Theater

Zur Tafel ›Theaterbau I-III‹.

Bei der Anordnung des Äußern wird in zweierlei Weise verfahren. Früher war üblich, das ganze Chaos der verschiedensten Innenräume unter eine größere, einheitliche Außenarchitektur zusammenzufassen (Berliner und Wiener Oper, Theater in Frankfurt a.M., altes Dresdener Theater), während man neuerdings, gewiß gesünder, bestrebt ist, die einzelnen Hauptgebäudeteile, Bühnenhaus, Zuschauerraum, Treppen, Foyers etc., durch Gruppierung des Gebäudes auch nach außen charakteristisch in die Erscheinung treten zu lassen (Pariser Oper, neues Dresdener Theater, neues Hofburgtheater Wien). Im Innern kommt ästhetisch als eigenartiger Raum nur der Zuschauersaal in Betracht. Die Schwierigkeit seiner künstlerischen Bewältigung liegt in der Vermittelung der verschiedenen Maßstäbe, die sich aus der großen Bühnenöffnung einerseits und den vielfachen Rängen anderseits ergeben. Eine besonders gelungene Lösung bietet in dieser Beziehung die Pariser Oper.

Von besonderm Einfluß auf die bauliche Einrichtung des Theaters ist seit den großen Theaterbränden von Nizza und Wien (1880 u. 1881) ihre Sicherung gegen Feuersgefahr geworden. Die in dieser Beziehung nötigen Vorkehrungen erstrecken sich zunächst auf Herstellung eines feuersichern und unverbrennlichen baulichen Bestandes der Theater. Gegen Feuersgefahr von außen sind diese besonders durch ihre Lage zu sichern. Am besten stehen sie frei auf Plätzen; eingebaute Theater müssen sorgfältig durch Brandmauern etc. gegen die Nachbarhäuser geschützt sein. Lage in Höfen oder Gärten hinter Vordergebäuden ist zu vermeiden. Gegen innere Gefahr sind an ein Theater die Anforderungen zu stellen, die nach herrschender Anschauung für ein feuersicheres Gebäude überhaupt gelten. Aber auch die Bühnenmechanismen haben tunlichst diesen Forderungen zu entsprechen. Weitestgehende Ausschließung von Holz wird dabei heute nicht verlangt. Auch Imprägnierungen gelten als überflüssig; hingegen sollen für Dekorationen etc. möglichst unverbrennliche Stoffe (Asbest u. dgl.) angewendet werden. Wohnungen, Restaurationen mit Küchenbetrieb, Malersaal und Hauptkulissenmagazine sind, wenn angängig, aus dem Theater fernzuhalten, ebenso die Heizstellen der Zentral- (Dampf-, Wasser-) Heizung. Der Gasbeleuchtung ist die mit elektrischem Lichte vorzuziehen, für größere Theater geboten. Fast wichtiger als diese Herstellung feuersicherer Bau- und Betriebssubstanz, die in Theatern doch nur unvollkommen zu erzielen ist, ist die Sicherung der dort verkehrenden Personen. Panik ist oft fast so gefährlich wie Brandfall. Deshalb ist vor allem für die Möglichkeit schneller und gefahrloser Entleerung des Hauses (normal in 4 Minuten) zu sorgen. Dazu sind Gänge, Treppen, Türen, Flure, Durchfahrten richtig und hinlänglich breit anzulegen. Alle Räume sind durch ausgiebige Entlüftung vor Verqualmung zu schützen. Bühnenhaus und Zuschauerhaus sind durch feuerfeste Trennungswand mit ebensolchem Vorhange streng zu sondern. Selbsttätige Mechanismen sind dabei zu vermeiden. Für genügendes Feuerwachtpersonal wie selbstverständlich für ausgiebige Löschmittel ist zu sorgen. Von den seinerzeit beliebten Regenapparaten ist man abgekommen, dagegen sind zahlreiche Hydranten erwünscht. Unter den Entwürfen, die Anfang der 1880er Jahre unter dem Eindruck der damaligen großen Theaterbrände entstanden, ragt der der Wiener Asphaleia-Gesellschaft hervor. Seine Einrichtungen entsprechen im großen Ganzen den angeführten Gesichtspunkten, wenn sie auch durch diese zum Teil überholt sind. Haupteigentümlichkeiten sind die Anordnung eines den Zuschauerraum konzentrisch umgebenden, seine kräftige Entlüftung bezweckenden Ventilationsringes und ebenfalls konzentrischer Ringfoyers, die gleichzeitig als Korridore und Treppenhaus dienen. Daneben enthält der Asphaleia-Entwurf eine durchgreifende, wohl zu weit gehende Veränderung der Bühneneinrichtung, insofern die gebräuchlichen Mechanismen größtenteils durch hydraulischen Betrieb ersetzt werden.

Ein Teil der Asphaleia-Vorschläge hat in verschiedenen neuern Theatern Verwirklichung gefunden, die Bühneneinrichtung vornehmlich in dem 1885 durch N.v. Ybl erbauten königlichen Opernhaus in Budapest, das als Beispiel eines neuern großen Theaterbaues auf Tafel II dargestellt ist. Zu den Eigentümlichkeiten des bei diesem Theater teilweise in Anwendung gekommenen Asphaleia-Systems gehört der Ventilationsring, an den sich in den einzelnen Stockwerken das Vestibül, die Foyers, Treppenhäuser, Garderoben und Büfette nebst den beiden seitwärts angebrachten, gedeckten Unterfahrten, und zwar durchweg in einer Weise anschließen, welche die Sicherheit und Bequemlichkeit der Theaterbesucher vollkommen wahrt. Zur Verbesserung der Akustik und Lüftung ist der eiserne Plafond muschelartig gewölbt und aus zwei Böden, wovon der untere zwecks Aufsaugung schlechter oder Zuführung frischer Luft siebförmig durchlöchert ist, zusammengesetzt. Auch ruht er nicht auf der Galeriebrüstung, sondern auf dem Ventilationsring, wodurch auch die Galeriebesucher einen freien Ausblick auf die Bühne genießen.

Mit den Hauptneuerungen ist die Bühne ausgestattet, die (das Podium ausgenommen) mit Ausschluß von Holz konstruiert ist. Das Podium ist seiner Breite nach in mehrere Podienstreifen, sogen. Gassen, zerlegt, wovon jeder für sich oder mit den andern um je 2,5 m gesenkt oder um je 4,5 m gehoben werden kann. Diese Bewegung wird, wie der umstehende Querschnitt zeigt, durch hydraulische Pressen bewirkt, deren Stempel zugleich die Träger jener Gassen unterstützen, und durch das Öffnen oder Schließen eines Hahnes erzielt, der den Zufluß des unter einem bestimmten Druck stehenden Wassers zum Preßzylinder regelt. Jede Gasse enthält wieder drei nebeneinander befindliche Versenkungen, die ebenfalls auf hydraulischen Pressen ruhen und in ähnlicher Weise um 5 m gesenkt oder um 6,5 m gehoben werden können. Mit Hilfe dieser hydraulisch zu bewegenden Versenkungen lassen sich Terrassen, Serpentinen, Brücken, Balkone, ja bei abwechselndem Öffnen und Schließen der Wasserhähne selbst Schaukelbewegungen des Podiums oder seiner Teile hervorbringen. Zwischen den einzelnen Gassen sowie an beiden Seiten der Bühne sind Klappen angebracht, durch die man nicht nur ganze Dekorationen, sondern auch ganze Zimmer bis zu einer Höhe von 8 m heben kann. Bei dem Schnürboden werden die Soffittenzüge durch lange Züge ersetzt und hierbei nur Drahtseile verwendet. Alle Züge können ebenso wie die Versenkungen hydraulisch von unten bewegt werden, wodurch das gefährliche Betreten des Schnürbodens und der Soffittenbrücken wegfällt. Dafür ist in jeder Gasse ein Flugapparat eingeschaltet, der nicht bloß an jeden Punkt derselben gelenkt, sondern auch in beliebigen Lagen bewegt werden kann.

Der Abschluß des Zuschauer- und Bühnenraums wird durch einen ebenfalls hydraulisch bewegten Blechvorhang geschlossen. Die vielfach störende Rampenbeleuchtung ist durch eine seitliche Beleuchtung mittels elektrischen Lichtes ersetzt, zu welchem Zweck in der Mauer der Proszeniumsöffnung eine nur gegen die Bühne hin offene Hohlkehle angebracht ist, welche die Lampen aufnimmt. Die schwierig zu handhabenden, oft durch ihre ungleiche Beleuchtung störenden Luftsoffitten sind durch einen sogen. Horizont, ein mit Wolken bemaltes, senkrecht herabhängendes Dekorationsstück, das die ganze Bühne umgibt und sich hinreichend hoch, im Budapester Theater 19 m, über das Podium erhebt, ersetzt.

Der auf der Tafel dargestellte Längsschnitt des Opernhauses in Budapest gibt ein anschauliches Bild dieser ganzen Einrichtung, deren einzelne Teile mit fortlaufenden Zahlen bezeichnet und demgemäß mit den ihrem Zweck entsprechenden Benennungen versehen sind. Zu erwähnen ist noch, daß der Zuschauerraum, wie die beiden Grundrisse zeigen, hufeisenförmig angelegt, und daß das Proszenium in Gestalt eines Triumphbogens zwischen Bühne und Zuschauerraum eingeschaltet ist. Der Orchesterraum ist vertieft und mit einer zierlichen Eisengirlande eingefaßt. In den mit 18 bezeichneten Mischraum treiben zwei große, von einem Gasmotor bewegte Ventilatoren die frische Luft ein, von wo diese, entsprechend vorgewärmt, durch gemauerte Kanäle in den Zuschauerraum gelangt. Die schlechte Luft wird durch den Kronleuchterschacht (20) und zahlreiche andre Luftabzugsschlote entfernt.

Tabelle

Die Effektbeleuchtung der Bühne wird durch elektrisches Licht bewirkt, wobei vier durch zwei zwölfpferdige Gasmaschinen bewegte Dynamomaschinen zur Verfügung stehen. Die Beleuchtung des Hauses wird aus ökonomischen Gründen durch Gas bewirkt. Zwischen Zuschauerraum und Bühne befindet sich der eiserne Vorhang, während die Bühne mit einem eisernen Dachstuhl überdeckt ist. Die Bewegung des ganzen Bühnenapparats, den der Längsschnitt unter 21, 22 und 23 sowie der obenstehende Querschnitt durch die Bühne deutlich darstellt, geht von einer zwölfpferdigen Gasmaschine aus, welche die von einem unter dem Zuschauerraum befindlichen Brunnen gespeiste Wasserpumpe in Tätigkeit setzt.

Der Urheber der Maschineneinrichtung des Asphaleia-Systems ist der Wiener Ingenieur Robert Gwinner, nach dessen Plänen seitdem diese Bühneneinrichtung unter anderm beim Landestheater in Prag, den neuerbauten Theatern in Halle a.S., Göggingen bei Augsburg, dem Drurylane-Theater in London, dem großen Theater in Chicago etc. Anwendung gefunden hat.

Um den häufigen, dem Gesamteindruck eines Schauspiels schädlichen Szenenwechsel, unter dem besonders Dramen von Shakespeare, Goethe und Schiller zu leiden haben, auf das geringste Maß einzuschränken, sind in neuester Zeit verschiedene Versuche mit Hilfe der modernen maschinellen Technik und der Elektrotechnik gemacht worden, die bisher aber noch nicht zu allgemeiner Geltung gelangt sind. Die von Otto Devrient wieder belebte mittelalterliche Mysterienbühne in drei Stockwerken (besonders für Faustaufführungen) hat nur noch historisches Interesse. Die von Lautenschläger in München erdachte und 1889 zuerst erprobte Shakespearebühne besteht aus einer unveränderlichen Vorderbühne und einer von dieser durch eine Gardine getrennten Hinterbühne, deren Dekorationen bei geschlossener Gardine während der Szenen gewechselt werden, die sich auf der Vorderbühne abspielen (s. den untenstehenden Grundriß). Den Mängeln, die diesem Versuch anhaften, suchte Lautenschläger durch die Erfindung einer Drehbühne abzuhelfen, die im Mai 1896 im Residenztheater zu München bei einer Don Juan-Aufführung zuerst erprobt wurde und inzwischen Nachahmung gefunden hat. Nach diesem System wird die Beschleunigung des Szenenwechsels durch eine auf dem gewöhnlichen Bühnenpodium aufgestellte Drehscheibe von 16 m Durchmesser bewirkt, die dem Beschauer nicht ganz den Abschnitt eines Viertelkreises zukehrt. Während auf diesem ein Akt oder eine Szene gespielt wird, nach denen ein Dekorationswechsel nötig ist, werden auf dem folgenden Viertelkreise die Dekorationen, Versatzstücke, Möbel etc. für die folgende Szene gestellt, und da die Bewegung der Drehscheibe durch elektrische Kraftübertragung geschieht, nimmt die Verwandlung der Szenerie, wobei der Zuschauerraum verdunkelt wird, nur wenige Minuten in Anspruch. Gegenüber großen Vorteilen ist als ein Nachteil hervorzuheben, daß bei der Teilung der Drehscheibe in unregelmäßige Kreisabschnitte (Tafel III, Fig. 2 u. 3) der volle Bühnenraum niemals gänzlich ausgenutzt werden kann und die perspektivische Verschiebung des Bühnenbildes, welche die Drehung mit sich bringt, den Beschauern nur die Aufnahme malerischer Einzelheiten, nicht eines vollen Gesamtbildes gewährt.


Theaterbau I.
Theaterbau I.
Theaterbau II.
Theaterbau II.
Theaterbau III.
Theaterbau III.
Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909.
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