[83] Hans Dampf

Vettern und Basen, da sie seine Unentschlossenheit sahen, traten endlich zusammen, über die Wahl der künftigen Frau Staatsbaumeisterin Rat zu halten. Man erwog die zu einer Heirat unentbehrlichsten Erfordernisse der Töchter des Landes, als da sind Vermögen und Familie. Und nach langem Bedenken, Forschen und manchem beseitigten Aber und Wenn fiel die Wahl der Vettern und Basen einhellig auf Jungfrau Rosina Piphan, einzige Tochter des Herrn Seckelmeisters der Stadt und Republik, Enkelin des vor zwölf Jahren selig verstorbenen Bürgermeisters der Republik, Verwandtin der angesehensten und reichsten Häuser der Stadt und dabei selbst die reichste Erbin unter allen jetzt zu Lalenburg blühenden Schönen.[83]

Hans Dampf bemerkte freilich mancherlei gegen die Person dieser Auserwählten, allein wahrhaft Gründliches nichts. Sie war um zehn Jahre älter als er, aber sie war die Enkelin eines Bürgermeisters. Sie trug geduldig einen etwas unförmlichen Auswuchs auf dem Rücken, aber sie hatte Geld. Sie war dazu so kleiner Gestalt, daß sie, ohne die Hand hoch über den Kopf zu strecken, nicht einmal Arm in Arm mit ihm durchs Leben wandeln könnte; aber er konnte sich ja bücken oder mit gekrümmten Knien verkleinern.

Nachdem alles zum Vorteil der kleinen holden Rosine entschied, ward die Unterhandlung sogleich bei den Eltern derselben in aller Form eingeleitet. Hans Dampf ließ es sich gern gefallen, daß man die Mühe für ihn übernahm. Diese wurde mit dem besten Glück gekrönt. Der Tag erschien, da er selbst feierlich beim Herrn Seckelmeister und der Frau Seckelmeisterin um die Hand ihrer Erbin anhalten sollte. Zu dieser wichtigen Handlung, die übrigens der Sitte gemäß als ein stadtkundiges Geheimnis betrieben ward, mußte der vornehmste Teil der beiderseitigen Verwandtschaft eingeladen und ein glänzendes Abendessen veranstaltet werden.

Hans Dampf konnte an dem bestimmten Tage kaum den Abend erwarten und die zum Geheimnis des Festes nötige Dunkelheit. Inzwischen freute sich die sämtliche Vettern- und Basenschaft nicht nur auf den Verlobungsschmaus, sondern auch auf die Überraschung der ganzen Stadt am folgenden Morgen, wenn das Geheimnis laut und Glückwunsch um Glückwunsch herbeiströmen würde. Der Staatsbaumeister hatte sich schon am Morgen festlich gekleidet, und es tat ihm nichts so leid, als in diesem Putz bis zur Nacht warten zu müssen. Seine Eitelkeit dachte nebenbei an manche seiner Gefälligen und Spröden in der Stadt, denen er gern in seinem Schmuck noch als der wahre Liebesgott von Lalenburg erschienen wäre.

Um wenigstens einige Bewunderung einzuernten, wanderte er aus.

Quelle:
Heinrich Zschokke: Hans Dampf in allen Gassen. Frankfurt a.M. 11980, S. 83-84.
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