[502] Luftverkehr. Das Luftfahrtwesen hat in den letzten Jahren eine so beträchtliche Steigerung erfahren, daß eine gesetzliche Regelung zur Notwendigkeit geworden ist. 1913 sind in Deutschland 14000 Personen mit Luftschiffen befördert worden; in Johannisthal, dem allerdings größten Flugplatz Deutschlands, wurden an 336 Flugtagen 36000 Flüge mit insgesamt 327000 km Luftweg ausgeführt.
Wenn auch die Anzahl der Unglücksfälle ständig zurückgegangen ist sie betrugen 1911 0,84, 1912 0,61 und 1913 0,3% der ausgeführten Flüge so sind schon gesetzliche Bestimmungen über die Haftpflicht ein unerläßliches Erfordernis. 1910 fand auf Einladung der französischen Regierung eine Konferenz statt, welche das Ziel verfolgte, den Luftverkehr international zu regeln. Trotz der eingehenden Verhandlungen wurde das Ziel nicht erreicht, man kam über die Vorarbeiten nicht hinaus. Das Deutsche Reich besitzt nur mit Frankreich einen internationalen Verkehrsvertrag, welcher diejenigen Fälle regelt, in welchen im Nebel Luftschiffe auf fremdem Boden landen. Im übrigen hat man sich bisher auf die nationale Regelung beschränken müssen. England besitzt bereits ein Gesetz mit dem wesentlichen Zweck, fremde Luftfahrzeuge von seinem Boden fernzuhalten. Auch Frankreich hat bereits den nationalen Luftverkehr gesetzlich geregelt; Oesterreich besitzt eine diesbezügliche Ministerialverordnung. In der Sitzung vom 12. März 1914 wurde endlich dem Deutschen Reichstage ein Entwurf für ein Luftverkehrsgesetz vorgelegt, welcher sich in drei Teile gliedert. Der erste Abschnitt enthält die Bestimmungen über den Verkehr und geht von dem Grundgedanken aus, daß die Erprobung neuer Fahrzeuge grundsätzlich auf den Flugplätzen erfolgen soll. Der zweite Abschnitt handelt von den Luftfahrunternehmungen und fordert weitgehende Vollmachten für den Bundesrat, weil gerade auf diesem Gebiet noch wenig Erfahrungen vorliegen und immer neue Erfindungen gemacht werden, der Bundesrat daher nicht an starre Bestimmungen gebunden, sondern bis zu einem gewissen Grade freie Hand haben soll. Der dritte Teil regelt die sehr wichtigen Haftpflichtfragen, er lehnt sich stark an das Automobilgesetz an. Der Entwurf, der voraussichtlich mit einigen Abänderungen, namentlich Erweiterungen der Haftpflicht, Gesetz werden dürfte, wurde einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen. Ende März 1914 hat Lübbecke-Stuttgart in einer Eingabe dem Reichstag den Vorschlag unterbreitet, in das Gesetz eine Bestimmung aufzunehmen, daß Luftschiffe nur dann zugelassen werden sollen, wenn sie Schotteneinteilung besitzen, und wenn der Versuch erweist, daß das Schiff eine Höhe von 1500 m ohne Gasausströmung erreichen kann. Das Ausströmen großer Gasmengen aus den Gaszellen war bisher die Ursache vieler Unfälle und dürfte es auch noch in Zukunft sein.
Fünfstück.
Lueger-1904: Luftverkehr [2]