Dresden den 13ten April 1789.
Liebstes, bestes Weibchen! –1
Wir glaubten Samstags nach Tisch in Dresden zu seyn, kamen aber erst gestern Sonntags um 6 Uhr Abends an; – so schlecht sind die Wege. – Ich gieng gestern noch zu Neumanns, wo Mad. von Duschek wohnt, um ihr den Brief von ihrem Manne zu übergeben – es ist im 3ten Stock auf dem Gange und man sieht vom Zimmer Jeden der kömmt; – als ich an die Thüre kam, war schon Herr Neumann da und fragte mich, mit wem er die Ehre hätte zu sprechen; ich antwortete: gleich werde ich sagen wer ich bin, nur haben Sie die Güte Mad. Duschek heraus rufen zu lassen, damit mein Spas nicht verdorben wird, in diesem Augenblick stund aber schon Mad. Duschek vor mir, denn sie erkannte mich vom Fenster aus und sagte gleich, da kommt Jemand der aussieht wie Mozart. Nun war alles voller Freude; – die Gesellschaft war groß und bestund meistens aus lauter häßlichen Frauenzimmern, aber sie ersetzten den Mangel der Schönheit durch Artigkeit. – Heute geht der Fürst2 und ich zum Frühstücke hin, dann zu Naumann, dann in die Capelle. –
Wir werden morgen oder übermorgen von hier nach Leipzig abgehen. – Nach Empfang dieses Briefes mußt Du schon nach Berlin post restanta schreiben. Ich hoffe Du wirst mein Schreiben von Prag richtig erhalten haben. Neumanns lassen sich alle Dir sammt Duscheks empfehlen, wie auch der Herr[dem Herrn?] und Frau Schwägerin Langens.[39]
Liebes Weibchen, hätte ich doch auch schon einen Brief von Dir! – wenn ich Dir alles erzählen wollte, was ich mit Deinem lieben Portrait anfange, würdest Du wohl recht lachen – zum Beyspiel: – wenn ich es aus seinem Arrest heraus nehme, so sage ich: »Grüß Dich Gott Stanzerl! – grüß Dich Gott, grüß Dich Gott – Spitzbub – Knallerballer – Spitzignas – Bagatellerl – Schluck und Druck!« – und wenn ich es wieder hinein thue, so lasse ich es so nach und nach hinein rutschen und sage immer Stu! – Stu! – Stu! – aber mit dem gewissen Nachdruck, den dieses so viel bedeutende Wort erfordert, und bei dem letzten schneller: gute Nacht Mäuserl, schlaf gesund. – Nun glaube ich so ziemlich was dummes (für die Welt wenigstens) hingeschrieben zu haben – für uns aber, die wir uns so innig lieben, ist es gewis nichts dummes; – heute ist der 6te Tag daß ich von Dir weg bin und bei Gott mir scheint es schon ein Jahr zu seyn! – Du wirst oft wohl Mühe haben meinen Brief zu lesen, weil ich in Eile und folglich etwas schlecht schreibe; – adjeu Liebe, Einzige! – Der Wagen ist da – da heißt es nicht bravo und der Wagen ist auch schon da – sondern male. – Lebe wohl und liebe mich ewig so wie ich Dich, ich küsse Dich Millionen mal auf das zärtlichste und bin ewig
Dein Dich zärtlich liebender Gatte
Mozart.
P.S. Wie führt sich unser Carl auf? – Ich hoffe gut; – küsse ihn statt meiner. An Hrn. und Frau von Puchberg alles Schöne.
NB. Du must in Deinen Briefen nicht das Maaß nach den meinigen nehmen, bei mir fallen sie nur deswegen etwas kurz aus weil ich pressirt bin; sonst würde ich einen ganzen Bogen überschreiben – Du hast aber mehr Muße – adjeu.
1 Vgl. O. Jahn, 1. Ausg. III. 477, 2. Ausg. II. 713.
2 Fürst Lichnowsky.