VII.
Ismail.

[57] Hagar, die Abraham auf Sara's Rath ins Bette genommen hatte, gebar ihm einen Sohn, während ihre Frau unfruchtbar blieb. Sara ergrimmte gewaltig, sich durch ihre Magd beschämt zu sehen, und schwor in ihrem Zorn, sie werde Hagar tödten, oder ihr wenigstens ein Stück Fleisch vom Leibe schneiden. Die erste Hälfte des Schwurs reute Sara bald hernach, sie dachte darauf, die andere Hälfte zu vollziehen, und beschnitt ihre Magd Hagar an verborgenem Orte, in der Absicht, Abraham's Wohlgefallen dann zu mindern. Aber Abraham fand hernach mehr Gefallen an Hagar, als vorher, und Sara selbst,[57] damit ihre Magd nichts voraushaben möge, ließ sich beschneiden Desgleichen that Abraham, und seitdem ist die Beschneidung unter den Moslemen zur Satzung geworden.

Die Feindschaft Sara's gegen Hagar war nun größer als vormals, sie wollte nicht mehr mit der Magd, welche durch Ismail's Geburt und dann durch die Beschneidung die Liebe ihres Herrn in einem so vorzüglichen Grade erworben hatte, unter einem Dache zusammenleben. Abraham, den Hausfrieden zu erhalten, geleitete Sara mit ihrem Sohne, auf eines Engels Befehl, in die Wüste, in die Gegend, wo ehmals das himmlische Haus, hernach die Kaaba stand.

Speis und Trank waren aufgezehrt, Hagar und Ismail litten brennenden Durst. Weit herum war kein Wasser zu schauen auf der dürren sandigten Steppe, sie wollten verschmachten aus Durst. Hagar stieg den Hügel Safa hinan, um von dessen Gipfel vielleicht Wasser zu erblicken. Umsonst! dann stieg sie gegenüber auf Merwa. Umsonst! sie sah Nichts als die Sonne, die sich im Sande spiegelte, und den qualmenden Dunst der Wüste als betrüglichen Wasserschein, der durch Täuschung den Durst nur noch mehr entflammt. Siebenmal lief sie hin und wieder zwischen Safa und Merwa. Das Angedenken hievon erhält sich noch heute in dem siebenmaligen Gange der Wallfahrter nach Mekka zwischen Safa und Merwa. Endlich hörte sie's rauschen und murmeln wie Flötengetön,[58] und siehe da, ein heller Quell war entsprungen wo Ismail spielend mit dem Fuße die Erde geschlagen hatte. Hagar umdämmte sorgfältig das Wasser, aus Furcht, es möchte sich im Sande verlaufen; hätte sie es rinnen lassen, es wäre ein Fluß daraus geworden, so aber senkte und grub sich der Quell in die Tiefe, und es ward daraus der heilige Brunnen Semsem, der Gegenstand der allgemeinen Verehrung der Wallfahrter nach Mekka. – Araber aus dem Stamme Dschorhem, die eben vorbeizogen, sahen erstaunt das Wasser, von tausend Vögeln, die hiednrch herbeigelockt worden, umflogen. Sie fanden Ismail und seine Mutter, und nahmen dieselben mit Freuden in ihren Stamm auf.

Als Ismail mannbar geworden, eilten die Männer des Stammes Dschorhem, ihm eine ihrer Töchter zur Frau zu geben, aus Furcht, er möchte sich entfernen, und der Brunnen Semsem, den sie das Wasser seines Gesichtes nannten, vertrocknen. Fünfzehn Jahre waren verflossen, seitdem Abraham seinen Sohn gesehen; das Verlangen bewegte ihm das Herz mächtig. Er unternahm die Reise nach Mekka's Gegend, und nahte sich dem Zelte Ismails, der eben auf der Jagd war. Sein Weib stand unter der Thüre. – Wer bist du Tochter Dschorhems? – Ismail's Frau. – Hast du nichts zu essen für einen Wandrer wie ich?- Wo soll ich zu essen hernehmen für Gäste in diesem wüsten Ort! Hm, hm, sagte[59] Abraham, grüße deinen Mann, melde ihm den Besuch des Fremden, und sage ihm, sein Zelt sey zu klein, und seine Thürschwelle zu eng. Er soll sie ändern, Ismail erkannte aus seines Weibes Worten seines Vaters Besuch und Befehl, er verstieß sie und nahm eine andere süßeren Wortes, und gastfreundlicheren Sinnes. Das nächste Jahr kehrte Abraham wieder; Ismail war auf der Jagd, sein Weib stand unter der Thüre. Wer bist du, Tochter Dschorhems? – Ismails Weib. – Hast du zu Essen für einen Fremden, wie ich? Wills Gott, antwortete sie mit lachendem freundlichen Gesichte, komm herein. Sie gab ihm, was sie hatte, Datteln und Fleisch. Seitdem mangelt es durch Abrahams Segen zu Mekka nimmer an Datteln und Fleisch. Hätte sich damals auch Brod in Ismails Gezelt gefunden, so hätte Mekka auch heute noch Ueberfluß an Brod, woran es Mangel leidet.

Die freundliche Wirthin wusch dem Gaste Hände und Bart; und brachte einen Stein, worauf er den Fuß setzen möge, desto leichter das Pferd zu besteigen. Abraham setzte den Fuß auf den Stein, worin die Stapfen sichtbar blieben bis auf heutigen Tag. Dies ist der Stein, genannt Makami Ibrahim, allgemein besucht und verehrt von den Pilgern zu Mekka, Sage deinem Gemahl, sprach Abraham, sein Haus sey groß genug, und die Schwelle stattlich, er möge dieselbe mit Sorgfalt bewahren.[60]

Abraham hatte dem Herrn ein Gelübde gethan, daß, wenn ihm zwey Söhne geboren würden, er einen derselben opfern wolle. Durch einen Traum ward er an die Vollziehung des Gelübdes erinnert. Das Opfer sollte vollzogen werden an Ismail, der willig das Holz zusammentrug, und den Nacken unter das Messer hingab. Zweimal hatte Abraham den Streich geführt, ohne zu treffen, das drittemal hielt ihm Gabriel die Hand inne und zeigte ihm den Ziegenbock im Gebüsche. Gott ist groß! sprach der Engel; Gott ist groß! erwiederte Abraham, Gott ist groß! wiederholte Ismail. Zum Andenken dieses Opfers bluten die Lämmer am Osterfeste des kleinen Bairams, und fallen unter dem dreymal wiederholten Preise: Gott ist groß!

Auf Gottes Geheiß verfügte sich Abraham nach der Gegend von Mekka, um dorten mit Ismail das Haus Gottes der Kaaba zu erbauen, auf demselben Flecke, wo zu Adams Zeit das paradiesische Haus stand, welches die Engel bey der Sündfluth in den vierten Himmel zurückgetragen hatten. Abraham und Ismail legten also Hand daran an; den Ort, wo sie bauen sollten, bezeichnete ihnen der Schatten einer Wolke. Sie gruben eine Mannstiefe unter der Erde, und bauten eine Mannshöhe ober derselben. Als der Bau vollendet war, bat Abraham und Ismail den Herrn, ihnen die Art und Weise des Umgangs[61] ums heilige Haus zu lehren, zur Nachachtung der Völker.

Gott befahl Abraham, die Völker der Erde zur Wallfahrt zusammenzurufen. Wer wird kommen, sprach Abraham, in dieser Einöde, meine Stimme wird seyn die eines Rufenden in der Wüste. Rufe sie auf, die Völker, sprach der Herr, und sie werden kommen. Da rief Abraham von den Bergen: Hört ihr Menschen, der Herr hat Euch ein Haus gebaut, worum ihr Umgang halten sollet, gehorchet ihm. Da erhob sich ein unendlicher Schall über der ganzen Erde; die Stimme aller vergangenen und zukünftigen Geschlechter, welche je nach Mekka gewallfahrtet haben und wallfahrten werden; sie riefen: Willkommen! wir kommen; wir kommen, willkommen.

Nie that ein Völkeraufruf größere Wirkung. Indessen verrichteten Abraham und Ismail die Wallfahrt allein miteinander nach der noch heut beobachteten Weise.

Ismail erhielt von Gott die Sendung, die Stämme Amaleks, und das Volk der Pharaonen, welche Götzen anbeteten, zum wahren Glauben zu bekehren. Nachdem er fünfzig Jahre auf seiner Sendung zugebracht hatte, kam er wieder nach Mekka, und gieng von da nach Syrien, seines Vaters Grab und seine Brüder Isaak und Esau zu besuchen. Dem Letzten gab er seine Tochter Safa zum Weibe, er[62] selbst kehrte nach Mekka zurück, wo er starb. Die Nachkommen seiner Söhne sind die Araber, die Bewohner der Wüste.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 57-63.
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