188. Mozarteum.

[352] Wien 13. Febr. 1782.

Ma très chère soeur!

Ich danke Dir für das übergeschickte Büchl, welches ich in der That mit größter Sehnsucht erwartet habe! – Ich hoffe daß Du, da Du diesen Brief erhältst, unsern lieben, besten Vater schon wieder bei Dir hast. – Du darfst aus dem daß ich Dir nicht antworte, nicht schließen, daß Du mir mit Deinem Schreiben beschwerlich fällst! – Ich werde die Ehre, von Dir liebe Schwester einen Brief zu erhalten, allzeit mit dem größten Vergnügen aufnehmen; – wenn es meine (für meinen Lebensunterhalt) nothwendigen Geschäfte zuließen, so weiß es Gott, ob ich Dir nicht antworten würde! – Habe ich Dir denn gar niemals geantwortet? – also, Vergessenheit kann es nicht sein – Nachlässigkeit auch nicht,[352] mithin ist es nichts, als unmittelbare Hindernisse – wahre Unmöglichkeit! – Schreib ich meinem Vater nicht auch wenig genug? – schlecht genug, wirst Du sagen! Aber um Gottes Willen – Sie kennen doch beide Wien! – Hat ein Mensch (der keinen Kreuzer sicheres Einkommen hat) an einem solchen Orte nicht Tag und Nacht zu denken und zu arbeiten genug? – Unser Vater, wenn er seine Kirchendienste und Du Deine paar Scolaren abgefertiget hast, so können Sie beide den ganzen Tag thun was Sie wollen, und Briefe schreiben, die ganze Litaneien enthalten, – aber ich nicht. Ich habe meinem Vater schon letzthin meinen Lebenslauf beschrieben und ich will ihn Dir wiederholen. – Um 6 Uhr früh bin ich schon allzeit frisirt, um 7 Uhr ganz angekleidet. Dann schreib ich bis 9 Uhr. Von 9 Uhr bis 1 Uhr habe ich meine Lectionen; dann esse ich wenn ich nicht zu Gaste bin, wo man dann um 2 Uhr und auch 3 Uhr speist, wie heute und morgen bei der Gräfin Zichi und Gräfin Thun. Vor 5 Uhr Abends oder 6 Uhr kann ich nichts arbeiten, und öfters bin ich durch eine Academie daran verhindert; wo nicht, so schreibe ich bis 9 Uhr. Dann gehe ich zu meiner lieben Constanz, – allwo uns das Vergnügen uns zu sehen durch die bittern Reden ihrer Mutter mehrentheils verbittert wird – welches ich meinem Vater im nächsten Brief erklären werde – und daher gehört der Wunsch daß ich sie so bald möglich befreien und erretten möchte. – Um halb 11 Uhr oder 11 komme ich nach Haus; – das besteht von dem Schuß ihrer Mutter oder von meinen Kräften ihn auszuhalten. – Da ich mich wegen den vorfallenden Academien und auch wegen der Unsicherheit ob ich nicht bald da bald dort hingerufen werde, auf das Abendschreiben nicht verlassen kann, so pflege ich (besonders wenn ich früher nach Hause komme) noch vor dem Schlafengehen etwas zu schreiben. Da verschreibe ich mich öfters bis 1 Uhr – und dann wieder um 6 Uhr auf. – Liebste Schwester! wenn Du glaubst daß ich jemals meinen liebsten besten Vater und Dich vergessen könne, so – – doch still! Gott weiß es, und das ist mir Beruhigung genug, – der soll mich strafen, wenn ich es kann! – Adieu.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 352-353.
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