Bald nahte eine besondere Gelegenheit, in der Gluck sich auch die besondere Gnade der Majestäten erwarb.
Der Prinz von Sachsen-Hildburghausen kam eines Tages (es war im Beginne des J. 1754) aus der Kaiserburg mit der Nachricht nach Hause, der Kaiser habe versprochen, ihn im nächsten Sommer mit der Kaiserin und einigen der ältesten, höchsten Familienglieder auf einige Tage in Schlosshof1 zu besuchen. Diesem zufolge begab sich der Prinz schon im Anfange des Monates April mit allen seinen Leuten dahin, um die zum Empfange der hohen Gäste nöthigen Anstalten und Vorbereitungen zu treffen. Selbst die Kapelle wurde mit fünf Personen[52] und zwar mit einem Kontrabassisten, einem Violoncellisten und drei Violinisten, unter denen sich auch Dittersdorf's jüngerer Bruder, Alexander Ditters, befand, vermehrt. Zu den gewöhnlichen Sängerinnen gesellte sich noch die Katharina Starzer, Schwester des vortrefflichen Ballet-Tonsetzers gleichen Namens, dessen Schöpfungen nicht allein zu Wien und Paris, sondern auch zu Petersburg, wo er über acht Jahre thätig wirkte, grosses Glück machten und hohen Beifall fanden.2 Diese Sängerin besass eine reine, tiefe Contre-Altstimme und einen überaus schönen Vortrag. Auch sie war, gleich der einst berühmten Theresia Teiber, eine Schülerin Bonno's, dem die Kunst, treffliche Sänger zu bilden, im hohen Grade eigen war.
Bonno erhielt schon früher den Auftrag, zwei dramatische Stücke des Hofdichters Metastasio zur Aufführung bereit zu halten, und auch Gluck, der damals den Titel eines herzogl. Kapellmeisters führte, musste ein dramatisches Gedicht von demselben Dichter: »Le Cinesi« zur Bearbeitung übernehmen.3
Letztere Dichtung wurde bereits im J. 1735 geschrieben, von Reutter in Musik gesetzt und, in Verbindung mit einem Ballete, im Innern der kaiserl. Hofburg von zwei Erzherzoginnen und einer Hofdame während des Faschings aufgeführt. Der Dichter musste jedoch das Werk auf Verlangen des Prinzen, der ausser den drei weiblichen noch eine Mannsrolle hinzugefügt wissen wollte, zu obigem Zwecke noch einmal umarbeiten.
Gluck begab sich daher erst in der Mitte des Monates Mai nach Schlosshof. Er wurde bei der Anordnung der Festlichkeiten überall zu. Rathe gezogen: denn er hatte manchen drolligen Einfall und ertheilte, da er auf seinen Reisen Vieles gehört,[53] gesehen und erfahren hatte, die zweckmassigsten Vorschläge zu deren Verherrlichung.
Eine theilweise, nicht ganz richtige Beschreibung dieses zum Theil sonderbaren, zum Theil erhebenden und mit ungewöhnlichem Kostenaufwande in den Tagen vom 23. bis einschliessig 26. September veranstalteten, von dem schönen Schlosse, dessen herrlichem Garten und lieblichen Umgebungen begünstigten ländlichen Festes bietet Dittersdorf in seiner Lebensbeschreibung, herausgegeben von Karl Spazier, Seite 64 bis 74. – Aber eine höchst ausführliche, genaue und wahrheitsgetreue, allein in der steifen, geschmacklosen und höchst ungeniessbaren Darstellungsweise der damaligen Zeit abgefasste Schilderung liefert die besondere Beilage zur Nummer 82 der Wiener-Zeitung vom J. 1754 auf zwölf Quartblättern.
Ein umgearbeiteter Auszug aus beiden Schriften dürfte hier um so mehr einen Platz verdienen, als derselbe das Talent unseres grossen Tonsetzers und dessen Theilnahme an den besagten Festlichkeiten zugleich ehrenvoll berührt.
Endlich erschien der längstersehnte Tag in seinem Glanze. Es war der vierte Montag oder der 23. Tag des Herbstmonates. Der reinste Himmel und die mildeste Luft begünstigten die Unternehmung. Um Ein Uhr Mittags trafen die hohen Gäste mit ihrem Gefolge, und zwar der Kaiser, die Kaiserin, die Erzherzoge Joseph und Karl, die Erzherzoginnen Marianna und Christina, die Obersthofmeisterin und noch sechs andere Kavaliere und Damen, nebst einiger Dienerschaft in Schlosshof ein.
Der Einzug geschah geräuschlos und ohne Störung. Kein Triumphbogen war zu sehen, weder Freudenschüsse, noch Trompettengeschmetter und Paukenwirbel zu hören; tiefe Stille herrschte rings umher, und selbst das Landvolk war unsichtbar. Der Prinz hatte geflissentlich allen Prunk und Lärm vermieden, um dem, was da kommen sollte, eine desto überraschendere Wirkung zu verleihen. Nur Er und sein Hofkavalier, Baron[54] von Beust empfingen die Majestäten unter dem Hauptthore des Sommerpalastes.
Nach aufgehobener Mahlzeit, bei welcher der kostbare, die kaiserl. Tafel schmückende Nachtisch die zwölf Monate vorstellte, fuhr man nach dem, eine Viertelstunde von Hof entfernten Schlosse zu Niederweyden, wo der Prinz die hohen Ankömmlinge, erstlich von einer schattigten Waldpartie des grossen Gartens zur andern führend, endlich unvermerkt an ein lebendiges Theater geleitete, das in seinem Hintergrunde die reizende Aussicht bis an das blaue Gebirge von Pressburg eröffnet. Nun erscholl mit einem Male die Ouverture zu dem von Metastasio gedichteten und von Bonno in Musik gesetzten Gelegenheitsdrama »Il vero Omaggio« – und nach gelüftetem Vorhange begann das Schauspiel selbst, worin die Zauberstimmen einer Tesi-Tramontini und einer Theresia Heinisch die Zuhörer entzückten.
Waren die gekrönten Gäste schon jetzt auf das angenehmste überrascht, so geschah dieses in einem noch höheren Grade, als in dem letzten Duette, worin die Nymphen mit den Worten: »Selvaggi abitatori, selvaggi abitatrici! Venite ai nostri Numi, offrite tutt' in omaggio il cuor!« – gleichsam alle Bewohner des Waldes zur Huldigung aufforderten, sich aus der Ferne vier Echos von Wald- und Hifthörnern, Trompetten, Flöten und Hoboen vernehmen liessen, worauf dann plötzlich die Bewohner der Gegend herbeiströmten, ein Theil derselben in ehrfurchtsvoller Ferne weilte, ein anderer näher herantrat, und ein dritter ringsum auf die Bäume kletterte, welches Treiben dem Kaiser überaus wohl gefiel. Dieses Wohlgefallen erreichte den höchsten Grad, als eben diese aus Männern und Weibern, Jünglingen und Jungfrauen, Knaben und Mädchen zusammengesetzten Landbewohner die letzten Worte des Drama: »Tutt' in omaggio il cuor« in einem Vollgesange von mehr als zweihundert Stimmen so richtig und rein, wie kunstgeübte Sänger wiederholten. Dieser Chor war von so ausserordentlicher, überraschender Wirkung, dass der Eindruck desselben jeden Anwesenden mächtig erfasste, und den Kaiser selbst in die tiefste Rührung versetzte.[55]
Des Abends wurde in dem wohleingerichteten Schlosstheater ein zweites dramatisches Gedicht von Metastasio mit Musik von Bonno und dem Titel: »L'Isola disabitata,« welchem Stücke die Majestäten nicht minderen Beifall zollten, mit gleicher Meisterschaft aufgeführt.
Der Pinsel des geschickten Künstlers hatte den Saal dergestalt ausgemalt, dass dieser einer, von zahlreichen maskirten Zuschauern wohlbesetzten Gallerie ähnlich war.
In dem genannten Singspiele glänzten die Katharina Starzer und der Tenor Josep Friberth, beide ausgezeichnet in Gesang und Spiel.
Das, diesem Kunstgenusse folgende Nachtmahl gewährte den Anblick einer neuen sehenswerthen Erfindung, welche die Verherrlichung des Erzhauses Oesterreich in durchscheinenden Sinnbildern, Inschriften und kunstreich gearbeiteten Zuckerwerken zum Zwecke hatte.
Also endete die Feier des ersten Tages.
Den ganzen Vormittag des folgenden 24sten widmeten die gekrönten Häupter den Staatsgeschäften; der Nachmittag hingegen war einer grossartigen Jagdpartie an den Ufern der March geweiht, wozu am Fusse des jenseitsgelegenen, auf seiner Höhe dicht mit Bäumen bewachsenen, sich in den Fluss hinein erstreckenden Berges Kobel ein vierzehn Klaftern langes, sechs und dreissig breites und sechszehn Klaftern hohes, prachtvolles, gleich einer Triumphpforte gestaltetes und ausgeschmücktes Gebäude errichtet war. Es bestand aus neun Bögen im ersten, und drei ähnlichen im zweiten Stockwerke, in deren mittlerem die Bildsäule der Diana, in den Nebenarkaden aber zwei Chöre von Trompettern und Paukern aufgestellt waren. An beiden Ufern und in des Stromes Mitte erhoben sich überaus geschmackvoll erbaute, mit frischem Laubwerk umgebene Schiessstätten, die durch eine Brücke verbunden und mit den mannigfaltigsten Verzierungen und Malereien, gleich Gartenpalästen, ausgestattet waren.
Die Fläche des Flusses bedeckte eine Anzahl schön geschmückter, grösserer und kleinerer Schiffe, deren Eines, das[56] an der Spitze der übrigen stand, mit Musikern und Sängern angefüllt war. Das Schiff der Majestäten glich einem Venediger, von Gold- und Silberverzierungen strahlenden Bucentoro, dessen Bord ein, bis zur Wasserfläche niedersinkender, mit Silberfransen reich besäumter Teppich umgab. Ein Steuermann und vier Ruderknechte leiteten jedes dieser, in der Gesammtansicht einer kleinen Flotte gleichenden Schiffe.
Die Schiffer des grossen kaiserlichen, so wie jene der sechs kleineren Fahrzeuge prangten in rothen und gelben, mit Silber verbrämten Barcarolgewändern, und farbige Schwungfedern schmückten ihre Mützen. Die übrigen Führer waren mit unbetressten Kleidern, die Musiker jedoch mit rothen und gelben Maskenanzügen gleichförmig angethan, und die Sängerinnen als Nymphen gekleidet.
Sobald die Majestäten das Prunkschiff bestiegen hatten, begann die Musik zu ertönen, um die erlauchten Gäste mit eigenen, für diese Gelegenheit gedichteten und harmonisch gesetzten Chören zu begrüssen. So segelte das kleine Geschwader unter fortwährendem Schalle der Trompetten, Pauken und des Gesanges allmählich zu den Flössen, die sich in einer langen Kette brückenähnlich über die ganze March hinzogen.
Mit einem Male öffnete sich ein Floss, wie ein Thor, dergestalt, dass die ganze Flotte sonder Aufenthalt und Hinderniss bis zur Brücke der kaiserl. Schiessstätte gelangen konnte. Dieser Anblick war überraschend und rief den lautesten Beifall hervor.
Als die erhabenen Personen die erste Schiessstätte betreten und das obere Stockwerk bestiegen hatten, hörte man, auf ein, von dem Prinzen gegebenes Zeichen, plötzlich nicht allein die Rufe der Hift- und Waldhörner und das Jagdgeschrei der Jäger erschallen, sondern man sah auch, wie einige hunderte, in rothe und gelbe Farben gekleidete, weiss-rothe Fahnen schwingende Landleute, mit zahlreichen Waidmännern gemischt und wohl geordnet, das Gebüsch verliessen, und eine grosse Anzahl von Hirschen und anderem Wilde den Berg hernieder vor sich hertrieben. Diese Treibjagd hatte zum Zwecke, dass das Wild über die erwähnte, von dem Berge bis zur Stirnseite des Gebäudes[57] errichtete, mit grünem Wasen belegte und durchgehends mit Bäumen und Büschen bepflanzte Brücke herabgesprengt und so genöthiget werden sollte, sich durch die Säulengänge in die Fluthen zu stürzen: allein, da sowohl die gegenüberstehenden Gebäude, als auch die lärmenden Zuschauer veranlassten, dass das hierdurch erschreckte Wild nicht weiter vorwärts gelangte, sich plötzlich wieder rückwärts wandte, um das Jagdpersonal zu durchbrechen; so wurde das Belustigende dieser Scene in einem hohen Grade vermehrt.
Den Jägern gelang es jedoch bald wieder, mit ihren flatternden Fahnen die Flüchtlinge vorwärts zu treiben. Nun raste das Wild in grosser Menge den übrigen Theil des Berges hinan, dann über die Brücke hinab, stürzte sich durch die Arkaden von einer bedeutenden Höhe in den Fluss, schwamm einige Zeit in demselben umher, stieg wieder ans Land, rannte an der Schiessstätte vorbei, sprang von Neuem in die Wellen und beschäftigte so abwechselnd, bald zu Wasser, bald zu Lande, die Augen der Zuschauer.
Obschon jedoch der Prinz die hohen Gäste aufgefordert hatte, eine beliebige Menge dieses Wildes zu erlegen; so wurden doch auf den Wunsch des Kaisers und der Kaiserin die Jagdtücher wieder geöffnet, und den Thieren die Freiheit geschenkt; selbst der ganze zweite, aus mehr als sechshundert Stücken jeder Gattung bestehende Trieb wurde aufgelassen, und, da der Tag sich zu neigen begann, bloss zur kleinen Jagd geschritten.
Diese war so geordnet, dass mehr denn tausend Hasen, hundert und sechsunddreissig Füchse und sechzig Wildschweine dem Jagdvergnügen angewiesen waren.
Diese Thiere gelangten in ihrem Laufe zuerst auf die Plattform der Dachung des, auf der Landseite westwärts erbauten Gartenpalastes nach und nach hervor, rannten dann über eine, besonders dazu errichtete Treppe in das Mittelstockwerk herab, sprangen wieder durch Thüren und Fenster auf die Gallerien, und liefen abermals von dannen in den unteren Stock, bis sie die ebene Erde erreicht hatten.[58]
Nachdem die Erzherzoge mit vieler Geschicklichkeit einige Füchse und Wildschweine in vollem Laufe gebürstet hatten, fuhren die hohen Anwesenden insgesammt in das Schloss zurück.
Die Freuden dieses Tages beschloss neuerdings eine, auf dem Schlosstheater zu Hof aufgeführte Gelegenheits-Dichtung von Metastasio. Es war das von unserem Gluck in Musik gesetzte Drama: »Le Cinesi.«4
Nach dem Aufrollen des Vorhanges erblickte das Aug' ein Gemach von so kunstvoller architektonischer Erfindung, dass der überraschte Zuschauer den Sinn der Vorstellung nicht sogleich zu fassen vermochte. Die von Angelo Pompeati5 angegebene Bühnenverzierung war im chinesischen Geschmack ausgeführt, und die durchscheinende, von den, hinter derselben angebrachten zahllosen Wachslichtern bewirkte Beleuchtung von zaubervoller Wirkung. Bildhauer, Lackirer und Vergolder hatten dabei alle Mittel ihrer Kunst reichlich angewendet. Was jedoch der, aus vielen, mit chinesischen Figuren gezierten Säulen bestehenden Dekoration den grössten optischen Reiz und theatralischen Glanz verlieh, waren die, dicht aneinander gereihten und befestigten, in den Glashütten Böhmens geschliffenen prismatischen Stäbchen, welche in den, zwischen diesen Säulen offen gelassenen Feldern angebracht waren und im schönsten Farbenglanze spielten. – »Und dazu nun die göttliche Musik eines Gluck« (ruft Dittersdorf, der noch in seinen letzten Lebens- und Leidenstagen sich an die himmlischen Töne des grosson Tonmeisters mit einer Art von Wonnegefühl erinnerte begeistert aus)! – »Es war nicht allein das liebliche Spiel der glänzenden, stellenweise von kleinen Glöckchen, Triangeln, Handpauken und Schellen, bald einzeln, bald zusammen, begleiteten Symphonie, welche die Zuhörer gleich Anfangs, ehe[59] noch der Vorhang emporrauschte, mit Entzücken erfüllte! – Die ganze Musik war durch und durch ein Zauberwerk!« –
Der Kaiser äusserte über die ganze Vorstellung, die von den Engelsstimmen einer Tesi-Tramontini, der Heinisch, der Starzer und des Josef Friberth getragen wurde, ein so ungeheuchelt ausgesprochenes grosses Wohlgefallen, dass er gleich nach beendigtem Stücke die Bühne betrat, Alles genau besah, sich Alles erklären liess und den Prinzen um eine Zeichnung der theatralischen Ausschmückung bat.
Die Sänger hatten in beiden Stücken Bonno's und in dem kleinen Meisterwerke Gluck's nicht allein den grössten Beifall geerntet, sondern auch namhafte Belohnungen empfangen. Die Tesi empfing von der Kaiserin ein Geschenk im Werthe von 300 Dukaten, das aus goldenen, mit den, in Brillanten gefassten Bildnissen des Kaiserpaares geschmückten Armbändern bestand. Die Heinisch und die Starzer bekamen jede 50 Dukaten in Gold, nebst mehreren schönen Frauenschmuckstücken, der Sänger Friberth eine goldene Uhr, und die beiden Kapellmeister goldene, mit Dukaten gefüllte Dosen.
Nach dieser Darstellung begaben sich die erlauchten Gäste in einen mit vielen Spiegeln und krystallenen Hänge- und Wandleuchtern gezierten und hell beleuchteten Saal, wo sie sich durch einige Stunden Terpsichorens Vergnügen widmeten und dann den Tag mit einem kostbaren Nachtmahle beschlossen.
In dem darauf folgenden Winter liess der Kaiser Gluck's kleines Drama im Hoftheater nächst der Burg zu wiederholten Malen aufführen. Da sang die berühmte Gabrieli darin.
Am Vormittage des dritten Tages (am 25sten) ergötzten sich die hohen Gäste in den, unweit dem Schlosse gelegenen Weingärten und Wildgehegen mit einer Hasen-, Fasan- und Repphühnerjagd; ein Gleiches thaten die jüngeren Erzherzoge in dem weitläufigen Garten des Schlosses.
Nachmittags wurde ein Wasser-Caroussel auf dem grossen Weiher zu Kroyssenbrunn, den man einst auf Befehl des Prinzen Eugen von Savoyen angelegt und mit Quadersteinen[60] ausgemauert hatte, nach einem höchst originellen Plane abgehalten.
Nordwärts gegen das Ende dieses, ringsumher von grünen Laubbögen, unter denen sich zahlreiche Bänke für die Zuschauer befanden, umgebenen Weihers war auf einer kleinen Insel ein, ebenfalls mit Laubwerk gedecktes niedliches Lusthaus erbaut, mit welchem sich zu beiden Seiten wohlbefestigte und eben so ausgeschmückte Brücken verbanden.
Auf der Südseite, diesem Lusthause gegenüber, zeigte sich eine gemalte Ansicht von Cypressenbäumen, an deren Füssen abermals eine, über den ganzen Weiher reichende und auf mehr als fünfhundert Personen berechnete Rundschaubühne errichtet war. Inmitten des Teiches erhob sich ein, aus neun Schwibbögen bestehendes Gebäude, das von einem Gestade bis zum andern reichte. In der Mitte dieses Baues sah man eine Gallerie, auf der verschiedene, in den bereits erwähnten Farben gleichförmig gekleidete Blasinstrumentisten, nebst zwei Chören von Trompettern und Paukern sich abwechselnd hören liessen. Vor der Brücke ragten aus dem Wasser, in zwei Reihen aufgestellt, sechs Felsengipfel hervor, auf denen zwei grosse Uhu's als Arlequins, zwei Bären als Pollicinellen und zwei Geissböcke als Pantalons sich zeigten, die zwei, als Hanswürste angethane Füchse und ebensoviel als Doktoren gekleidete Wölfe zur Seite hatten.
Man kann sich die lächerliche Wirkung vorstellen, die das Trauergeschrei der Nachtvögel, das Brummen der Bären, das Meckern der Böcke, das Bellen und Heulen der Füchse und Wölfe und die unaufhörlichen heftigen, nach Freiheit ringenden Bewegungen dieser maskirten, an ihre Standpunkte gefesselten Thiere neben der, dabei stets forttönenden Musik hervorbrachte! –
Auf den zu beiden Seiten des grossartigen Wasserbeckens romantisch gelegenen Hügeln weideten Tausende von Zuschauern ihre Sinne an dem bizarr-komischen Schauspiele.
Nachdem der Prinz seinen Gästen den Anblick aller dieser Gegenstände durch einige Zeit gewährt hatte, gab er mit einem weissen Tuche das Zeichen zu dem eigentlichen Spiele.[61]
Zwei Quadrillen, jede von vier, mit Rittern und Ruderknechten besetzten Schiffen, begannen ihren Wettkampf. Diese aus Landleuten bestehende Bemannung war mit den Masken eines Scapin, Pierrot, Pantalon, Dottore, Arlequin, Brighello, Scaramuzzo und Pollicinell angethan. Ein Trompettenstoss rief nun jedesmal ein Schiff von jeder Quadrille hervor; diese fuhren durch die Schwibbögen, und, nachdem sie die mannigfaltigsten Wendungen nach rechts und links unternommen hatten, schlugen die darauf befindlichen Ritter im Vorübergleiten nach den Felsengipfeln, aus denen plötzlich bald Repphühner, Fasanen und anderes Geflügel, bald Füchse, Hasen, Wölfe und Frischlinge hervorsprangen, die theils die Flucht ergriffen, theils auf der Wasserfläche umherschwammen, oder in die Lüfte flogen. In dieser Weise wurde das Caroussel so lange fortgesetzt, bis die Schiffe sämmtlicher Quadrillen ihren Lauf vollendet hatten. Als jedoch die Zuschauer meinten, das Spiel sei bereits zum Schlusse gebracht, begann der heitere Scherz von Neuem; denn nun rückten nicht allein sämmtliche Quadrillen mit ihren Schiffen in den sinnreichsten und anmuthigsten Bewegungen wohlgeordnet heran, sondern, nachdem ihre Ritter bei der Durchfahrt unter den Schwibbogen mit langen Wasserspritzen in der Gestalt von Lanzen unbemerkt waren versehen worden, schaarten sie sich einander gegenüber und hielten eine Art Treffen, bei welchem sie sich theils in gerader Linie, theils im Vorbeisegeln auf verschiedene Weise angriffen, dann schnell wieder umkehrten, und von Neuem auf einander trafen, bis sie sich mit dem nassen Inhalt ihrer Waffen zu wiederholten Malen und im Uebermasse bespritzt hatten, welches ringsumher die grösste Heiterkeit hervorrief.
Den Schluss dieses Schauspieles bildete eine langsam heranschwimmende Insel mit einem reizenden Garten, in dessen Mitte die, von Buchsbaumlaube gestalteten, mit farbigem Sande bestreuten und ringsum reich mit Blumen gefassten, oberhalb mit der Kaiserkrone geschmückten Namenszuge der anwesenden Majestäten erglänzten. Am Ende dieses, zu beiden Seiten von Orangenbäumen, welche mit Blumenstellen künstlich verbunden[62] waren, umschlossenen Gartens gewahrte man einen achtzehn Schuh hohen Felsen, dessen Vorderseite eine Cascade von fünf Muscheln, die unterste zehn Schuh breit, nebst einem schönen Wasserbecken deckte. Auf des Felsens Spitze prangten die Sinnbilder der erlauchten Personen in Riesengrösse, nämlich die Gerechtigkeit und Güte, von denen letztere der ersteren die Waffen raubte. Weiter abwärts sah man die Nachbarflüsse des Schlosses, die Donau und die March, die aus ihren Urnen auf die Cascade Wasserströme gossen. Am Fusse des Felsens, vom Becken weiter abwärts, gewahrte man auf der einen Seite den Kriegsgott Mars, von der Fama gekrönt, den Neid unter seinen Sohlen; auf der andern Herkules, den Gott der Stärke, von der Pallas mit einer Krone geschmückt, und die Bildnisse des Zornes und des Lasters mit Füssen tretend. Beide Gestalten schleuderten ihre Wasserstrahlen bis zur obersten Muschel der Cascade empor, und bildeten, von den, aus den Urnen der Flussgötter hervorsprudelnden Strömungen verstärkt, einen höchst malerischen Wasserfall, der im Strahle der gegenüber leuchtenden Abendsonne wie Feuer erglänzte.
Die Orangenbäume des kunstvoll, angelegten, in zierliche und blumenreiche Rabatten eingetheilten Gartens prangten mit gefrorenen Frachten und an allen Orten desselben waren die mannigfaltigsten, aus Zucker gebildeten Gegenstände zu schauen und die kostbarsten Früchte zu finden.
Als die reizende Insel, »L'Isola incantata« benannt, von sämmtlichen Quadrillen-Schiffen begleitet, durch den grossen mittleren Schwibbogen bis zum dicht belaubten Lustoder Angelhause, in welchem die hohen Gäste sich versammelt hatten, herangeschwommen und an dasselbe befestigt worden war, traten fünf, prachtvoll in Atlas und Silber gekleidete Gärtner aus dem Orangenhaine hervor und luden die erlauchten Personen ehrfurchtsvoll ein, den Garten mit ihrer hohen Gegenwart zu beehren und dessen Blumen zu pflücken, worauf dann, als sie sich gelagert hatten, mit den gedachten Früchten und Erfrischungen aufgewartet wurde.
Inzwischen näherten sich auch die Erzherzoginnen und[63] Erzherzoge dem, mit zahlreichen Fischen jeder Gattung gefüllten Wasserbecken; da sprangen vier als Fischer und Fischerinnen in Atlas und Silber gekleidete und mit silbernen Netzen versehene Knaben und Mädchen herbei und forderten die jungen Kaisersprossen zum Fischfang auf, indem sie denselben ihr zierliches Geräthe zur Ergötzung darreichten.
Sobald die hohen Anwesenden sich einige Zeit hindurch auf die mannigfaltigste Art unterhalten hatten, verliessen sie das kleine Paradies und begaben sich nach Schlosshof zurück.
Dem übrigen Volke ward inzwischen der freie Eintritt in die beschriebenen Orte gestattet und demselben sowohl die Blumen als die Früchte, und sämmtliche mit Zucker überzogene Gegenstände und Erfrischungen Preis gegeben.
Der hereinbrechende stille Sommerabend, der die Schwüle des Tages in stärkende Kühle umwandelte; die sanfte Musik der Blasinstrumente; die Heiterkeit, die jedem Antlitz aufgeprägt war, so wie die Milde und Freundlichkeit, die der Prinz sowohl als die erlauchten Gäste selbst gegen den geringsten Bewohner des Schlosses und der Gegend offenbarten, erhielten die Erinnerung an diese festlichen Tage in dem Gedächtnisse der Anwesenden noch lange lebendig und lieferten reichlichen Stoff zum geselligen Gespräch in den folgenden Winterabendstunden. Noch war dieser Tag des Vergnügens nicht zu Ende.
Nach der siebenten Abendstunde wurde in dem nächst dem Schlosse gelegenen und glanzvoll erhellten Schützenhaus in die Scheibe geschossen, wobei nach jedem preiswürdigen Schusse ein Kunstfeuerwerk, in dessen strahlenden Verzierungen jederzeit eine passend angebrachte Lebe-Hoch-Inschrift flammte, losgebrannt, und die weite Gegend mit Raketen, Lust- und Regenkugeln, Schwärmern und dergleichen, unaufhörlich beleuchtet.
Auch dieses Fest beschloss ein prachtvoll geordneter Nachtinbiss.
Den 26sten, als den vierten und letzten Aufenthaltstag des Kaiserpaares zu Schlosshof feierte der Prinz mit einem Bacchusfeste.[64]
In der zehnten Morgenstunde begaben sich die Majestäten auf einen Wink des Prinzen an die Fenster ihrer Gemächer, wo sie durch den grossen Baumgang einen, in zwei Quadrillen abgetheilten Bacchantenzug gegen das Schloss heranrücken sahen. Jeder dieser Züge bestand aus einem Herold, einem Pauker, vier Trompettern, acht Waffenträgern und vier Kämpfern, theils zu Fusse theils zu Rosse. Diesen folgte ein Wagen mit fünf Satyren, die auf Dudelsäcken, Schalmeien und Fagotten bliesen.
Beide Wagen waren mit Fässern beladen, auf denen Bacchus und Silen ritten; jeder wurde von vier weissen, mit grünem Laube gezierten Ochsen, deren Hörner vergoldet waren, gezogen und von acht bekränzten Nymphen umschwebt. Hinter denselben hüpften in unaufhörlichem Tanze vier Paar Nymphen und Bacchanten einher. Den Schluss machte in der Richtung gegen die Mitte ein hoher, breiter, prachtvoller und zierlich geformter Triumphwagen, der ein mit vielen Masten versehenes Schiff vorstellte, und auch von acht Ochsen in Bewegung gesetzt wurde.
Das Innere dieses Baues war mit Musikern angefüllt, ringsum aber, von einem Maste zum andern und an den übrigen Plätzen mit zahmem Geflügel und Wilde jeder Gattung, dann mit Speckseiten, Presswürsten, Käsen, Brodlaiben und anderen essbaren Gegenständen theils behangen, theils bedeckt, und das ganze Schaustück von dreihundert und fünfzig Landleuten begleitet, die mit den mannigfaltigsten, reich verbrämten Maskengewändern angethan, sich auf die ergötzlichste Weise gebärdeten.
Die Kämpfer, Waffenträger, Herolde, Pauker und Trompetter, Haupt und Lenden in bacchantischer Weise mit Laubgewinden umgürtet, stellten sich in einer, der Nacktheit nachahmenden Bekleidung dar; die Mädchen jedoch waren als Nymphen, und die Musiker als Satyren gekleidet.
Nachdem der ganze Zug das Wasserbecken des, auf Delphinen stehenden Neptuns erreicht hatte, theilten sich die Quadrillen nach rechts und links, zogen in dem Hofe des Schlosses an jenen Fenstern vorüber, wo die erlauchten Gäste der Vorstellung zusahen, und ordneten sich, als auch der obgedachte[65] Triumphwagen herangerückt und oberhalb des Beckens mit seinem Gefolge angelangt war, nach mancherlei kunstvoll ausgeführten Bewegungen, endlich einander gegenüber.
Der ganze Hofraum war mit grünem Laubwerk umländert; zu beiden Seiten lagen und standen grössere und kleinere Satyren auf Baumstöcken und Aesten, und in des Hofes Mitte waren vier verschiedenartig gestellte Bacchusbildsäulen auf Fässern mit Satyrsfüssen zu schauen.
Nun unternahmen die Quadrillen unter dem Schalle der Trompetten und Pauken ihren Lauf, während dessen ein jeder Satyr den Kämpfern einen Kranz entgegenreichte, worin ein Ring nur leicht befestiget war. Wer das Glück hatte, diesen Ring, ohne den Kranz selbst zu berühren, geschickt hinweg zu nehmen, zog ungehindert seine Bahn; wer jedoch den Kranz nur im mindesten berührte, empfing von dem Satyr, der sich plötzlich wendete, einen derben Schlag auf den Rücken.
Ein Solches geschah, in anderer Weise, bei den auf den Baumästen ruhenden Satyren, deren Hände Gefässe hielten, die mit Wasser gefüllt, und unter denen ebenfalls Ringe angebracht waren. Ein solches, auch nur leise berührtes Gefäss verkehrte sich im Nu, und leerte seinen Inhalt auf den unvorsichtigen Kämpfer aus. Nun vertauschten die Kämpfer ihre Lanzen mit Tirsusstäben, um damit nach den, in der Mitte der Bahn befindlichen Bacchusbildsäulen zu rennen und die auf den Rücken derselben angebrachten Muscheln herabzuschlagen oder herab zu stossen. Wurden diese Muscheln getroffen, so thaten sich die Fässer auf, und ihnen entsprang allerlei, possirlich maskirtes, theils mit Schlittenzeug und Schellen versehenes, theils mit kleinen barocken Gestalten berittenes Wild und Geflügel, das bald den ganzen Hofraum erfüllte und ein allgemein schallendes Gelächter hervorrief.
Ein gut eingeübtes und wohlausgeführtes Ballet folgte dem komischen Auftritte, nach welchem sich die Quadrillen in derselben Ordnung, wie sie gekommen waren, wieder entfernten. Endlich rückte der Triumphwagen näher heran und hielt Stand unter den Fenstern der hohen Gäste. Da stürzte auf ein gegebenes[66] Zeichen das gesammte Landvolk sich auf die hier angehäuften essbaren Gegenstände und bemächtigte sich derselben in zwar komischer Weise, aber mit anständiger Sitte. Dasselbe geschah hinsichtlich des geistreichen Inhaltes der Fässer auf den Wagen des Bacchus und Silenus, womit dann den Majestäten ein weithin brausendes »Lebehoch« dargebracht wurde.
Nach allen diesen, das Zwerchfell tief erschütternden Scenen begaben sich die erlauchten Gäste zur Mittagstafel, bei welcher der Nachtisch neuerdings den sehenswerthesten Schluss bildete, indem derselbe ein ganzes Feldlager und ein aus vielen kleinen beweglichen, bei einer belagerten Festung ab- und zumarschirenden Figuren bestehendes Kriegsheer vorstellte. Nach einigen Minuten verwandelte sich die Festung in einen Tempel des Friedens; das Kriegsgetümmel war verschwunden und die übrig gebliebenen Laufgräben wurden von dem reinsten Wasser durchströmt.
Nach aufgehobener Tafel brachen die hohen Gäste auf, fuhren nach der dritten Stunde von dannen und gelangten am Abend wieder glücklich in Schönbrunn an.
1 | Schlosshof ist ein, von dem Prinzen Eugen von Savoyen erbautes, damals dem Prinzen von Sachsen-Hildburghausen, nun aber dem Kaiser gehöriges Lustschloss in Oesterreich unweit der ungarischen Gränze. |
2 | Joseph Starzer starb in Wien als k.k. Hofkompositor am 22. April 1787 (im 62. Jahre seines Lebens). |
3 | Den vollständigen Titel dieses Stückes geben Metastasio's Werke so. »Le Cinesi. Azione teatrale rappresentata in Schlosshof (li 24. Settembre) l'anno 1754 in presenza dell' Augustissima Corte.« – Wo sich die Partitur dieses Tonstückes gegenwärtig befindet, ist nicht bekannt. |
4 | Nicht »La Danza,« wie Dittersdorf irrig meint, welches Stück ein Jahr später aufgeführt wurde. Auch Metastasio gibt in seinen Werken die fehlerhafte Jahreszahl 1753, welche weiter oben berichtiget worden ist, für die zweite Aufführung des Stückes: »Le Cinesi« an. |
5 | Nicht von Hrn. Quaglio, wie Dittersdorf meldet. |
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