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[249] Eine rein nordische Sage, die deutlich die Züge jüngerer Entstehung an sich trägt, erzählt von gemeinsamen Arbeiten, die Bär und Fuchs, manchmal auch der Wolf, verrichten.1 Während der Bär alle schwere Arbeit besorgt, bleibt der Fuchs müßig, schützt eine scheinbar wichtige Tätigkeit vor und verhöhnt noch gar seinen fleißigen Partner. Als es zur Teilung der Ernte kommt, nimmt der Fuchs das Korn, den kleineren Haufen für sich und überläßt dem Bär die große Menge Spreu. Jeder mahlt nun sein Teil und will aus dem Mehl einen Brei kochen. Dem Bären will der[249] Brei nicht gelingen, er folgt dem Rate des Fuchses, hält seinen Schwanz über das Feuer, um Fett in den Brei zu träufeln und verbrennt dabei den Schwanz.
Hier setzt in der Regel die Ätiologie ein und erklärt auf diese Weise die Kurzschwänzigkeit oder die schwarzen, resp. die braunen Haare des Bären.2 Die zunächst folgende finnische Variante knüpft jedoch in diesem Stadium der Erzählung an die Schwanzfischerepisode an, die dann natürlich mit der bekannten Stumpfschwanzätiologie schließt.
1a. Aus Finnland.
Einmal kochten Fuchs und Bär Brei. Des Fuchses Brei war hell, denn er kochte ihn aus Mehl, aber des Bären Brei war schwarz, denn er kochte ihn aus Spreu. Der Bär sagte zum Fuchs: »Wie kommt es, daß dein Brei hell geworden ist?« Der Fuchs sagte: »Ich träufelte Fett aus meinem Schwänze.« Der Bär wollte auch Fett hineinträufeln, und dabei fing sein Schwanz an zu brennen. Der Bär sagte: »Was wird jetzt werden, wo mein Schwanz brennt?« Der Fuchs sagte: »Geh zu jener Wuhne im See und halte ihn vierundzwanzig Stunden hinein, das wird ihn gut heilen.« Der Bär ging zur Wuhne und der Schwanz fror darin fest. Der Fuchs aber sprang in ein anderes Dorf und sagte: »Geht, Freunde und tötet den Bären.« Die Bauern gingen hin, einige mit Brotschaufeln, andere mit Äxten. Der Fuchs blieb im Dorf und die Leute gingen, um den Bären zu töten. Der Bär riß seinen Schwanz heraus und brach ihn dabei ab. Seitdem haben die Bären solche Stumpfschwänze.
b. Aus einer finnischen Tiermärchenkette.
Der Fuchs hatte den Wolf überredet, mit ihm zusammen zu wirtschaften. Im Herbst hätten sie nun dreschen sollen und der Wolf fragte: »Wie wird denn diese Arbeit ausgeführt?« Der Fuchs (Zusatz in einer Variation: stieg auf den Boden der Scheune, wo sie droschen und) sagte:
Drisch, drisch du armes Wölfchen!
(Während ich die Sparren halte,
Damit sie nicht herunterstürzen,
Dieses Dach auf die Diele fällt.)3
Der Wolf drosch nach Leibeskräften. Dann sagte der Fuchs: »Da du so fleißig gearbeitet hast, so nimm dir jetzt den größeren Haufen als Belohnung«. Da nahm der Wolf den Spreuhaufen. – Nun begaben sie sich in die Mühle von Ilmola. Während sie dort mahlten, fragte der Wolf: »Warum sagen deine Steine: jyrin, järin, und meine tissis, tassis?« Der Fuchs riet ihm kleine Kiesel zwischen die Mühlsteine zu legen, und so erhielten sie denselben Klang. – Alsdann wurde Grütze gekocht, und der Wolf fragte: »Warum ist denn deine Grütze weißer als die meinige?« Der Fuchs wußte wieder Bat: »Wenn du Brennholz unter den Kochtopf legst und selbst auf die Sparren steigst und von dort Fett aus deinem Steiße hinunterträufeln läßt, so wird deine Grütze der meinigen gleich.« Der Wolf folgte dem Rat und stieg auf die Sparren, und als die Flamme unter dem Kochtopf gegen seinen Rücken hervorschlug, so brannten seine Pelzhaare und wurden[250] braun, wie er sie heute noch hat. Späterhin, beim Essen, sagte der Wolf: »Laß mich doch von deiner Grütze schmecken, ob sie denselben Geschmack hat wie die meinige?« Der Fuchs stellte sich augenblicklich, als ob er hinausgucke, und sagte zu dem Wolfe: »Sieh, wer da vorbeigeht!« Als auch der Wolf seinen Hals herausstreckte, nahm der Fuchs einen Löffel voll Grütze aus dem Kochtopf des Wolfes in den seinigen und sagte dem Wolfe, als dieser sich zu der Grützenprobe anschickte: »Da, armes Wölfchen, schmeckt's am besten.« Der Wolf schmeckte von seiner eigenen Grütze und meinte: »einen Geschmack hat der Brei, aber verschiedenen die, welche ihn essen.«
c. Aus Finnland.
[Bär, Wolf und Fuchs haben Stroh, Spreu und Korn miteinander geteilt und sind nun dabei, sich aus dem daraus gewonnenen Mehl einen Brei zu kochen.] Aber siehe da! Der Wolf und der Bär fanden ihr Gericht nicht so schmackhaft, wie sie es gehofft hatten; es war eigentümlich schwarz und grob und schmeckte fade. Ganz niedergestimmt durch diese Entdeckung begab sich der Bär zum Fuchs und fragte ihn um seinen Rat, wie der Brei schmackhaft zubereitet werden solle. Der Fuchs hatte eben sein Frühstück fertiggekocht und wollte sich's gutschmecken lassen. Neugierig guckte der Bär in den Topf und rief aus: »Aber hör mal, Gevatter, dein Brei sieht ja ganz hell aus, und der meinige ist schwarz und stachlig! Woher kommt denn das?« – »Ach was!« erwiderte der Fuchs; »mein Gebräu war im Anfang auch schwarz, aber ich habe das Mehl sorgfältig im Flusse gewaschen, davon ist der Brei so reinlich und hell geworden!«
Der Bär dachte erfreut, er könne es wohl ebenso machen; er eilte mit seinem Mehlvorrat an den Fluß und schüttete seinen ganzen Reichtum ins Wasser. Aber o weh! der Fluß schwemmte unbarmherzig das Mehl auf Nimmerwiedersehen fort, und des Bären Hoffnung, auf schmackhafte Gerichte, wurde tatsächlich zu Wasser!
[Dem Wolf schmeckt der Brei auch nicht; er bittet den Fuchs um Rat für die Zubereitung und erhält zur Antwort:] »Nachdem ich meinen Topf über eine recht lebhaf te Lohe gehängt hatte, setzte ich mich über ihn auf die Stangen und ließ das langsam schmelzende Fett aus meinem Schwänze in den Brei tropfen; davon ist er so gut geworden. Versuch es mal ebenso, vielleicht wird dein Gebräu dadurch besser.«
Der Wolf dankte erfreut für den guten Rat und kletterte auf die Kesselstangen hinauf; aber als das Feuer hoch aufloderte, überlief es den armen Peter siedendheiß; er konnte es nicht mehr aushalten und plumps! fiel er von der Stange herab, mitten ins Herdfeuer hinein.
Bis auf den heutigen Tag riecht der Wolf nach versengten Haaren, weil er sich im Feuer den Pelz verbrannte; beim Sturze verrenkte er sich auch die Schenkel, so daß er stets nur mit großer Mühe sich umzuwenden vermag. [Er bittet darauf vom Brei des Fuchses kosten zu dürfen, allein dieser nimmt unbemerkt einen Löffel voll aus dem Topf des Wolfes und reicht ihn dar. Der Wolf findet den Geschmack ebenso schlecht wie den seines eigenen Gebräus und meint:] »Unser Brei hat wohl gleichen Geschmack und gleiche Zubereitung, aber der Unterschied liegt in uns zweien; – solch ein Essen taugt nicht für mich!«
Die folgenden, von Prof. Krohn freundlichst mitgeteilten, finnischen Varianten haben z.T. abweichende deutende Schlüsse.[251]
d) Aus Varkans.
Der Fuchs hält die Balken fest. »Den größeren Haufen dem Größten, den kleineren dem Kleinsten.« Die Steine: »Jurin, järin!« »tissis, tassis!« Kochen des Breies. Der Brei des Fuchses ist weiß, der des Bären schwarz. Der Fuchs sagt, er habe den Brei mit dem Daumen umgerührt. Der Bär verbrennt sich dabei die fünfte Zehe.
e) Aus Raisälä.
Wolf, Hase und Fuchs bekamen miteinander eine Waldrodung. Abholzen. Der Fuchs hält die Balken fest. Der Wolf wirft das Getreide ins Darrhaus. »Dem Größten den größten Teil, dem Kleinsten den kleinsten.« Dem Wolf das Stroh, dem Fuchs das Korn, dem Hasen die Spreu. Mahlen. Kochen des Breies. Auf den Rat des Fuchses klettert der Wolf auf den Dachsparren, um Fett in seinen Brei zu träufeln. Er verbrennt sich dabei den Schwanz.
f) Aus Heinola.
Der Wolf fragt den Fuchs, warum sein Brei weiß sei. Der Fuchs sagt, er habe Fett hineingeträufelt. Der Wolf bricht sich dabei den Rücken.
g) Aus Juva.
Der Fuchs: »Drisch drisch, du Faulpelz; ich halte den Dachsparren fest.« Dem Wolf die Spreu, dem Fuchs das Korn. Kochen des Breies. Der Wolf steigt auf den Dachsparren, um Fett zu träufeln, dabei verbrennt er sich den Schwanz.
h) Aus Anjala.
Bär, Wolf und Fuchs bestellen ein Kornfeld. Pflügen, Ernten, Dreschen. »Der größte Haufen dem Größten, der kleinste dem Kleinsten.« Dem Bären das Stroh, dem Wolf die Spreu, dem Fuchs das gute Korn. Die Mahlsteine: »Kolin, kalin« und »tissis, tassis!« Der Fuchs sagt, er habe den Brei mit dem Daumen gekocht (umgerührt). Bär und Wolf verbrennen sich dabei den Daumen.
i) Aus Parikkala.
Wolf und Fuchs bestellen ein Schwendenfeld. Sie ernten. Der Fuchs sagt: »Drisch, drisch, du Krummrücken, ich halte die Dachsparren fest.« – »Dem Größten den größten Haufen, dem Kleinsten den kleineren.« Kochen des Breies. Der Brei des Fuchses ist süß. Auf den Rat des Fuchses steigt der Wolf auf die Dachsparren, und verbrennt sich, daß er schwarz wird.
1 Krohn S. 97. Vgl. noch Journal de la Soc. Finno-Ourgr. 12, 148.
2 Vgl. Krohn S. 100 und die unten folgenden Varianten.
3 Das in Klammern Gesetzte ist aus einer anderen Variante ergänzt.
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