Padua.

[85] Diese Stadt ist in neuern Zeiten durch den Aufenthalt des berühmten Komponisten und Geigers Tartini so bekannt geworden, als in alten Zeiten dadurch, daß der Geschichtschreiber T. Livius hier gebohren war. Tartini starb wenige Monathe vor meiner Ankunft hieselbst, ein Zufall, den ich als ein besonders Unglück für mich ansah, so wie er ein Verlust für die ganze musikalische Welt war. Er war ein Virtuos mit dem ich mich so gern über seine Kunst unterredet hätte, als ich wünschte, ihn spielen zu hören. Ich besuchte mit allem Eifer eines Pilgrims zu Mecca, die Strasse und das Haus, worin er gewohnt hatte; die Kirche und das Grab, worin er begraben war; sein Grabmaal, seinen Nachfolger, den Vollzieher seines letztens Willens, ja alles, auch das geringste, was mir nur einige Nachricht von seinem Leben und Charakter geben konnte. Und obgleich, seit seinem Tode, alle diese Nachrichten eigentlich historisch geworden sind, und nicht völlig zu dem gegenwärtigen Zustande der Musik gehören: so würde ich doch sehr gern meinen Lesern einen Abriß von seinem Leben vorlegen, wenn die von mir im Venetianischen gesammleten Bücher und Papiere, worunter auch die Materialien zu Tartini's Leben sich befinden, schon angelanget wären. Dennoch kann ich nur sagen, daß er 1692. zu Pirano in Istrien gebohren war; daß sein Vater ihn in seiner ersten Jugend,[86] als er eine Neigung gegen ein junges Frauenzimmer verrieth, welche seine Familie für unwerth hielt, sich mit ihr zu verbinden, einsperrte; und daß er während dieses Arrestes sich mit musikalischen Instrumenten die Zeit vertrieb, um seine Schwermuth zu zerstreuen. Es war also ein blosser Zufall, wodurch er in sich die Keimen jener Talente entdeckte, die in der Folge so ausserordentlich wurden.

Hr. de la Lande versichert, folgende sonderbare Anekdote aus seinem eigenen Munde zu haben, woraus man sieht, bis zu welchem Grade seine Einbildungskraft durch den Geist der Komposition befeuret wurde. »Es träumete ihn in einer Nacht 1713. er habe ein Bündniß mit dem Teufel gemacht, der ihm versprach, bey aller Gelegenheit zu seinen Diensten zu seyn; und während dieses Traums gelänge ihm alles nach Wunsche. Sein neuer Diener kam seinen Wünschen zuvor, und that allemal noch mehr, als er verlangte. Kurz, es kam ihm vor, als ob er dem Teufel seine Violine gäbe, um zu sehen, was für eine Art von Tonkünstler er wäre. Zu seinem grossen Erstaunen hörte er ihn ein Solo so ausserordentlich schön spielen, und es mit so ungemeinem Geschmacke und mit solcher Genauigkeit vortragen, daß es alles übertraf, was er in seinem Leben je gehört oder gedacht hatte. Seine Verwunderung und sein Vergnügen war bey dieser Gelegenheit so groß, daß er ausser Stand gesetzt wurde, Athem zu schöpfen. Er[87] erwachte in der Heftigkeit dieser Empfindung, nahm so gleich seine Geige zur Hand, in der Hofnung, das zu spielen, was er so eben gehört hatte; aber umsonst. Indeß setzte er damals ein Stück, welches vielleicht das beste von allen seinen Werken ist, und welches er die Teufelssonate nannte, doch war es soweit unter demjenigen, was er im Schlafe gehört hatte, daß er sagte, er würde sein Instrument zerbrochen, und die Musik auf ewig verlassen haben, wenn er ohne sie seinen Unterhalt zu finden gewußt hätte.«41

Er verheyrathete sich früh mit einer Frau von Xantippens Geschlechte, und seine Geduld ward, selbst wo sie am meisten geprüft ward, völlig sokratisch. Er hatte keine andere Kinder, als seine Schüler, für welche er stets recht väterliche Sorge trug. Nardini, sein vornehmster Schüler und Liebling, war von Livorno herüber gekommen, ihn in seiner Krankheit zu besuchen, um seiner in den letzten Augenblicken mit wahrhaftig kindlicher Zuneigung und Liebe zu warten. Er spielte während des letzten Theils seines Lebens nur selten, ausser in der Antonius-Kirche zu Padua, welcher er sich schon im Jahr 1722. gewidmet hatte. Er bekam von derselben ein jährliches Gehalt von vierhundert Ducaten, wofür er nur verbunden war, an grossen Festen zu spielen;[88] indessen war sein Eifer für den Dienst seines Schutzheiligen so groß, daß er selten eine Woche vorbey gehen ließ, ohne einmal zu spielen, so gut es seine kranke Nerven nur zulassen wollten.

Sein Tod ward von den Paduanern allgemein bedauret, die er lange durch seine Talente ergötzt, und durch seine Frömmigkeit und andächtige Handlungen erbauet hatte. Sr. Excellenz, dem Grafen von Turnund Taxis von Venedig, seinem Scholaren und Gönner, vermachte er seine geschriebenen Musikalien, und dem Professor, Padre Colombo, der lange schon sein Freund und Rathgeber gewesen, übertrug er die Sorge, ein Werk nach seinem Tode herauszugeben, wovon, ob es gleich hauptsächlich von der Mathematik handelt, die Theorie des Klanges einen ansehnlichen Theil ausmacht.42

Man hielt ihm den 31ten May 1770 zu Padua einen feyerlichen Leichendienst, wobey der Abate Francesco Fanzago die Rede hielt, und ein Anthem aufgeführet ward, das Sgr. P. Maestro Valloti ausdrücklich dazu komponirt hatte.

Seine Verdienste, beydes als Komponist und Violinspieler, sind zu bekannt, um hier einer Lobrede zu bedürfen. Ich will bloß anmerken, daß er, als Komponist betrachtet, zu den wenigen[89] Originalgenies unsrer Zeit gehörte, und beständig aus seiner eigenen Quelle schöpfte; daß sein Gesang voller Feuer und Phantasie, und seine Harmonie, obwohl gelehrt, dennoch ungekünstelt und rein war; daß, als Violinspieler betrachtet, seine langsamen Sätze von seinem Geschmack und Ausdruck, und seine geschwinden, von seiner grossen Fertigkeit zeugen. Er war der Erste, der die Kraft des Bogens kannte und lehrte, und seine Kenntniß des Griffbretts beweisen tausend schöne Passagen, die nur aus dieser Kenntniß entstehen konnten. Sein Scholar, Nardini, der mir verschiedene von seinen besten Solos vorspielte, und zwar, nach meiner Meinung sehr gut, was die Nettigkeit und den Ausdruck betrift, versicherte mich, daß sein theurer und geehrter Meister, wie er ihn beständig nannte, diese nämlichen Solos um eben soviel besser gespielt habe als er, beydes sowohl die rührenden als die brillianten Stellen, wie er selbst sie besser spielte, als irgend einer von seinen Scholaren.

Was die Klage betrift, die gemeine Leser über Dunkelheit in seiner Abhandlung von der Musik führen, und den Mißbrauch der Mathematik, den ihm gelehrte Männer vorwerfen, so sind das Sachen, welche aus einander zu setzen hier nicht der Ort ist. Vielleicht kann man den Werth dieses Werks nicht genauer bestimmen, als es Rousseau gethan hat, welcher sagt: »Wofern das System des berühmten Tartini nicht[90] das System der Natur selbst ist: so ist es doch das, worin die Grundsätze am wenigsten gekünstelt sind, und woraus alle Gesetze der Harmonie auf eine weniger willkührliche Weise zu entspringen scheinen, als aus einem andern System, das bisher bekannt geworden ist.«43 Daß dieses System voll neuer und sinnreicher Ideen ist, die blos die Frucht einer vorzüglichen Kenntniß seiner Kunst seyn konnten, das kann man schon durch den Schleyer seiner Dunkelheit entdecken. Und sein Freund, der Pater Colombo machte mich mit der Ursache dieser Dunkelheit und mit diesem scheinbaren Mangel an gründlicher Wissenschaft bekannt, indem er gestund, daß Tartini bey aller Parade mit algebraischen Zeichen und aufgelöseten Problemen dennoch kein Mathematiker war, und daß er die gemeine Rechenkunst nicht einmal gut inne hatte. Bey allen dem sah er mehr, als er durch Zeichen oder Grundsätze, die er von andern Wissenschaften entlehnte, ausdrücken konnte; und ohne weder ein Meßkünstler noch Algebraiker zu seyn, besaß er eine Leichtigkeit, und hatte eine Methode zu calculiren,[91] die nur ihm allein eigen war, und von dieser setzte er zum voraus, er könne damit eben sowohl andre belehren, als er sie für sich selbst hinlänglich befand. Gewiß ists, daß er in Ansehung der Geheimnisse der Wissenschaft, davon er eine intuitive Kenntniß besessen zu haben scheint, zuweilen unverständlich, zuweilen auch verständlich genug ist; allein ich hege eine solche Meynung von Tartini's Verstande und Scharfsinn in seinen musikalischen Untersuchungen, daß ich bey dunkeln Stellen voraussetze, sie sind entweder dadurch veranlasset, daß er bey der Unzulänglichkeit der gewöhnlichen Sprache, ungewöhnliche Ideen auszudrücken, zu sehr gestrebt hat, seine Gedanken mit Concision zu sagen; oder auch daß er ausser den Schranken meiner Begriffe schwebt; und in diesem Falle bin ich bereitwillig, das auf ihn anzuwenden, was Sokrates dem Euripides antwortete, als dieser Dichter ihn fragte, wie ihm die Schriften des Heraklit gefielen: »Was ich verstehe ist vortreflich, und deswegen bin ich geneigt zu glauben, daß das, was ich nicht verstehe, gleichfals vortreflich ist.«

An der Kirche des heil. Antonius ist Signor Guglietto Tromba, ein junger Mann von vieler Geschicklichkeit, und Scholar von Tartini, sein Nachfolger geworden. Bey meiner Ankunft in Padua verlangte mich sehr, sowohl die so berühmte Antonius-Kirche zu sehen, als eine musikalische Messe darin zu hören; und da ich voraussetze,[92] daß meine Leser auch einen kleinen Theil von meiner Ungeduld empfinden mögten: so will ich eilen, Ihnen eine kurze Beschreibung von dem Gebäude, und eine Nachricht von seinem musikalischen Institute zu geben.

Die Kirche ist groß, und von alter gothischer Bauart. Man nennt sie hier vorzugsweise Il santo, den Heiligen. Sie hat sechs Dohme oder Kuppeln, von denen die beyden größesten das Schiff ausmachen; ob sie aber gleich nur die zweyte Kirche dem Range nach ist: so hat sie doch in Padua mehr Ruhm und Ehre, als die erste. Sie ist ausserordentlich reich, und dergestalt ausgeschmückt, daß sie mit Gemählden und Bildhauerarbeit überladen zu seyn scheint. Beym Eintritt auf den Chor fällt einem der prächtige Anblick von vier sehr grossen Orgeln in die Augen, wovon die Vorderpfeiffen so stark polirt sind, daß sie aussehn, wie glänzendes Silber. Die Einfassungen sind gleichfals von künstlicher Bildhauerarbeit und vergoldet. Diese vier Orgeln sind sich einander gleich; das Gehäuse hat kein Schnitzwerk zu den Einfassungen, sondern man sieht die Pfeiffen von dreyen Seiten eines Vierecks.

An ordentlichen Festen besteht in dieser Kirche der Musikchor aus vierzig Personen, acht Violinen, vier Bratschen, vier Violonschells, zwey Contreviolons und vier Blasinstrumenten, dabey sechzehn Sänger sind. Acht Castraten bekommen einen[93] Jahrgehalt, unter denen Signor Gaetano Guadagni ist, der in Ansehung des Geschmacks, des Ausdrucks, der Gestalt und der Aktion in seiner Profeßion oben an steht. Er bekommt jährlich vierhundert Dukaten, wofür er nur gehalten ist, an den vier Hauptfesten zu singen. Der erste Geiger hat eben den Gehalt. Der zweyte Sopran, Signor Casati, hat eine schwache Stimme, man hält ihn aber für einen Sänger von äusserst schönem Geschmacke und Ausdrucke; der berühmte Antonio Vandini ist der erste beym Violonschell, und Matteo Bissiolli aus Brescia bläset die erste Oboe in diesem ausgewählten Orchester.

Signor Francesco Antonio Valloti, der Maestro di Capella, ist ein gebohrner Piemonteser. Dr. Marsili der hiesige würdige Professor der Botanik, dem ich unendlich für die Freundschaftsdienste verbunden bin, die er mir während meines Aufenthalts in Padua erwiesen hat, that mir den Gefallen, mich mit diesem grossen Meister bekannt zu machen. Man hält ihn für einen der ersten Komponisten für die Kirche in Italien; und in den verschiednen Unterredungen, die ich mit ihm hatte, habe ich gefunden, daß er ein eben so guter theoretischer als praktischer Musikus ist.44 Er ist ein Geistlicher[94] vom Franciscaner-Orden, beynahe siebenzig Jahre alt, besitzt verschiedne seltne und schätzbare Bücher über die Musik, aus welchen er mir erlaubte, Auszüge zu machen; und war so gefällig, mir zwey grosse Repositoria zu zeigen, die mit Partituren von seiner eignen Komposition angefüllet waren; einige derselben blos für Singestimmen, und andre für Singestimmen mit Instrumenten, unter welchen auch das Kirchenanthem auf Tartini war. Von verschiednen dieser letztern habe ich eine Abschrift erhalten. Er hat mir gleichfals einen Theil einer Abhandlung über die Modulation von seiner eignen Hand mitgetheilt, welcher weniger methodisch ist, und nicht soviel Mathematik enthält, als die Abhandlung von Tartini, und also wahrscheinlicher Weise allgemeinnütziger seyn würde, wenn sie gedruckt werden sollte.

Bey meiner Abreise aus Padua ging es mir nahe, diesen guten Pater zu verlassen, der einen so liebenswürdigen Charakter hat, daß es unmöglich ist, ihn zu kennen, und nicht hoch zu schätzen. Er versprach mir zwey Missen in Partitur von seiner Arbeit, so bald er sie abgeschrieben bekommen konnte45, und verlangte ernstlich von mir, daß ich ihm mein Buch schicken sollte, sobald es heraus käme; er las meinen Plan mit vieler Aufmerksamkeit, und übertrieb sein Lob so weit,[95] daß er sagte: er wäre eine öffentliche Angelegenheit Italiens.

Das Theater zu Padua ist artig und bequem. Man geht auf zwey prächtigen steinernen Treppen hinauf, und seine Gestalt ist beynahe oval. Es hat fünf Reihen Logen, in jeder Reihe neun und zwanzig, welche vielleicht dem Auge angenehmer vorkommen möchten, wenn sie nicht eine über die andre hervorragten. Das Parterre enthält hundert und funfzig Sitze, welche aufgeklappt und angeschlossen werden. Die Logen haben Fallfenster. Zwischen der grossen Treppe und dem Theater ist ein Saal zum Spiele, welcher Camera di Ridotti genannt wird. Im Junius ward, während der Antonimesse, eine ernsthafte Oper gegeben; diese Messe über ist Padua sehr lebhast und voller Fremden von Venedig und den benachbarten Städten.

Der Komponist der Oper war Signor Locchini, ein Neapolitaner, der Kapellmeister im Conservatorio des Ospedaletto zu Venedig ist. Die erste Sängerin war Camilla Mattei, Schwester des Colombo Mattei, der vor acht oder neun Jahren in England war; und die beyden vornehmsten Sänger waren Signor Potenza, der zu gleicher Zeit mit in England war, und ein berühmter Tenorist, Il Cavalier Guglielmi Ettori, in Churbayerischen Diensten, dem mehr applaudirt ward, als allen übrigen. Die beyden ersten Tänzer waren, M. Bie und Signora Binetti. Das Subjekt der Oper war Scipio in Carthago.


Donnerstags, den 2ten August.

[96] Diesen Morgen hatte ich die Ehre in Gesellschaft mit Dr. Marsili, bey dem Professor der Mathematik, Padre Colombo zu frühstücken; ich besprach mich lange mit ihm über Tartini und über seine nachgelassene Schrift, deren ich oben schon erwähnt habe.

Von da gieng ich nach der Antonius-Kirche, wo selbst, als an einem Ablaß-Feste, musikalische Messe mit Soloversen von der Komposition des Padre Valotti, der auch selbst den Tackt schlug, aufgeführet wurde. Allein da die beyden besten Sänger, Signor Guadagni und Signor Casati fehlten, so bleibt nur wenig von der Ausführung dieser Musik zu sagen übrig, was die Singestimmen betrift. Die Komposition indessen war gut, die Harmonie rein, die Modulation meisterhaft, und der Styl ernsthaft und für die Kirche schicklich. Ich fand aber, daß die Hälfte von der Orgel mehr als hinglänglich war, die Stimmen zu übertäuben; und Pater Valloti sagte mir, daß der Lärm gewöhnlicher Weise noch unerträglicher sey, daß er aber nach und nach es von vier Orgeln, die ehedem alle auf einmal accompagnirt hätten, bis auf zwey herunter gebracht habe. Itzt werden aber viere zugleich nur bey dem täglichen Gottesdienste gespielt, wenn keine Kirchenmusik ist. Der gegenwärtige erste Organist, Signor Dominico Locatello[97] wird für einen geschicken Künstler gehalten.46 Es wäre aber zu wünschen, daß er und sein College, die Sänger und Instrumentisten, welche gut und werth sind, daß man sie höret, bloß mit dem Rückpositive accompagniren wollten, wie wir in England zu thun pflegen; denn sonst kann man nichts hören, als die Orgeln, die freylich sehr wohlklingende Werke, aber so stark sind, daß alle Musik dadurch unnütz wird.

Ob es gleich kein grosser Festtag, so war doch der Chor zahlreicher besetzt, als gewöhnlich. Ich hätte gerne den berühmten Oboisten, Matteo Bissioli und den alten grossen Antonio Vandini auf dem Violonschell gehört, von dem die Italiäner sagen, sein Spielen und sein Ausdruck sey ein Parlare, das heißt, er lasse sein Instrument sprechen. Allein keiner von beyden hatte etwas alleine zu spielen. Indessen traue ichs diesen beyden Virtuosen auf guten Glauben zu, daß sie grosse Geschicklichkeit besitzen, weil sie von ihren Landesleuten sehr gerühmt werden, welche durch das viele Anhören geschickter Leute in allerley Gattungen, unvermerkter Weise gute Richter über musikalisches Verdienst werden müssen. Leute, die nichts als schlechte Musik zu hören bekommen, können Gefallen daran finden, das[98] kann aber der nicht, der lange an gute Musik und geschickte Virtuosen gewohnt ist. Es ist merkwürdig, daß Antonio und alle hiesige Violonschellspieler den Bogen nach der alten Art halten, mit der Hand am Haare und den Daumen am Holze, wie bey dem Gambenspieler noch geschieht. Der Chor dieser Kirche ist ausserordentlich groß, die Bässe sind alle an eine Seite gestellt, die Violinen, Hoboen, Waldhörner und Bratschen an die andre, und die Singstimmen stehen oben auf den beyden Orgelgallerien, in die Hälfte getheilt; allein wegen der Entfernung, worin sie von einander stehen, waren sie nicht immer ganz genau im Takte.

Den Tag vor meiner Abreise von Padua, besuchte ich den Signor Tromba, Tartini's Schüler und Nachfolger. Er war so gefällig, mir verschiedne von seines Lehrmeisters Solos vorzuspielen, besonders zwey, welche er kurz vor seinem Tode gemacht hatte; von diesen bat ich mir eine Abschrift aus, indem ich diese letzten Tropfen aus seiner Feder, als heilige Reliquien eines so grossen Originalgenies betrachte.

41

Voyage de François en Italie T. 8. Volkmann B. 3. S. 663.

42

In diesem Werke hatte er sich vorgesetzt, die Dunkelheiten zu entfernen, und die Schwierigkeiten aufzulösen, deren er in seinen vorigen Abhandlungen beschuldigt wird.

43

Als dieses Tagebuch bereits für den Druck ausgefertigt war, erschien ein Buch unter dem Titel Principles and Power of Harmony; (Grundsätze und Macht der Harmonie) welches mir das höchste Vergnügen verschaft hat, welches ein schön geschriebenes, deutliches und meisterhaftes Werk nur geben kann. Ich weiß nicht, wer der Verfasser desselben ist, es scheint aber, daß er Tartini's Grundsätze völlig verstanden, und seinem Genie hat Gerechtigkeit wiederfahren lassen, ohne über seine Fehler partheyisch zu seyn.

44

Tartini spricht vom Pater Valloti in folgenden Worten: »Er war ehedem ein vortreflicher Orgelspieler, und ist itzo ein vortreflicher Komponist, nud in allen Dingen ein Meister seiner Kunst.« Trattato di Musica, p. 100. Padova 1754.

45

Nachdem ich wieder in England bin, habe ich Nachricht erhalten, daß er solche nach Venedig abgesandt hat, von da sie mir übermacht werden sollen.

46

Es ist blos aus Billigkeit, daß ich hier sage, daß ich ihn verschiedne mahl, während des Offertorio, die Orgel allein in einer sehr feyerlichen und meisterhaften Manier, habe spielen hören.

Quelle:
Carl Burney's der Musik Doctors Tagebuch einer Musikalischen Reise. [Bd. I]: durch Frankreich und Italien, Hamburg 1772 [Nachdruck: Charles Burney: Tagebuch einer musikalischen Reise. Kassel 2003], S. 85-99.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Tagebuch einer musikalischen Reise
Tagebuch einer musikalischen Reise: Durch Frankreich und Italien, durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien, durch Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Hamburg und Holland 1770-1772

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon