XIV.
(1826.)

Seit dem Jahr 1816, in welchem Schubert sich um die Musiklehrerstelle in Laibach erfolglos bewarb, hat er keinen weiteren Schritt gethan, sich eine von dem Ertrag seiner Compositionen unabhängige Stellung zu gründen. Die Gelegenheit, den Posten eines Hoforganisten zu erlangen, ließ er (nach der Behauptung Josef Hüttenbrenners) unbenützt vorübergehen. Erst im Jahre 1826 fühlte er sich – wahrscheinlich über Aufforderung wohlwollender Freunde – veranlaßt, um die Stelle eines Vicekapellmeisters in der kaiserlichen Hofkapelle in Wien als Bewerber aufzutreten1.

Kaiser Franz hatte nämlich (mit Entschließung vom 8. Jänner 1826) über Vorschlag des Grafen Moriz Dietrichstein (vom 24. Jänner 1825) den Metropolitan-Capellmeister Johann Wittasek2 in Prag zum Vicehofkapellmeister[377] ernannt, obschon Umlauf3 dafür vorgeschlagen war.

»Er ist – heißt es in jener Entschließung – mir persönlich als ein guter Compositeur der Kirchenmusik bekannt, und ein guter Musikmeister, welches auch hier, besonders bei Abnahme der Kräfte des Hoftenor Korner, wünschenswerth ist.«

Da Wittasek die Stelle nicht annahm, erfolgte ein zweiter Vorschlag. Unter dem 29. December 1826 erstattete Graf Harrach, damals Hofmusikgraf, an den Obersthofmeister Fürst Trautmannsdorf folgenden Bericht:

»Nach dem, am 7. Mai 1825 erfolgten Tod Salieri's wurde Eibler Hofkapellmeister, und dessen Vice-Hofkapellmeistersstelle erledigt, und bis heute nicht besetzt. Graf Moriz Dietrichstein hat zwar am 24. Juli 1825 den Umlauf vorgeschlagen, allein es erfolgte keine Erledigung, daher ein neuer Vorschlag erstattet wird.

Competenten sind: 1. Seyfried4, Kapellmeister in[378] Wien; 2. Girowetz5, Hoftheaterkapellmeister; 3. Franz Schubert, Compositeur; 4. Conradin Kreutzer6, Kapellmeister; 5. Joachim Hoffmann, Tonkünstler; 6. Anselm Hüttenbrenner, Director des steirischen Musikvereines; 7. Wenzel Würfel7, Kapellmeister am Kärnthnerthortheater; 8. Franz Gläser8, Kapellmeister am Josefstädtertheater.[379]

Diese Bittsteller sind alle verdienstliche Männer, und jeder kann unter sich (sic) mehr oder weniger auf Berücksichtigung Anspruch machen.«

In der »Detaillirung der Verdienste« heißt es, Schubert betreffend:

»Schubert beruft sich auf seine Dienste als Hofsänger, bestätigt durch ein Zeugniß Salieri's, der ihm Composition lehrte, und versichert, daß er bereits fünf Messen componirt, die in verschiedenen Kirchen producirt wurden«9.

Die Besetzungsangelegenheit fand diesmal eine rasche Erledigung.[380]

Es wurden nämlich nur Weigl und Umlauf vorgeschlagen. Mit Entschließung vom 22. Jänner 1827 ernannte der Kaiser den Hoftheaterkapellmeister Josef Weigl10, welchem er schon früher für diesen Fall Zusicherungen gemacht haben soll, zum Vicehofkapellmeister mit dem Gehalt von tausend Gulden und zweihundert Gulden Quartiergeld. Damit waren Schubert's Hoffnungen auf Gründung einer gesicherten Existenz und einen ihm angemessenen Wirkungskreis, der eben seine Kräfte für den Dienst nicht zu sehr in Anspruch genommen haben würde, mit Einem Schlag vernichtet. Als er davon hörte, soll er (nach einer Mittheilung des Frh. v. Spaun) gesagt haben: »Gerne hätte ich diese Stelle erhalten mögen; da sie aber einem so würdigen Mann wie Weigl verliehen wurde, muß ich mich wohl damit zufrieden geben.«

Diese Worte würden beweisen, daß Schubert seine Meinung über Weigl, welchen er im Jahre 1819 (ob mit Recht, kann hier nicht beurtheilt werden) in dem Verdacht hatte, ein Intriguenschmieder[381] gegen ihn zu sein, seither geändert, oder, wenn wirklich Grund zu diesem Verdacht vorhanden war, in seiner Gutmüthigkeit die Sache schon wieder vergessen hatte.

Einer anderen Gelegenheit, die sich ihm zur Erlangung einer definitiven Anstellung bei dem Hofoperntheater in Wien dargeboten hat, erwähnt A. Schindler in folgender Weise:

Im Jahr 1826 war Schubert Gelegenheit gegeben, in eine ehrenvolle Stelle ein- und aus seinen beschränkten Verhältnissen herauszutreten. Durch den Abgang des Kapellmeisters Krebs11 nach Hamburg war nämlich die Dirigentenstelle am Kärnthnerthortheater vacant geworden, und Schubert's Freunde (in erster Reihe Vogl) bemühten sich, die Stelle für ihn zu erobern. Es gelang auch, die Aufmerksamkeit des Administrators Duport auf den jungen Componisten zu lenken; doch sollte seine definitive Anstellung von einer abgelegten Prüfung abhängig gemacht werden, die darin bestand, daß ihm einige zusammenhängende Opernscenen, die eigens für den Zweck gedichtet waren, zu componiren aufgegeben wurden. Er vollendete auch die Arbeit, deren Hauptpartie für die Schechner12 bestimmt war. Schon bei den[382] Clavierproben machte ihn die Sängerin auf das Unpraktische in der hauptsächlichsten Arie aufmerksam und bat um Abänderung, die aber, einige Kürzungen und Vereinfachung der Begleitung betreffend, von Schubert entschieden abgelehnt wurde. Bei der ersten Orchesterprobe stellte sich heraus, daß die Sängerin in der erwähnten Arie nicht durchzudringen vermöge, und Schubert wurde nun auch von Freunden und Bekannten ersucht, Aenderungen vorzunehmen. Jedoch vergebens. Er blieb bei seiner Weigerung. So kam es zur Generalprobe und alles ging gut von Statten bis zur beregten Arie, deren Charakter den Ausbruch der höchsten Leidenschaftlichkeit athmete. Wie es zu erwarten, so geschah es. Die Sängerin, in unausgesetztem Kampf mit dem Orchester, namentlich mit den Blasinstrumenten, wurde von den auf ihre kolossale Stimme eindringenden Massen erdrückt. Entkräftet sank sie auf einen zur Seite des Prosceniums stehenden Stuhl. Tiefes Schweigen im ganzen Hause, Spannung auf allen Gesichtern. Während dessen sah man den Administrator Duport zu einer und der andern der auf der Bühne sich bildenden Gruppen treten, bald wieder mit der Sängerin und den anwesenden Kapellmeistern insgeheim sprechend. Schubert seinerseits saß[383] während dieser für jeden der Anwesenden wahrhaft beängstigenden Scene wie eine plastische Figur auf seinem Stuhl, den Blick unverwandt auf die vor ihm aufgeschlagene Partitur geheftet. Nach langer Deliberation trat endlich Duport an's Orchester heran und sagte in höflichem Tone folgende Worte: »Herr Schubert, wir wollen die Aufführung um einige Tage verschieben und bitte ich Sie, wenigstens in der Arie die nothwendigen Aenderungen zu machen und es dem Fräulein Schechner zu erleichtern.« Mehrere der Künstler im Orchester ersuchten nun Schubert, ebenfalls nachzugeben. Nachdem dieser den Vorgang mit steigendem Ingrimm angehört, rief er mit erhobener Stimme aus: »Ich änd're nichts!« schlug die Partitur laut schallend zu, nahm sie unter den Arm und ging raschen Schrittes zum Hause hinaus. Mit der Anstellung hatte es nun sein Ende.

So Anton Schindler, dessen Zuverlässigkeit schon bei einer anderen Gelegenheit in Zweifel gezogen werden mußte, und der nun hier abermals eine Episode aus Schubert's Leben mittheilt, die mit dem schlichten gutmüthigen Wesen unseres Tondichters kaum in Einklang zu bringen ist. Auch muß zur Steuer der Wahrheit bemerkt werden, daß ein Augenzeuge jener Theaterprobe, Franz Zierer (Professor am Conservatorium in Wien, und schon zu jener Zeit Mitglied des Hofopernorchesters), wohl zugibt, daß die Schubert'sche Concertarie der, schon in Abnahme begriffenen Stimme der Schechner durch die großen Intervallensprünge beschwerlich wurde13, daß aber dieser Gewährsmann sich einer[384] so leidenschaftlichen Scene, wie es die von Schindler geschilderte ist, sich nicht entsinnt, vielmehr erklärt, Schubert habe sich während der Probe seiner Art gemäß still und ruhig benommen. – Josef Hüttenbrenner dagegen behauptet sogar, die Sängerin sei mit der »wunderschönen Arie Schubert's«, wie sie sich ausdrückte, sehr zufrieden gewesen, und die Anstellung nicht an seinem Starrsinn, sondern einfach an Theater-Intriguen gescheitert. Welcher Art die Concertarie war und ob sie noch erhalten, ist mir nicht bekannt geworden. Nach Zierer war es eine große selbstständige Concert-Arie mit Orchesterbegleitung. Uebrigens ist damals weder diese, noch die gleichfalls von der Schechner vorzutragende Opernarie aus Kreutzer's »Cordelia« zur Aufführung gekommen.

Es liegt hier der Gedanke nahe, daß wenn Schubert auch die Dirigentenstelle erhalten hätte, er sich darin nicht lange behauptet haben würde, da ihm die dazu nothwendigen Eigenschaften fast durchweg fehlten, und sein rastlos schaffender Geist ihn in der genauen Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten weit eher gehindert als gefördert hätte14.

Will man sich Schubert durch eine bestimmte äußere Lebensstellung gebunden denken, so konnte diese nur das[385] Amt eines Hoforganisten sein, dem er vollkommen gewachsen war, und welches ihm früher oder später den Weg zu der Stelle eines Vice-Hofkapellmeisters gebahnt haben dürfte, die er ebenfalls mit Leichtigkeit versehen konnte. Der Trieb nach vollständiger Unabhängigkeit ließ ihn aber (nach Herrn Josef Hüttenbrenner's Mittheilung) damals die dargebotene Hand zurückweisen, und als nun der Wunsch in ihm erwachte, sich durch Annahme einer Bedienstung eine gesicherte Existenz zu verschaffen, um nicht ausschließlich von dem im Inlande schon etwas prekär werdenden Absatz seiner Compositionen abzuhängen, hatten sich die Umstände zu seinem Nachtheil geändert, und er war, diesmal gegen seinen Willen, der bisherigen Ungebundenheit zurückgegeben.

Was den eben erwähnten prekären Absatz seiner Compositionen anbelangt, so bezeugen die Geschäftsbriefe mehrerer Musikverleger aus den Jahren 1826, 1827 und 1828 (die der Zeitfolge nach hier aufgeführt erscheinen), daß sich Schubert um diese Zeit mit ausländischen Verlegern in Verkehr setzte, und namentlich Schott in Mainz und Probst15 in Leipzig sich für seine Werke zu interessiren anfingen. Beinahe durch die ganze, mir bekannt gewordene Correspondenz der Verleger mit dem Componisten zieht sich aber, einem rothen Faden gleich, die mehr oder weniger entschieden betonte Bitte an Letzteren, Musikstücke zu schreiben, die dem Spieler keine zu großen Schwierigkeiten bereiten, und das Fassungsvermögen der Zuhörer nicht überstiegen.[386]

So ist gleich der hier folgende Brief16 des Musikverlegers Probst (datirt aus Leipzig, 26. August 1826) in dieser Beziehung charakteristisch.

Derselbe lautet:


»Es war wohl ehrenvoll und schätzbar für mich, Ihre Bekanntschaft durch Ihr Werthestes vom 12. d. zu erwerben, und indem ich für Ihr Vertrauen herzlich danke, bin ich sehr gern erbötig, zur Verbreitung Ihres Künstlerrufes nach meinen Kräften beizutragen. Nur gestehe ich Ihnen offen, daß der eigne, sowohl oft geniale, als wohl auch mitunter etwas seltsame Gang Ihrer Geistesschöpfungen in unserem Publicum noch nicht genugsam und allgemein verstanden wird. Deßhalb bitte ich, bei Uebersendung Ihrer Manuscripte gefälligst darauf Rücksicht zu nehmen. Lieder mit Auswahl, nicht zu schwierige Pianoforte-Compositionen à 2 und 4 m., angenehm und leicht verständlich gehalten, würden mir passend scheinen, Ihren Zweck und meinen Wunsch zu erreichen. Ist einmal die Bahn gebrochen, dann findet alles Eingang; im Anfang muß man jedoch dem Publicum einigermaßen nachgeben. Ihre Manuscripte erbitte durch Herrn Lähne, Buchhalter bei Artaria & Comp., dort an mich zu befördern. Genehmigen Sie die vorzügliche Hochachtung Ihres


ergebenen H.A. Probst.«
[387]

Durch eine in jeder Beziehung reservirte Haltung charakterisirt sich das folgende Schreiben17 von Breitkopf und Härtel, datirt aus Leipzig 7. September 1826:


»Euer Wohlgeboren gütige Geneigtheit, uns einige Werke Ihrer Composition zur Herausgabe zu überlassen, erwiedern wir mit unserem verbindlichen Dank und mit der Versicherung, daß es uns sehr angenehm sein würde, ein wechselseitiges angenehmes Verlagsverhältniß mit Ihnen zu gewinnen. Da wir jedoch mit dem merkantilen Erfolg Ihrer Compositionen noch ganz unbekannt sind, und Ihnen deßhalb mit dem Erbieten einer bestimmten pecuniären Vergütung (welche der Verleger nur nach seinem Erfolg bestimmen oder genehmigen kann) nicht entgegenkommen können, so müssen wir Ihnen überlassen, ob Sie, um durch einen Versuch vielleicht eine dauernde Verbindung einzuleiten, uns diesen erleichtern und für das erste Werk, oder die ersten, welche Sie uns zusenden werden, bloß eine Anzahl Exemplare als Vergütung annehmen wollen. Wir zweifeln nicht an Ihrer Beistimmung hierzu, da es Ihnen, wie uns, weniger auf der Herausgabe Eines Werkes, als um die Einleitung zu einem fortgesetzten Verhältniß zu thun sein wird. In diesem Falle schlagen wir vor, uns zuerst ein oder zwei Stücke für das Pianoforte allein oder zu vier Händen mitzutheilen. Wenn unsere Hoffnung auf einen guten Erfolg irgend erfüllt wird, so daß wir Ihnen für die folgenden Werke anständige baare Vergütung offeriren können, so wird es uns zum Vergnügen gereichen,[388] Ihnen dadurch das Verhältniß mit uns annehmlich zu machen. Mit vollkommenster Hochachtung Euer Wohlgeboren


ergebenster

Breitkopf u. Härtel.«


Was Schubert's musikalische Leistungen in diesem Zeitraum anbelangt, so bezeugen mehrere damals entstandene Compositionen sein unaufhaltsames Vorwärtsdrängen auf dem Gebiete der Kammermusik, des mehrstimmigen und selbst des einstimmigen Liedes. Denn von bekannten Gesangscompositionen fällt in diese Zeit nebst den Liedern: »Ueber Wildemann«18, »Ständchen«, »Trinklied«19 (aus Shakespear's: »Antonius und Cleopatra«) auch der erste Theil der »Winterreise«; sodann die mehrstimmigen Gesänge: »Nachthelle«20[389] und das Männerquartett: »Grab und Mond« (in der Sammlung »Die Minnesänger« enthalten). Im Gebiet der Kammermusik aber entstanden damals zwei Werke für Streichquartett, in welchen Schubert seine Meisterschaft auch[390] nach dieser Seite hin zuerst in überzeugender Weise bethätigte und sich unter den hervorragendsten Tondichtern einen Platz in erster Reihe zu erringen wußte.

Es sind dies die Streichquartette in D-Moll undG-Dur, Compositionen von echt Schubert'schem Gepräge, sein und duftig gehalten, ausgestattet mit einer Fülle reizender Melodien, und von jenem Hauch der Romantik durchzogen, der uns fast aus allen bedeutenden Tonschöpfungen des Meisters entgegenweht. Empfing auch dieser die Anregung dazu zunächst von einem Kreis musikalischer Bekannter21, so steht doch andererseits außer Zweifel – und mehrere Aeußerungen von ihm (wie der Brief an L. Kupelwieser vom Jahre 1824) deuten darauf hin – daß er sich eben zur Aufgabe gemacht hatte, nunmehr auch in dieser Gattung Zeugniß seines Strebens und seiner vorgeschrittenen Reise abzulegen.

Die beiden Streichquartette überragen in der That entschieden die zunächst vor ihnen entstandenen Werke gleicher[391] Art, und es ist ihnen an innerem Werth nur noch das später (1828) componirte Streichquartett in C an die Seite zu setzen. Wie leicht übrigens unserem Meister die Arbeit auch hier von Statten gegangen, bezeugt die kurze Frist, die zwischen der Inangriffnahme und Beendigung des G-Quartettes in Mitte liegt. Innerhalb zehn Tagen22 hat Schubert eine seiner schönsten Compositionen hingezaubert.

Das Rondeau brillant in H-Moll (op. 70) wohl das bedeutendste von den Duos, welche Schubert für Clavier und Violine componirt hat, gehört ebenfalls dieser Zeit an23.

Zu Ende dieses Jahres wurde unserm Tondichter noch die Genugthuung zu Theil, von dem Ausschuß der Gesellschaft der Musikfreunde »für die wiederholten Beweise der Theilnahme«, die er dem Institut gegenüber an den Tag gelegt, ein Dankschreiben sammt Beischluß von Einhundert Gulden Conv. M. zu erhalten.

Das Schreiben lautet:


»Sie haben der Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates wiederholte Beweise der Theilnahme[392] gegeben, und Ihr ausgezeichnetes Talent als Tonsetzer zum Besten derselben und insbesondere des Conservatoriums verwendet.

Indem sie Ihren entschiedenen und ausgezeichneten Werth als Tonsetzer zu würdigen weiß, wünschet sie Ihnen einen angemessenen Beweis ihrer Dankbarkeit und Achtung zu geben, und ersucht Sie, den Anschluß nicht als ein Honorar, sondern als einen Beweis anzunehmen, daß sich Ihnen die Gesellschaft verpflichtet finde und mit Dank die Theilnahme, die Sie ihr bewiesen, anerkenne.

Von dem leitenden Ausschusse der Gesellschaft der Musikfreunde des österr. Kaiserstaates.


Wien, am 12. October 1826.

Kiesewetter m/p


Unter den Beweisen der Theilnahme waren hauptsächlich jene mehrstimmigen Gesänge gemeint, die Schubert in den Jahren 1820–1822 über Ersuchen des Frln. Josefine Fröhlich für die Schülerinnen des Conservatoriums geschrieben hatte, und welche damals wiederholt in den »Abendunterhaltungen« zur Aufführung gelangten.

Als ein Zeichen seines Dankes für die ihm von dem Musikverein dargebrachte Huldigung übergab Franz im Jahre 1828 dem Musikverein die großeC-Sinfonie, welche aber damals von den ausübenden »Künstlern« der Gesellschaft als unausführbar abgelehnt wurde.

1

Die auf diese Angelegenheit bezüglichen Taten sind Aufzeichnungen des Herrn Josef Hüttenbrenner entnommen.

2

Wittasek (Johann Nepomuk August), geb. 1770 zu Horin in Böhmen, schrieb Tänze, Lieder, Sonaten, Concerte, Sinfonien. Cantaten und Stücke für Kammermusik, welch letztere noch in den Jahren 1805–1810 beifällig aufgenommen wurden. Kränklichkeit und vorgerücktes Alter bestimmten ihn, die angebotene Vicehofkapellmeistersstelle nicht anzunehmen. Er starb 1839 in Prag als Präses der Gesellschaft zur Beförderung der Kirchenmusik.

3

Umlauf (Michael), geb. 1781 in Wien, ein tüchtiger Musiker, wurde Weigl's Adjunct im Operntheater. Beethoven hielt viel auf ihn, und er und Schuppanzigh waren auch die Hauptleiter der von Beethoven im Jahre 1824 veranstalteten Akademien, in welchen die D-Messe und D-Moll-Sinfonie zuerst zur Aufführung gelangten.

4

Seyfried (Ignaz Ritter von), geb. 1776 in Wien, ein Schüler Mozart's und Kozeluch's im Clavierspiel und Haydn's im Generalbaß, widmete sich um das Jahr 1795 vollständig der musikalischen Kunst, in welcher er eine bedeutende Thätigkeit entfaltete. Seine musikalischdramatischen Arbeiten schrieb er fast durchgehends für das Theater an der Wien, bei dem er (1797–1827) als Kapellmeister und Operndirector angestellt war. In Melodramen versuchte er sich mit vielem Glück. Nach der Uebernahme des Theaters seitens des Schauspielers Carl zog er sich zurück und schrieb Kirchen- und Kammermusik. Bei Beethoven stand er bekanntlich nicht in Gunst. Seyfried starb 1841 in Wien und ruht auf dem Währinger Kirchhof.

5

Girowetz (Adalbert), geb. 1763 zu Budweis in Böhmen, widmete sich anfänglich dem Rechtsstudium, trat später als Secretär in die Dienste des Grafen Fünfkirchen, auf dessen Schloß Chlumetz er seine ersten Sinfonien und Kammermusik schrieb, die sich großen Beifalls erfreuten. Er bereiste Italien, blieb zwei Jahre in Neapel und ging sodann nach Paris und London, wo er drei Jahre verblieb, fortan musikalisch beschäftigt und auf's beste aufgenommen. Im Jahre 1804 wurde er Opernkapellmeister in Wien und trat nach der Verpachtung des Theaters in Pension. Er schrieb eine große Anzahl Werke jeder Gattung. Von seinen Opern gefielen besonders: »Agnes Sorel« und »Der Augenarzt«. Girowetz starb 1850 in Wien.

6

Kreutzer, geb. 1782 zu Mößkirch im Badischen, kam 1804 nach Wien, wo er bis 1811 blieb. Von 1812–1816 hielt er sich in Stuttgart auf; um das Jahr 1821 kam er wieder nach Wien, wo er (unter Barbaja) Hoftheater-Kapellmeister wurde, welche Stelle er bis 1833 bekleidete. In diesem Jahr übernahm er die Kapellmeisterstelle am Josefstädter-Theater, verließ aber 1840 Wien, ging zunächst nach Köln, dann als Musikdirector nach Riga, wo er 1849 starb. Kreutzer's musikalische Productivität ist allbekannt.

7

Würfel, geb. 1791 zu Planim in Böhmen, schrieb viele Clavierstücke und die Opern: »Rübezahl« und »Der Rothmantel«. Um das Jahr 1815 war er Musikprofessor in Warschau. Im J. 1824 kam er nach Wien, wo er 1826 Hoftheaterkapellmeister wurde.

8

Gläser Franz (geb. 1792), Componist der Opern: »Die Brautschau«, »Der Bernsteinring« und »Des Adlers Horst«, sowie verschiedener Romanzen und Märsche, war im Jahre 1826 Kapellmeister im Leopoldstädter-Theater, ging später nach Berlin und von dort (1842) nach Kopenhagen, wo er als Hofkapellmeister 1861 starb.

9

In der Hofkapelle war bis dahin keine Schubert'sche Messe zur Aufführung gelangt. Dr. Hauer theilte mir darüber Folgendes mit: »Um das Jahr 1827 saß ich (Hauer) einmal nach irgend einer Abendmusik mit Schubert vertraulich bei einem Glas ›Schwarzen‹ im Kaffeehaus ›Zum Rebhuhn‹.« Da sagte er mir: »Unlängst brachte ich dem Hofkapellmeister Eibler eine Messe zur Aufführung in der Hofkapelle. Eibler äußerte, da er meinen Namen vernahm, daß er noch keine Composition von mir gehört habe. Ich bilde mir gewiß nicht viel ein, aber ich hätte doch geglaubt, daß der Hofkapellmeister in Wien schon etwas von mir gehört habe. Als ich nach einigen Wochen kam, um mich nach dem Schicksal meines Kindes zu erkundigen, sagte Eibler, die Messe sei gut, aber nicht in dem Styl componirt, den der Kaiser liebt. Nun so empfahl ich mich und dachte bei mir: Ich bin denn nicht so glücklich, im kaiserlichen Styl schreiben zu können.« – Daß Eibler die Schubert'sche Messe (wahrscheinlich jene in As) zur Aufführung nicht acceptirte, darf nicht Wunder nehmen, da Kaiser Franz an dem Styl der Reutter'schen Messen (»die kurz, nicht schwer auszuführen und gehörig durchgeführte Fugen enthielten«) besonderes Gefallen fand. (S. den Brief des Grafen Moriz Dietrichstein an den Grafen Lichnowsky vom 23. Februar 1823, über die Composition einer Messe von Beethoven für die kaiserliche Hofkapelle, in Schindler's Beethoven-Biografie II. Th. S. 30.)

10

Weigl (Josef), Sohn des aus Baiern nach Wien eingewanderten Josef Weigl (erster Violoncellist der italienischen Oper und Mitglied der Hofkapelle), wurde 1766 zu Eisenstadt in Ungarn geboren. Er schrieb eine große Anzahl von Opern, Operetten, Cantaten, Oratorien, Kirchenwerke, Ouverturen, Balletmusik, Landwehrlieder u.s.w. Von den Opern sind »Das Waisenhaus« und die »Schweizerfamilie« die bekanntesten. Letztere wurde im März 1809 zum ersten Mal in Wien gegeben. Schon 1790 oder 1791 wurde Weigl an Salieri's Stelle Hoftheaterkapellmeister. Er starb in Wien im Februar 1846.

11

Krebs (Carl August), geb. 1804 in Nürnberg, widmete sich schon in jungen Jahren der Tonkunst als ausübender und schaffender Künstler. Im Jahre 1824 kam er nach Wien, wo er Hofopernkapellmeister wurde, drei Jahre darauf aber einem Ruf als Musikdirector an das Hamburger Stadttheater Folge leistete.

12

Schechner (Nanette), geb. zu München im Jahre 1806, war eine der bedeutendsten deutschen Sängerinnen. Schülerin des Schauspielers Weber trat sie in das Chorpersonal der italienischen Oper in München ein, und fand da Gelegenheit, in Cimarosa's Oper: »Orazj e Curiazj« an Stelle der berühmten Grassini die Rolle des Curiazio zu übernehmen, die sie auf's glänzendste ausführte. Damit war ihr Ruf gegründet. Sie sang noch einige Zeit in der italienischen Oper, wendete sich aber dann dem deutschen Gesang zu und kam 1825 nach Wien, wo sie sehr gefiel. Im J. 1827 ging sie nach Berlin, wo sie neben der Sonntag und Catalani Triumphe feierte. Wiederholte Brustleiden bewogen sie, um das Jahr 1835 die Bühne zu verlassen. Seit 1832 mit dem Gallerieinspector und Maler Waagen in München vermählt, lebte sie daselbst in Zurückgezogenheit und starb am 30. April 1860.

13

Dagegen trug die Schechner eine Arie aus Kreutzers Oper: »Cordelia«, welche bei diesem Anlaß ebenfalls producirt werden sollte, sehr schön vor. – »Cordelia« wurde im J. 1833 im Josefstädtertheater aufgeführt.

14

Es ist auch davon die Rede, daß Franz die Stelle eines Correpetitors beim Hofoperntheater ein paar Tage hindurch versehen habe. Diese Anstellung paßte für ihn wohl am allerwenigsten. – Zierer ist übrigens der Meinung, daß es sich bei Schubert weder um die Erlangung einer Kapellmeisters- noch einer Correpetitorsstelle jemals gehandelt habe. Auch der so wohl unterrichtete Dr. Leopold Sonnleithner weiß über diesen Punkt keine Auskunft zu geben.

15

Probst's Verlag ging später auf Kistner über.

16

Das Schreiben ist adressirt: »An den Tonsetzer Franz Schubert auf der Wieden Nr. 100 nächst der Carlskirche, 5. Stiege, 2. Stock.«

17

Das Original besitzt Dr. Schneider in Wien. Der Brief ist adressirt an den Componisten F. Schubert in Wien, auf der Wieden Nr. 100 nächst der Carlskirche, 5. Stiege, 2. Stock.

18

»Wildemann«, ein romantisch gelegenes Städtchen im Harzgebirge.

19

»Ständchen« und »Trinklied« enthalten von Schubert's Hand die Angabe: »Componirt in Währing, Juli 1826.« Ueber die Entstehungsart des »Ständchen« theilte mir Herr Franz Doppler (Geschäftsführer in der Musikalienhandlung Spina) folgendes Geschichtchen mit: »Schubert befand sich eines Sonntags im Sommer 1826 mit mehreren Bekannten (worunter auch Doppler) von Pötzleinsdorf aus auf dem Heimweg nach der Stadt, als er beim Wandern durch Währing Freund Tieze in dem Gasthausgarten ›Zum Biersack‹ an einem Tisch sitzend sah.« Die Gesellschaft beschloß daher, ebenfalls Rast zu machen. Tieze hatte ein Buch vor sich liegen, in welchem Schubert alsbald zu blättern begann. Plötzlich hielt er inne, und auf ein Gedicht zeigend äußerte er: »Mir fällt da eine schöne Melodie ein, hätte ich nur Notenpapier bei mir!« Herr Doppler zog nun auf der Rückseite eines Speisezettels die entsprechenden Linien, und in Mitte eines durch Harfenisten, Kegelschieber und hin und her eilende Kellner verursachten echten Sonntagtumultes schrieb Schubert das reizende Liedchen auf.

20

»Nachthelle«, eines der poetischsten Tongebilde, wurde am 25. Jänner 1827 in einem der Donnerstagsconcerte im Musikverein aufgeführt. Als Einladung, dieser Aufführung beizuwohnen, erhielt Schubert von seinem Freund Ferdinand Walcher (derzeit erzherzoglicher Hofrath in Wien) folgendes, in meinem Besitz befindliche Schreiben:

»Du nicht, das weiß ich wohl, aber das wirst Du mir glauben, daß Tieze heute Abend beim Verein Deine ›Nachthelle‹ singen wird, wozu Dich N. Fröhlich mittelst der drei mitfolgenden Billets einladet, die ich die Ehre habe, Dir des großen Schnees wegen im Wege des Kaffeehauses zur lustigen Plunzen zu übermitteln.

Wien 27/1 1827.

Dein wohlaffectionirter Gönner Walcher.

Vidi Julimauser aus Freiburg.«

21

Es waren dies die Brüder Carl und Franz Hacker (Violine und Viola), Ersterer im Jahre 1830 gestorben, Letzterer Oberlandesgerichtsrath in Wien, Franz Hauer (derzeit Fabriksarzt »in der Öd«) und der Cellist des Hofoperntheaters, Bauer. Von den zwei Quartetten gelangte damals nur jenes in D-Moll zur Aufführung. In der Hacker'schen Wohnung (Schönlaterngasse Nr. 673) wurde es unter Schubert's Leitung, der in den frischcopirten Stimmen die ihm nöthig scheinenden Correcturen und Abkürzungen vornahm, in Gegenwart Randhartinger's und Holzapfel's zum ersten Mal am 29. Jänner 1826 und dann Tags darauf durchprobirt, und am 1. Februar in der Wohnung des Hofkapellsängers Josef Barth als neues Werk gespielt. (Nach einer Mittheilung des Herrn Dr. Hauer und dem damit übereinstimmenden Tagebuch Herrn Franz Hacker's.)

22

Das Original (im Besitz des Herrn Spina) enthält das Datum 20–30. Juni 1826.

23

Das Rondeau erschien im Kunstverlag Artaria in Wien, der auch das Autograf besaß, bis dieses in die Hände des Herrn Balsch, eines russischen Edelmannes, überging. Der Violinvirtuose Slawik aus Prag spielte das Duo mit Herrn Bocklet in einer Gesellschaft bei Artaria, wo auch Schubert gegenwärtig war. Dieser Violinspieler à la Paganini reussirte aber weder mit diesem Stück, noch mit der »Fantasie« (op. 159), die er im Jahr 1828 im Redoutensaal vortrug. Seinem brillanten Spiel fehlte die Reinheit des Tons.

Quelle:
Kreissle von Hellborn, Heinrich: Franz Schubert. Wien: Carl Gerold's Sohn, 1865, S. 376-393.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Bunte Steine. Ein Festgeschenk 1852

Bunte Steine. Ein Festgeschenk 1852

Noch in der Berufungsphase zum Schulrat veröffentlicht Stifter 1853 seine Sammlung von sechs Erzählungen »Bunte Steine«. In der berühmten Vorrede bekennt er, Dichtung sei für ihn nach der Religion das Höchste auf Erden. Das sanfte Gesetz des natürlichen Lebens schwebt über der idyllischen Welt seiner Erzählungen, in denen überraschende Gefahren und ausweglose Situationen lauern, denen nur durch das sittlich Notwendige zu entkommen ist.

230 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon