|
[208] Straßburg 26. Okt. 1778.
Ich bin noch hier, wie Sie sehen, und zwar auf Anrathen des Hrn. Franks und anderer Straßburger Helden, doch morgen reise ich ab. In dem letzten Brief habe ich Ihnen geschrieben daß ich den 17. Samstag so ungefähr ein kleines Modell von einem Concert geben werde, weil es hier mit Concertgeben noch schlechter ist, als in Salzburg. Das ist nun natürlicher Weise vorbei; ich habe ganz allein gespielt, gar keine Musik genommen, damit ich doch nichts verliere, kurz, ich habe 3 ganze Louisd'or eingenommen. Das meiste bestand aber in den Bravo und Bravissimo, die mir von allen Seiten zugeflogen, und zwar der Prinz Max von Zweibrücken beehrte auch den Saal mit seiner Gegenwart. Daß Alles zufrieden war, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Da habe ich gleich abreisen wollen, aber man hat mir gerathen, ich soll noch bleiben bis andern Samstag und ein großes Concert im Theater geben. Da hatte ich die nämliche Einnahme, zum Erstaunen und Verdruß und Schande aller Straßburger. Der Director Mr. Villeneuve fouterte über die Einwohner dieser wirklich abscheulichen Stadt, daß es eine Art hatte. Ich habe freilich ein wenig mehr gemacht, allein die Unkosten der Musik (die sehr sehr schlecht ist, sich aber gut bezahlen läßt), der Illumination, Buchdruckerei, Wache, die Menge Leute bei den Eingängen etc. machten eine große Summe aus; doch ich muß Ihnen sagen, daß mir die Ohren von dem Applaudiren und Händeklatschen so wehe gethan, als wenn das ganze Theater toll gewesen wäre; alles was darin war, hat öffentlich und laut über die eigenen Stadtbrüder geschmält und ich habe allen gesagt, daß wenn ich mir mit gesunder Vernunft hätte vorstellen können, daß so wenig Leute kommen würden, ich das Concert sehr gerne gratis gegeben hätte, nur um das Vergnügen zu haben das Theater voll zu sehen; und in der That, mir wäre es lieber gewesen, denn bei meiner Ehre, es ist nichts Traurigeres als eine große Tafel von 80 Couverts und nur 3 Personen zum Essen. Und dann war es so kalt! Ich habe mich aber schon gewärmt und um den Herren Straßburgern zu zeigen, daß[209] mir gar nichts daran liegt, so habe ich für meine Unterhaltung recht viel gespielt, habe um ein Concert mehr gespielt, als ich versprochen habe und auf die Letzt lange aus dem Kopf. Das ist nun vorbei, wenigstens habe ich mir Ehre und Ruhm gemacht.
Ich habe von Hrn. Scherz 8 Louisd'or genommen, nur aus Fürsorge, indem man niemals wissen kann, was einem auf der Reise zustößt und allzeit besser ist, ich habe, als ich hätte. Ich habe Ihren wahren, väterlich wohlmeinenden Brief gelesen, welchen Sie an Mr. Frank geschrieben, da Sie so wegen meiner in Sorgen waren.54 Sie haben freilich nicht wissen können, was ich damals, als ich Ihnen von Nancy schrieb, selbst nicht wußte, nämlich daß ich so lange auf eine gute Gelegenheit werde warten müssen. Wegen dem Kaufmann, der mit mir reist, dürfen Sie ganz außer Sorge sein, der ist der ehrlichste Mann von der Welt, sorget mehr für mich als für sich, geht mir zu Gefallen nach Augsburg und München und vielleicht gar nach Salzburg. Wir weinen allzeit zusammen, wenn wir denken, daß wir scheiden müssen. Er ist kein gelehrter Mann, allein ein Mann von Erfahrung, wir leben zusammen wie die Kinder. Wenn er auf seine Frau und Kinder denkt, die er zu Paris hinterlassen, so muß ich ihn trösten, denk ich auf meine Leute, so spricht er mir Trost ein.
Den 31. Okt. an meinem hohen Namenstag amusirte ich mich ein paar Stunden, oder besser, ich amusirte die andern. Ich habe auf so vieles Bitten der Hrn. Frank, de Berger etc. wieder ein Concert gegeben, welches mir wirklich nach Zahlung der Unkosten (die dießmal nicht groß waren) einen Louisd'or eintrug. Da sehen Sie, was Straßburg ist! Ich habe Ihnen oben geschrieben, daß ich den 27. oder 28. abreisen werde, das war aber eine Unmöglichkeit, weil man hier auf einmal eine ganze Ueberschwemmung von Wasser hatte, die sehr vielen Schaden gethan. Das werden Sie schon in den Zeitungen[210] lesen. Mithin konnte man nicht reisen, und das war auch das einzige, was mich zum Entschluß brachte, die Proposition noch ein Concert zu geben, zu acceptiren, weil ich ohnehin warten mußte.
Morgen gehe ich mit der Diligence, über Mannheim. Erschrecken Sie nicht. Man muß in fremden Ländern thun, was Leute, die es aus Erfahrung besser wissen, rathen. Die meisten Fremden, welche nach Stuttgart (NB. mit der Diligence) gehen, sehen die 8 Stunden Umweg nicht an, weil der Weg besser und der Postwagen besser ist. Nun bleibt mir nichts übrig, als Ihnen, liebster bester Vater, zu Ihrem kommenden Namensfest von Herzen zu gratuliren. Bester Vater! ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen alles was ein Sohn, der seinen lieben Vater recht hochschätzet und wahrhaft liebt, zu wünschen vermag. Ich danke Gott dem Allmächtigen, daß er Ihnen diesen Tag in bester Gesundheit wieder hat erleben lassen, und bitte ihn nur um diese Gnade daß ich Ihnen mein ganzes Leben durch, alle Jahre (deren ich viele zu leben im Sinne habe) gratuliren kann. So sonderbar, und vielleicht auch lächerlich Ihnen dieser Wunsch vorkommen mag, so wahr und wohlmeinend ist er, das versichere ich Sie.
Ich hoffe, Sie werden meinen letzten Brief aus Straßburg erhalten haben. Ich will nichts mehr über Mr. Grimm schreiben, doch kann ich nicht umgehen zu sagen, daß er wegen seiner Einfältigkeit so übereilt abzureisen Ursache ist, daß meine Sonaten noch nicht gestochen, das heißt noch nicht in Licht oder halt wenigstens, daß ich sie noch nicht habe und wenn ich sie bekomme, etwa voll der Fehler finde. Wenn ich nur noch 3 Tage in Paris geblieben wäre, so hätte ich sie selbst corrigiren und mit mir nehmen können! Der Stecher war desparat, als ich ihm sagte, daß ich sie nicht selbst corrigiren kann, sondern einem andern darüber Commission geben muß. Warum? weil Mr., als ich ihm sagte, daß ich (weil ich nicht 3 Tage mehr bei ihm im Hause sein kann) wegen den Sonaten zum Graf von Sickingen logiren gehen will, mir antwortete mit vor Zorn funkelnden Augen: »Hören Sie, wenn Sie aus meinem Hause gehen, ohne Paris zu verlassen, so schaue ich Sie mein Lebetag nicht mehr an, Sie[211] dürfen mir nicht mehr unter die Augen, ich bin Ihr ärgster Feind.« Ja, da war Gelassenheit nothwendig. Wenn es mir nicht um Sie gewesen wäre, der von der ganzen Sache nicht informirt ist, so hätte ich ganz gewiß gesagt: »So seien Sie es, seien Sie mein Feind, Sie sind es ja so, sonst würden Sie mich nicht hindern, meine Sachen hier in Ordnung zu bringen, alles was ich versprochen zu halten, und hiemit meine Ehre und Reputation zu erhalten, Geld zu machen und vielleicht auch mein Glück, denn wenn ich nach München komme, der Churfürstin selbst meine Sonaten präsentire, so halte ich mein Wort, bekomme ein Präsent oder mache vielleicht gar mein Glück.« So aber machte ich nichts als eine Verbeugung und ging weg, ohne ein Wort zu sagen. Ehe ich abgereiset, habe ich es ihm doch gesagt, er antwortete mir aber wie ein Mensch ohne Verstand oder wie ein böser Mensch, der bisweilen keinen haben will. Ich habe schon zweimal an Mr. Heina geschrieben und keine Antwort erhalten. Zu Ende September hätten sie erscheinen sollen, und Mr. Grimm hätte mir die versprochenen Exemplare gleich nachschicken sollen. Ich glaubte, ich würde in Straßburg alles antreffen, Mr. Grimm schreibt mir, er hört und sieht nichts davon; sobald er sie bekommt so wird er sie mir schicken, ich hoffe ich werde sie bald bekommen.
Straßburg kann mich fast nicht entbehren! Sie können nicht glauben, was ich hier in Ehren gehalten und beliebt bin. Die Leute sagen, es geht bei mir alles so nobel zu, ich sei so gesetzt und höflich und habe so eine gute Aufführung. Alles kennt mich. Sobald sie den Namen gehört haben, so sind schon gleich die zwei Herrn Silbermann und Herr Hepp (Organist) zu mir gekommen, Herr Capellmeister Richter auch. Er ist jetzt sehr eingeschränkt, anstatt 40 Bouteillen Wein sauft er jetzt etwa nur 20 des Tages. Ich habe auf die zwei hier besten Orgeln von Silbermann öffentlich gespielt, in der lutherischen Kirche, in der Neukirche und Thomaskirche. Wenn der Cardinal (der sehr krank war, als ich ankam) gestorben wäre, so hätte ich einen guten Platz bekommen, denn Herr Richter ist 78 Jahr alt. Nun leben Sie recht wohl, seien Sie recht munter und aufgeräumt, denken Sie, daß[212] Ihr Sohn Gott Lob und Dank frisch und gesund und vergnügt ist, weil er seinem Glücke immer näher kommt. – Letzten Sonntag habe ich im Münster eine neue Messe von Herrn Richter gehört, die charmant geschrieben ist.
54 | »Ich beichtete und communicirte sammt Deiner Schwester«, schrieb der Vater, »und hat Gott inständigst um Deine Erhaltung; der beste Bullinger betet täglich in der heil. Messe für Dich.« |
Ausgewählte Ausgaben von
Mozarts Briefe
|
Buchempfehlung
Robert ist krank und hält seinen gesunden Bruder für wahnsinnig. Die tragische Geschichte um Geisteskrankheit und Tod entstand 1917 unter dem Titel »Wahn« und trägt autobiografische Züge, die das schwierige Verhältnis Schnitzlers zu seinem Bruder Julius reflektieren. »Einer von uns beiden mußte ins Dunkel.«
74 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro