALIERI heftig.

Eignet mir doch nicht die Träume

Eures faden Hochmuths zu!

Denkt, statt an den Hermelinschmuck

Um den Leib, an euern Hals,

Und vergeßt nicht, daß der Weg,[218]

Den wir mit einander morgen

Wagen werden in der Nacht,

Uns erst an der Seufzerbrücke

Hart vorbeiführt, neben Kerkern,

Und den schaurigen Bleikammern, –

Rechts vorüber an den Säulen

Von St. Theodor und Marcus,

Zwischen welchen, aller Zeiten,

Blutgerüst' und Galgen wachsen.

Darum thut ein sichrer Führer

In der dunkeln Nacht uns Noth.

TOLOMEO.

Nöthiger uns noch die Eintracht!

Was geschehn soll, ist beschlossen;

Der Entwurf ist fest geregelt,

Jede Rolle ausgetheilt.

Dabei laßt es nun bewenden;

Bannt den Hader; ruft ihn nicht

Durch die Eifersucht herbei.

Horcht! Man kömmt!

PAROZZI.

Es sind die Freunde!


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 215-219.
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