Personalfehler

[69] Personalfehler (persönliche Gleichung). Die damit bezeichneten Erscheinungen sind für alle Beobachtungswissenschaften im Interesse der Kritik unsrer Sinneswahrnehmungen von größter Wichtigkeit; allerdings sind die durch die beobachtenden Persönlichkeiten veranlaßten Fehler meist so gering, daß sie nur bei der Vergleichung sehr genauer Beobachtungen merkbar werden.

Die persönlichen Fehler werden durch die Unvollkommenheit unsrer Sinne in die Resultate der Beobachtungen hineingebracht. Sie setzen sich im allgemeinen zusammen aus dem nicht momentan In-Funktion-Treten unsrer Gesichts-, Gehör- und Tastsinne. Bei verschiedenen Personen sind die Zeiten, die verstreichen zwischen dem durch das Auge empfangenen Eindruck eines Phänomens und dem durch das Gehör auf die Uhr oder den Chronographen übertragenen Momente sehr verschieden. Diese Unterschiede können bis zu 1 Sekunde und darüber gehen. Ebenso ist es mit Auge und Tastsinn (vgl. Chronograph und Zeitbestimmung). Nicht nur mit Bezug[69] auf den Zeitunterschied treten solche »persönliche Fehler« auf, sondern auch bei der Schätzung von Helligkeiten der Gestirne und, durch die verschiedene Helligkeit wiederum beeinflußt, gewisse Zeitauffassungen. Auch bei der Ablesung von Teilungen spielt individuelle Auffassung eine Rolle, indem z.B. gewisse Unterabteilungen (d.h. Zehntelschätzungen) von verschiedenen Personen in ungleicher Weise gemacht werden. Auch hat sich bei der Messung der Positionswinkel zwischen Doppelsternen, d.h. des Winkels, den die Verbindungslinie beider Sterne eines solchen Systems mit dem Stundenkreise machen, eine merkwürdig große Verschiedenheit zwischen sonst sehr geübten Beobachtern herausgestellt. Alle diese Fehler sind aber nicht nur zwischen verschiedenen Personen verschieden, sondern sie erleiden auch merkbare Schwankungen, je nach der Tageszeit oder im Laufe der Jahre oder auch je nach der gerade vorhandenen Disposition des betreffenden Individuums. Man spricht von relativer oder schlechthin persönlicher Gleichung und meint den Unterschied zwischen zwei oder mehreren Personen; man kann aber auch von absoluter persönlicher Gleichung sprechen, wenn man damit die Verschiedenheit der Auffassung einer Person gegen den wirklichen Vorgang des Ereignisses meint. Sowohl die erstere als auch die letztere zu messen gibt es eine größere Anzahl von Methoden; im letzteren Falle werden die Bedingungen nur dadurch erheblich erschwert, als es eben nicht leicht ist, in objektiver Weise den Eintritt eines Phänomens festzulegen. In der Astronomie, Physik und Physiologie spielen diese Vorgänge eine große Rolle, wenn es sich darum handelt, Beobachtungsresultate, die von verschiedenen Personen und zu verschiedenen Zeiten erlangt wurden, scharf miteinander vergleichbar zu machen. Ohne hier weiter auf die zum Teil sehr schwierigen Fragen einzugehen, mag noch auf die äußerst umfangreiche Literatur, von der nachstehend einige besondere Werke herausgegriffen sind, hingewiesen werden. – Man hat auch mehrfach besondere Apparate gebaut, die zur Bestimmung der persönlichen Gleichung dienen sollen, und andre, die geeignet erscheinen, deren Einfluß auf die Beobachtungen zu eliminieren.


Literatur: Zeitschr. f. Verm. 1896, S. 103 ff. – Sitzungsber. d. Preuß. Akad. d. Wiss., Berlin 1886, S. 1055. – Seeliger, Ueber den Einfluß dioptrischer Fehler des Auges auf das Resultat optischer Messungen, München 1886. – Hirsch, L'équation personelle, Neuchatel 1864. – Mém. Bd. 8 der Ann. Observ., Paris 1866. – The personal equation machine of the Royal Observ. Greenwich, Monthly Notices 1887. – Beschreibung eines Apparats zur Bestimmung des persönlichen Fehlers bei Durchgangsbeobachtung, Haag 1889. – Abhandl. Königsberger Beobachtungen, 8. Abt., S. III, mit zwei Nachträgen in der 11. Abt., S. IV, 18. Abt., S. IV; aufgenommen in die Abhandlungen, herausgegeben von Engelmann, Bd. 3. Leipzig 1876, S. 300. – Dreyer, Personal Errors in Astronom. Transit Observ., Dublin 1876. – Wislicenus, Untersuchungen über die absoluten persönlichen Fehler bei Durchgangsbeobachtungen, Leipzig 1888. – Stroobant (sehr schöne Versuche) in Carls Repert., Bd. 113 (1891), Nr. 15, und Bd. 115 (1892), Nr. 26. – André und Gonnessiat, ebend. Bd. 114 (1892), S. 157 und 893. – Lagarde, Bull. Astron. (Tisserand), Bd. 12, 1895, S. 241. – Braun, Das Passagenmikrometer, Leipzig 1865. – Neuer Vorschlag zur Vermeidung des persönlichen Zeitfehlers bei Durchgangsbeobachtungen, Astron. Nachr. Nr. 2940, Bd. 123 (1890), S. 177. – Becker, ebend. Bd. 127 (1891), S. 185. – (Albrecht), Astronom.-geodät. Arbeiten erster Ordnung, Längenbestimmungen, 1890, 1891, 1893, Berlin 1895 (Preuß. Geod. Institut), S. 67. – Verhandlungen der Perm. Kommission der internationalen Erdmessung zu Innsbruck 1894, Berlin 1895, S. 59/60, 229/30. – Repsold selbst in Astron. Nachr., Bd. 141, Nr. 17 (Nr. 3377) 1896, mit Tafel; Richtigstellung der Angaben von Albrecht. – Ambronn, L., Handbuch der astronom. Instrumentenkunde, Bd. 2, S. 1027 ff. – Struve, H., Ueber die Verbindung eines Uhrwerkes mit dem unpersönlichen Mikrometer von Repsold, Astron. Nachr. 1901, Bd. 155, Nr. 3719, und Vierteljahrsschr. der Astron. Ges., Bd. 33, S. 135.

Ambronn.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 69-70.
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