Elastizitätsgrenze [2]

[388] Elastizitätsgrenze, ursprüngliche und natürliche. Die Unterscheidung rührt von Bauschinger her [1]. Kommt die Aenderung der Elastizitätsgrenze durch mechanische Behandlung und andre Einwirkungen in Betracht, so nannte Bauschinger ursprüngliche Elastizitätsgrenze diejenige im Anlieferungszustande des Materials. Auf Grund von Versuchen mit Schweißeisen und Bessemerstahl zog er folgende Schlüsse [1], S. 33, [2], S. 109:

1. Durch Belasten auf Zug oder Druck über die Elastizitätsgrenze hinaus wird die Elastizitätsgrenze für Druck bezw. Zug bedeutend erniedrigt, und um so mehr, je höher jene Belastungen über der betreffenden Elastizitätsgrenze liegen, und werfen schon verhältnismäßig geringe Ueberschreitungen der Elastizitätsgrenze für eine Belastungsart die Elastizitätsgrenze für die Beladung im entgegengesetzten Sinne bis auf Null herab. Wenn eine so erniedrigte Elastizitätsgrenze durch Belasten im gleichen Sinne wieder gehoben wurde und dann überschritten wird, so fällt sofort die Elastizitätsgrenze für die Beladung im entgegengesetzten Sinn wieder auf Null oder fast auf Null herab. Die Zeit ist bei diesen Vorgängen ohne oder doch nur von geringem Einfluß, d.h. die durch Zug oder Druck erniedrigte Elastizitätsgrenze für Druck oder Zug hebt sich, wenigstens im Verlaufe der nächsten 3–4 Tage, nicht wieder und im Verlauf der nächsten Wochen, wenn überhaupt, doch nur wenig (vgl. Elastische Nachwirkung). 2. Durch allmählich anwachsende, zwischen Zug und Druck wechselnde Spannungen kann die Elastizitätsgrenze für entgegengesetzte Beanspruchung erst dann erniedrigt werden, wenn jene Spannungen die ursprüngliche Elastizitätsgrenze überschreiten. 3. Wenn die Elastizitätsgrenze für Zug oder Druck durch vorausgegangene Beladung auf Druck bezw. auf Zug, die über der ursprünglichen Elastizitätsgrenze lag, erniedrigt worden ist, so kann sie durch allmählich anwachsende, zwischen Zug und Druck wechselnde Belastung wieder gehoben werden, aber nur bis zu einer Grenze, die beträchtlich unter der ursprünglichen Elastizitätsgrenze liegt.

Die in Satz 3 erwähnte Grenze nannte Bauschinger die natürliche Elastizitätsgrenze [1], S. 49. Er suchte dann darzutun, daß die letztere mit der Schwingungsfestigkeit des Materials (s. Arbeitsfestigkeit) übereinstimmt [1], S. 49, [2], S. 116.


Literatur: [1] Bauschinger, Mitteilungen u.s.w., Heft 13 (Ueber die Veränderung der Elastizitätsgrenze u.s.w.), München 1886. – [2] Weyrauch, Die Festigkeitseigenschaften und Methoden der Dimensionsberechnung u.s.w., Leipzig 1889. – [3] Martens, Handbuch der Materialienkunde für den Maschinenbau, I, Berlin 1898, S. 207. – [4] Tetmajer, Die angewandte Elastizitäts- und Festigkeitslehre, Leipzig und Wien 1904, S. 2.

Weyrauch.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 388.
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