[859] Bilderdijk (spr. -daik), Willem, berühmter niederländ. Dichter, geb. 7. Sept. 1756 in Amsterdam, gest. 18. Dez. 1831 in Haarlem. Durch einen Spielkameraden am Fuße verletzt, war B. an elf Jahre an die Stube gefesselt; dies Leiden mag mit Ursache gewesen sein zu der innerlichen Verstimmung, von der er sich in seinem ganzen spätern Leben nicht freimachen konnte, und die seinem Charakter und seinem Schaffen den Stempel ausdrückte. Er begann frühzeitig zu dichten und war, als er 1780 die Universität Leiden bezog, um die Rechte zu studieren, bereits, 1774 für ein Gedicht preisgekrönt, eine Berühmtheit. Von 17821787 war er im Haag als Advokat tätig, 1785 vermählte er sich mit Katharina Rebekka Woesthoven, mit der er in höchst unglücklicher Ehe bis 1795 zusammenlebte. In diesem Jahre verließ er sein Vaterland, nachdem er sich als eifriger Orangist bei dem Einbruch der Franzosen geweigert hatte, den Beamteneid zu leisten. Seine Frau folgte ihm nicht, 1802 wurde die Ehe gesetzlich getrennt. B. ging zuerst nach [859] Hamburg, dann nach London, wo er in Katharina Wilhelmina Schweickhardt, der Tochter eines niederländischen Malers, eine begeisterte Schülerin fand, die ihm 1797 nach Braunschweig folgte und bis an ihr Lebensende seine treue Gefährtin blieb. Sie selber (geb. 1776 im Haag, gest. 1830 in Haarlem) war eine fruchtbare und vielseitige Dichterin. Ihre vollständigen »Dichtwerken« erschienen Haarlem 18581860 in 3 Bänden. In Braunschweig, wo ihm der Herzog eine kleine jährliche Pension aussetzte, war B. ungemein tätig, auch als juristischer Schriftsteller (»Observationes et emendationes juris«, Braunschw. 1806) und kehrte 1806 nach Holland zurück, wo er Bibliothekar Ludwig Napoleons wurde. Nach Ludwigs Abdankung verlor er seine Stellung und hatte mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, trotz seiner ziemlich beträchtlichen Einnahmen als Schriftsteller. Von 181727 wirkte er in Leiden als Privatdozent der Geschichte, wo er eine reiche Tätigkeit auf sprachgeschichtlichem Gebiet entfaltete. Mit I. Grimm stand er im regsten Briefwechsel. Vgl. »Brieven van W. B.« (Teil 3, Amsterd. 1837). 1827 siedelte er nach Haarlem über, wo er vier Jahre später einsam und verbittert starb. Als Dichter entfaltete B. eine ungemein fruchtbare und vielseitige Tätigkeit. In die erste Periode seines Schaffens fallen seine Übertragungen von Sophokles, Homer, Ovid, Horaz etc. Große, aber durchaus nicht unbestrittene Anerkennung fand er als Romanzendichter (»Elius«, »Urzijnen Valentijn«), noch größere als lyrischer Dichter, obwohl seine Lyrik der warmen Gefühlstöne völlig entbehrt und mehr durch die souveräne Beherrschung der Form fesselt. In rascher Aufeinanderfolge erschienen: »Mengelpoezij« (1799, 2 Bde.); »Poezij« (18031807, 4 Bde.); »Mengelingen« (18041808, 4 Bde.); »Nieuwe Mengelingen« (1806, 2 Bde.). 1807 veröffentlichte er das Lehrgedicht »De ziekte (Krankheit) der geleerden«, das in Holland als sein poetisches Hauptwerk gilt. Sein Epos »De ondergang der eerste wareld« (1809), bedeutender als jenes, blieb Fragment. Auch als dramatischer Dichter versuchte er sich (»Floris V.«, »)Villem van Holland«, »Kornak«). Die Befreiung des Vaterlandes feierte er in der Dichtung »Hollands verlossing« (181314, 2 Bde.). Als historischer Schriftsteller machte er sich verdient mit der erst nach seinem Tode herausgegebenen »Geschiedenis des vaderlands« (Amsterd. 183251, 13 Bde.), deren 9. Band Bilderdijks Selbstbiographie enthält. Eine Gesamtausgabe seiner »Dichtwerken« besorgte Da Costa (Haarl. 185659,16 Tle.), deren Schlußband die Biographie des Dichters: »De menschen de Dichter B.« bringt; neuere Auswahlen gaben I. van Vloten, I. Koenen, R. A. Kollewijn und A. Verwey heraus. Vgl. Allard Pierson in der Monatsschrift »De Gids« (1886); Jan te Winkel, B., lotgenoot van Multatuli (Haarlem 1890), und R. A. Kollewijn, B., zijn levenen zijn werken (Amsterdam 1891, 2 Bde.).