260. Otto Jahn.

[462] München November 1790.

Liebstes bestes Herzensweibchen.

Was mir das weh thut daß ich bis Linz warten muß um von Dir Nachricht zu haben das kannst Du nicht glauben. Geduld, wenn man nicht weiß wie lange man sich an einem Orte aufhalten wird, so kann man auch keine bessern Anstalten treffen. – Ich habe (ohngeachtet ich gerne lang bei meinen alten Mannheimer Freunden bleiben möchte) nur einen Tag hier bleiben wollen, nun muß ich aber bis den 5. oder 6. bleiben, weil mich der Churfürst wegen des Königs von Neapel zur Academie gebeten hat. Das ist wirklich eine Distinction. – Eine schöne Ehre für den Wiener Hof, daß mich[462] der König in fremden Landen hören muß! [S. 459.] Daß ich mich mit Cannabich'schen, 1a bonne Ramm, Marchand und Borchard gut unterhalte und recht viel von Dir, meine Liebe, gesprochen wird, kannst Du Dir wohl einbilden. – Ich freue mich auf Dich, denn ich habe viel mit Dir zu sprechen. Ich habe im Sinne zu Ende künftigen Sommers diese Tour mit Dir, meine Liebe, zu machen, damit Du ein anderes Bad versuchest, dabei wird Dir auch die Unterhaltung, Motion und Luftveränderung gut thun, so wie es mir herrlich anschlägt; da freue ich mich recht darauf und Alles freuet sich.

Verzeihe, wenn ich Dir nicht so viel schreibe als ich gern möchte; Du kannst Dir aber nicht vorstellen wie das Gereiß um mich ist. – Nun muß ich zu Cannabich, denn es wird ein Concert probirt. Adieu, liebes Weibchen; auf diesen Brief kann ich nach meiner Rechnung keine Antwort hoffen. Leb wohl, meine Liebe, ich küsse Dick Millionenmal und bin ewig Dein Dich bis in den Tod liebender Mozart.

P.S. Die Grethel [Margarethe Marchand, vgl. S. 304 u.a.] ist nun mit der Lebrun ihrem Bruder verheirathet, heißt also Madame Danzi. Das Borchard Hannchen [ebenfalls Leop. Mozarts Schülerin] ist nun 16 Jahre alt und ist leider durch die Blattern häßlich geworden. – Schade! – Die kann nicht genug von Dir sprechen. Sie spielt ganz artig Clavier.

Auch von dieser Reise kehrte Mozart ohne den gehofften vollen Säckel zurück. Nach wenigen Wochen sah er mit schwerem Herzen auch seinen aufrichtigsten Freund unter den Künstlern, Joseph Haydn, Wien verlassen und sollte ihn niemals wiedersehen. Auch mit Mozart traf Salomon, der Haydn für die Londoner Concerte engagirt hatte, damals vorläufige Verabredungen, daß er nach Haydns Rückkehr unter ähnlichen Bedingungen nach England kommen solle, und wir sehen nun in diesem Jahre, dem letzten seines Lebens, den Meister über alle Begriffe thätig, um den Anforderungen des Lebens und auch mancher Freunde zu genügen. Kein Jahr ist so fruchtbar an Compositionen der bedeutendsten Art wie dieses; es genüge Titus, Zauberflöte und Requiem zu nennen.[463] Anfangs Mai aber machte er wieder einen Versuch zu einer festen Anstellung zu gelangen und zwar als Capellmeister an der Stephanskirche, wobei sicher seine Neigung für die Kirchenmusik wesentlich mitbestimmend war. Diese Adjunction erfolgte in der That, allein der alte Capellmeister überlebte den 36jährigen Adjuncten.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 462-464.
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