Kautschuk [4]

[329] Kautschuk , künstlicher.

Hofmann hatte 1909 gefunden, daß sich das aus Abkömmlingen des Steinkohlenteers hergestellte chemisch reine Isopren (C5H8) durch Wärmepolymerisation in Kautschuk überführen läßt. Des weiteren läßt sich das niedere und das höhere Homologe des Isoprens, das bei gewöhnlicher Wärme gasförmige Butadien (C4H6) und das bei etwa 70° C siedende Dimethylbutadien oder Methylisopren (C6H10) in kautschukähnlichen Erzeugnisse umwandeln. Methylisopren läßt sich am einfachsten und billigsten herstellen, weshalb auch zuerst der Methylkautschuk, der spätere »Kriegskautschuk« hergestellt wurde. Es zeigte sich jedoch, daß dieses Erzeugnis sehr empfindlich gegen Luftsauerstoff war und Schwefel im Vulkanisierverfahren nur schwer aufnahm. Man fand dann, daß der Zusatz von Piperidin und ähnlichen Stoffen diese Uebelstände zum Teil beseitigte und gelangte so zur Herstellung eines durchaus einwandfreien Hartgummis. Elastische Weichvulkanisate erzielte man durch Zusatz von Dimethylanilin und anderen als Elastikatoren wirkenden Stoffen. Durch Vulkanisation mit 50% Schwefel ließ sich ein vollwertiger Hartgummi herstellen, der dem aus Parakautschuk und Regenerat erzeugten Hartgummi in seiner Druckfestigkeit gleich und durch seine elektrische Widerstandsfähigkeit sogar um etwa 20% überlegen ist. Nachdem die Gewinnung des Acetons aus Acetylen möglich war, ließ sich der Kohlenwasserstoff in genügender Menge herstellen, ebenso wird jetzt das zur Herstellung notwendige Aluminium aus deutschem Ton und nicht mehr aus ausländischem Beauxit erzeugt. Die Polymerisation der Kohlenwasserstoffe zu dem zähen Kolloid dauert fast 4 Monate, man ist aber heute in der Lage etwa 2000 t Kautschuk[329] (etwa 1/3 unseres Friedensbedarfs) in deutschen Fabriken herzustellen. Der Methylkautschuk findet bis jetzt Verwendung für Vollgummireifen bei Lastautos, für Reifendecken bei Personenautos, Kabel der Fernsprechapparate, Ballonstoffe und manche andere Gegenstände, darunter auch Zahngummi.


Literatur: Umschau 1919, 8. Jahrg.

Mezger.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 329-330.
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