Typhafaser

[647] Typhafaser [1]. Von den etwa 12 bekannten Spezies des Kolbenschilfes, der Typha, kommen für die Fasergewinnung hauptsächlich nur Typha latifolia L. und T. angustifolia L. in Betracht, die unsere Seen, Teiche und Sümpfe in Mitteleuropa oft auf weite Strecken hin bedecken.

Die Samenhaare eignen sich wegen ihrer Sprödigkeit weniger zum Verspinnen, sie werden von der Jata-Zietz-Gesellschaft Dresden zu Watten u.s.w. verarbeitet [2]. Als Spinnfasern kommen aber die Bastfasern der Pflanze besonders in Betracht. Da die Ausbeute verhältnismäßig hoch ist (etwa 33% des Trockengewichts), spielt sie als Ersatzfaser und Streckungsmittel, je nach dem Grade der Aufschließung, für Flachs, Hanf, Jute, Wolle u.s.w., neuerdings für die Herstellung von Decken, Matten, Tauen, Seilerwaren, Konfektionsstoffe, Teppichen u.s.w. eine erhebliche Rolle. Gegen Ende 1916 wurde die Studienkommission für Typhaforschung in Berlin und Anfang 1917 die Deutsche Typhaverwertungsgesellschaft in Charlottenburg gegründet. Als Aufschließungsverfahren sind die von Prof. Hoering [3] und von Claviez zu nennen. Die Sächsische Kunstweberei Claviez, A.-G. in Adorf i. V., verarbeitet die durch ein Gefrierverfahren besonders weich gemachte Typha als Wollstreckmittel bei der Herstellung von Konfektionsstoffen und Teppichen. Gebauer, Charlottenburg [4], stellt aus Typha elastische Walzen für Naßkalander her.

Die »technische« Faser, welche noch Faserbündel darstellt, hat je nach dem Grade der Aufschließung in den Gespinsten Längen bis zu 600 mm, i. M. z.B. 125 mm, bei einer mittleren Faserfeinheit von etwa 200 μ, während die Elementarfaser nur rund 0,3 bis 1,8, i. M. 0,7 mm lang ist bei einer mittleren Dicke von 10 μ; Aschegehalt 1,5%. Der Feuchtigkeitsgehalt der lufttrockenen Faser wurde bei 55% rel. Luftfeuchtigkeit und 17° C Wärme zu 9,3% ermittelt; die Reißlänge der Faser zu 9 km, was bei einem spezifischen Gewicht der Faser von 1,55, also rund 14 kg/qmm entsprechen würde. Die Untersuchung von mittelgedrehten Garnen, die 24 Stunden gewässert waren, zeigten für die Gespinste nur etwa 50% Festigkeitsabnahme für den feuchten Zustand.


Literatur: [1] Neue Faserstoffe 1919, S. 160. – [2] D.R.P. Nr. 298360, 305578 der Klasse 29b, Gruppe 2. – [3] D.R.P. Nr. 303933 und 308426. – [4] D.R.P. Nr. 318475; Papierfabrikant 1920, S. 62.

Ernst Müller.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 647.
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