[355] Deutsches Theater. Die Anfänge desselben sind die Fastnachtsspiele und Mysterien des Mittelalters (s. deutsche Literatur), aber eine selbstständige Entwicklung der dramat. Kunst fehlt den Deutschen. Was nach dem 30jährigen Kriege gethan wurde, war Nachahmung des franz. oder ital. Theaters, mit deutschem Schwulst ausstaffirt; erst Lessing rief eine deutsche Bühne ins Leben, sowohl durch seine Dramaturgie als eignen Leistungen; ebenso führte er das engl. Drama in Deutschland ein. Die dadurch bewirkte Läuterung des Geschmacks hatte eine bessere Schauspielkunst zur natürlichen Folge; als ihr Begründer gilt Eckhoff. Nach Lessing artete aber das sog. bürgerliche Schauspiel, das er hervorgehoben hatte, in die sog. weinerliche Komödie aus, die in Deutschland eine Unzahl von Stücken producirte. Göthe schuf endlich das geniale Drama Götz von Berlichingen, das wie ein Blitzstrahl in die weinerliche Komödie einschlug; allein die Wirkung war zunächst nur die, daß die weinerliche Komödie den Ritterschauspielen Platz machte, die durch Toben u. Lärmen die deutsche Urkräftigkeit darstellen wollten. Göthe und Schiller machten diesem Unwesen durch ihre dramat. Arbeiten ein Ende, allein Schiller st. zu früh u. nun wurde seine antike Schicksalsidee von Müllner etc. zu den schauerlichen (oder lächerlichen) Schicksalstragödien verwendet, so wie seine hohe Sprache die minder begabten Geister zu Declamationsdramen verführte. Das Lustspiel gedieh nicht; Kotzebue, der vielleicht die Fähigkeit besaß, zog es vor trivial zu bleiben; die naturwüchsige Volksposse allein erreichte auf dem Leopoldstädter Theater in Wien die Höhe des Burlesken; ihre Ausbildung zur eigentlichen Komödie, zum Höheren, Komischen, ist aber bisher ausgeblieben. Die Schauspielkunst selbst hat sich nach jeder Richtung glänzend entwickelt (Neuber, Schröder, Fleck, Beil, Iffland, Schwarz, Beschort, Brockmann, Eßlair, Wolff, Ludw. Devrient, Seydelmann etc., die Komiker Laroche, Schuster, Raimund etc.). Die Oper erhielt durch Gluck, Mozart und C. M. v. Weber ihre Vollendung; für sie ist in Deutschland von Höfen und Städten mehr gethan worden als für das Drama, obwohl dasselbe mit unverhältnißmäßig größerer Munificenz unterstützt wurde als irgend ein anderer Zweig der Dichtkunst oder Wissenschaft. Die neueste Zeit hat offenbar über einen Rückschritt des deutschen Theaterwesens zu klagen; wie in der Lebensweise, in der Sprache, Politik, Literatur etc. ahmt man die Franzosen nach und findet sein Wohlgefallen an künstlichen Effecten, aufreibenden Gegensätzen, an dem Schimmernden, so daß Ueberreiz und Abstumpfung einander die Hand bieten.
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