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Die Meinungen unter den Gelehrten des Islam's über Alexandern sind getheilt; die Einen erkennen ihn blos als König und Eroberer, die Andern auch als Propheten. Die Ersten deuten seinen Beynamen, der Zweyhörnichte, auf die Ausdehnung seiner Macht, durch die er die ganze Welt von Osten bis Westen wie an zwey Hörnern umfaßte und festhielt; die zweyten sehen in den Hörnern nichts als Ausströmungen der prophetischen Begeisterungsflamme, die von den beyden Enden der weit hinaufgezogenen Stirne hoch emporschlägt, und den Heiligenschein des Genius bildet.
Sey er nun den Eroberern allein, oder auch den Propheten beyzuzählen, so haben wir um so weniger Schwierigkeit, ihm in der Geschichte der letzten einen Platz anzuweisen, als er denselben schon durch das Wunderbare und Außerordentliche seiner Unternehmungen und Thaten, welche den Erdkreis erstaunt haben, verdient. Die morgenländischen Geschichtschreiber kennen aber zwey Fürsten dieses Namens, denen sie beyden den Ehrennamen des Zweyhörnigten beylegen. Unter dem ersten verstehen sie einen ältern Welteroberer, gemeiniglich Dschemschid, unter dem zweyten den griechischen Alexander, von welchem hier die Rede ist.[267]
Mit Bedacht nennen wir ihn den griechischen Alexander, und nicht den Sohn Philipps, denn die morgenländischen Geschichtschreiber halten ihn nicht dafür. Sie erzählen, Dara (Darius), der große König, habe die Tochter Philipps, des persischen Statthalters über Macedonien, zur Ehe genommen, sie aber nach der ersten Nacht ihrem Vater zurückgeschickt, weil sie aus dem Munde roch. Sie war schwanger und gebar Alexandern. So weit geht der Stolz und Nationaldünkel der Perser, daß sie den Zerstörer und Usurpator ihres alten Reiches für keinen Fremdling, sondern für einen Eingebornen gehalten wissen wollen. Seine Mutter konnte eine Ausländerin seyn, wie die Frauen der Könige insgemein, aber vom Vater aus mußte persisches Blut in seinen Adern wallen, wenn gleich durch uneheliche Geburt befleckt.
Sein Großvater Philipp erzog ihn nach griechischer Sitte mit Unterricht in allen Künsten und Wissenschaften, und bestellte zu diesem Ende eine Akademie griechischer Philosophen, deren Vorsteher Aristoteles war. Die erste Beschäftigung dieser Akademie war, dem Prinzen die Nativität zu stellen, und sie fanden, daß er die Welt erobern müsse, weil er unter der Constellazion der Venus und Jupiters geboren sey, denn Macht und Schönheit, Herrschaft und Liebe zusammen verbunden erobern die Welt. Daher[268] heißt er auch Sahibal-Iktiran1 d.i. der Herr der großen Glücksconstellation. Aristoteles unterwies den Prinzen fleißig in der Moral und Naturgeschichte.
Der Teufel erschien zwar einigemal verkleidet bey Hof, um ihn zu verführen, aber dafür besuchte ihn auch der Prophet Chisr, um ihn mit heilsamen Ermahnungen auf dem guten Wege zu bestärken, so daß sich die Bearbeitungen des Sohns der Finsterniß und die Bemühungen des Hüters des Lichtquells das Gleichgewicht hielten. Satan und Chisr, der böse und gute Genius, erscheinen wechselsweise an jedem Hofe, um Könige und Fürsten zu berathen. Prinzenerzieher von des Stagiriten Weisheit lehren ihre Zöglinge, den einen von den andern zu unterscheiden, damit sie sich vom ersten unter der Gestalt des letzten nicht verführen lassen.
Satan kam einst als Zigeuner, dem Prinzen wahrzusagen, ein andermal als Bärentreiber mit einem großen Bären an der Kette, den er tanzen und possierliche Sprünge thun ließ. So, sagte er, o Prinz, regiert man das Volk, brich ihm nur erst die Zähne aus, und leg es in Ketten, es wird dir tanzen nach deinem Belieben. Chisr erschien einmal[269] als Mährchenerzähler, wo er Alexandern die Fabel vom reichen Mann, der dem armen sein einziges Schaf wegnahm, vorerzählte, ein andermal als Jäger mit einem Löwen, den er nicht in Ketten, sondern an einem Haare führte. So, sprach er, o Prinz, leitet Liebe und Sanftmuth das Volk, das die Ketten zertrümmern würde.
Auf diese Art empfieng Alexander wiederholte Besuche von Satan und Chisr. Schade nur, daß jener diesem fast immer die Vorhand abgewann, und der letzte oft zu spät kam, den Eindruck auszulöschen, welchen die Vorspiegelungen des ersten hervorgebracht hatten. Aristoteles, der freylich nie fehlte, den Engel der Finsterniß zu entlarven (wenn zugegen) war oft abwesend, und trug auf seinem Cabinete die Beschreibungen neuer Thiere ein in seine Naturgeschichte Adschaibol-machlu kat, d.i. Wunder der Geschöpfe betitelt, oder blätterte in dem Traumbuch Jussufs, um die Träume Alexanders auszulegen. Träume sind Eingebungen des Himmels und zeigen, wie die Vorbedeutungen, bald Glück bald Unglück an. Alexander hatte von seiner Jugend auf immer glückliche Dara, immer unglückliche Träume.
Der Tribut, den Alexander als Statthalter des persischen Königs über Mazedonien entrichten mußte, bestand in tausend goldnen Eyern. Er verweigerte denselben. Dara ordnete eine Gesandtschaft ab, den Tribut einzufordern. Die Gesandten brachten einen Sack [270] Sesam mit sich, den sie vor Alexandern auf der Erde ausstreuten: Dies, sprachen sie, schickt dir der König als Futter für die Hühner der goldenen Eyer. Hierin bestand der öffentliche und diplomatische Auftrag der Gesandtschaft, der geheime und politische Sinn aber, der darunter versteckt lag, war noch ein andrer. Denn der Sack mit Sesam wollte sagen: Zahlreich wie die Sesamkörner sind des großen Königs Heere, fürchte seine ungeheure Macht. Alexander, der sowohl die Botschaft als die angefügte versteckte Drohung sehr wohl verstand, ließ vierzig Hahnen bringen, und antwortete den Gesandten: Mir ist leid, die Hühner, welche die goldenen Eyer legten, sind umgekommen, ich habe, wie ihr sehet, nichts als Hahnen; sagt dies Eurem Könige. Die Hahnen aber fielen über den Sesam her, und fraßen denselben rein auf.
Dies war zugleich die stillschweigende Antwort auf den stillschweigenden Theil der Botschaft; nämlich: Ich fürchte nicht die Macht des Königs, wenn auch noch so zahlreich. Der Muth meiner tapferen Heere wird dieselbe verschlingen.
Diese Aeußerung diente zugleich als Kriegserklärung, und die Manifeste damaliger Zeit wurden gewöhnlich in solcher Bildersprache ausgegeben. Auch lassen sich die öffentlichen und versteckten Gründe der neuesten Kriegsmanifeste sehr wohl auf die Verweigerung goldener Eyer, auf die Drohung mit Heeren,[271] zahlreich wie Sesamskörner, und auf die Gegenantwort von Widerstand mit Hahnenmuth zurückführen.
Der Krieg war nun entschieden. Alexander zog mit seinem tapfern Heere, von seinen Philosophen und Gelehrten begleitet, nach Asien. Unaufhaltsam rückte er vor bis Tarßuß, wo er sich in Besitz des Felsenschlosses setzte, einen Befehlshaber zurückließ, und sich landeinwärts wandte.
Dara kam mit seinem Heere, das Schloß zu belagern, und umzingelte es mit sieben und siebzig Umschanzungslinien aus dem Felsen gehauen. Diese Felsenlinien erregen noch heut zu Tage das Staunen des Wanderers2. Zum Glücke für die Besatzung von Tarßuß eilte Alexander mit seinem Heere zum Entsatze herbey.
Nicht weit davon kam es nach mehreren einzelnen Gefechten zur allgemeinen Hauptschlacht, in der Dara fiel, und alle seine Feldherren, die Fürsten von Tschin und Matschin, von Hind und Sind, von Turkistan und Tataristan, von Sistan und Chorasan, von Schirwan und Kilan, von Zabulistan und Masenderan, von Balch[272] und Samarkand, von Gurdschostan3 und Curdistan, von Jemen4 und Mistir5, von Habesch6 und Mogrib7 zu Gefangenen gemacht wurden.
Alexander ließ den Leichnam Dara's mit Ehren bestatten, seine beyden Feldherren Makar und Mahiar aber an Bäumen aufknüpfen, weil sie sich nicht gehörig geschlagen, und ihren Herrn verrathen hatten. In Tarßuß besah Alexander den Pallast Sam's, des Sohns Noe's, der dorten, wie eine alte Innschrift sagte, über zweytausend Jahre residirte.
Von da zog er nach den Ufern des Tigris und des Oxus. Auf dem Wege hatte er einen wunderbaren Traum von sieben Siebensachen. Es träumte ihm nämlich von sieben Schlangen, sieben Perlen, sieben glühenden Rosen, sieben Lichtern, sieben Strömen, sieben Bergen, und von einem siebenköpfigen Drachen. Aristoteles holte sogleich das Traumbuch Jussufs, schlug unter der Zahl sieben, und dann die angegebenen sieben Hauptstücke nach, und fand: die sieben Schlangen seyen sieben schlaue Feldherren, oder Staatsmänner, welche Alexander durch Gewalt und List besiegen würde; die sieben Perlen, der schönste[273] Schmuck der Weltkrone, seyen sieben Königreiche, die er mit den sieben glühenden Rosen, das ist, mit ihren sieben Schätzen erobern sollte. Unter den sieben Lichtern würden die sieben Weisen der Welt verstanden; siebenfach ströme der Nil ins Meer; und auf sieben Bergen throne die Hauptstadt der Welt.
Mit den sieben Weisen werde er Verkehr haben, und auf ihr Einrathen zum Verkehr des Welthandels an der Mündung des Nils, und am Bosphorus Städte erbauen (Alexandria und Byzanz). Der siebenköpfige bezwungene Drache endlich bedeute die sieben wildesten Völker der Erde, welche er bezwingen, und durch seine Herrschaft im Zaum halten werde; Gog und Magog, die Bewohner des Atlas und Caukasus, die Beduinen der arabischen und nubischen Wüsten und die Dschinnen oder Diwe.
Die letzten hatte zwar schon Rustem und andere persische Helden, welche den Ehrennamen der Diwbändiger verdienen, in die Höhlen des Gebirges Kaf zurückgetrieben, aber von Zeit zu Zeit wagen sie sich noch heraus, um die bewohnte Erde zu verwüsten, und wenn möglich, das Reich Ahrimans zurückzuführen. Unsterblichen Dank verdienen daher die Fürsten, welche wie Tahmuroß und Dschemschid, oder die Helden, die wie Sal und Rustem als Diwbändiger auftreten, die Werke der Finsterniß mit starker Hand vernichten, und die Dämonen in Bergklüfte sperren, wo sie unschädlich mit ihren Ketten[274] rasseln zum Schrecken späterer Geschlechter, welche mit Grauen die Möglichkeit denken, daß die Diwe einst ihre Fesseln zerschlagen, und wieder die Welt in Nacht und Graus stürzen könnten.
Das Heer stieß am Wege auf eine einzelne Säule, auf der ehmals eine Statue gestanden zu haben schien. Ein Knabe, der nichts Bessers zu thun wußte, kletterte hinauf, und setzte sich oben aufs Capital der Säule nieder. Kaum hatte er sich niedergesetzt, so fieng es an ihn zu heben mit prophetischer Begeisterung, und er verfiel in eine Art von heiliger Raserey. Er drehte sich auf seinem Sitze beständig im Kreise herum, und je nachdem er sich in verschiedene Gegenden kehrte, sprach er begeistert als Weiser, als Wesir, als König. Alexander sah der Erscheinung, die ihm noch nicht vorgekommen war, doch in der Folge häufig vorkam, mit Erstaunen zu, und fragte sogleich den Stagiriten, was das wäre.
Herr, sprach Aristoteles, diese Säule ist, was wir in der Kunstsprache Jethi'matalib oder eine Wunschbefriedigung nennen, und was sonst in Griechenland insgemein ein Orakel heißt. Hier liegt nämlich ein großer Mann begraben, dessen Geist auch nach dem Tode fortwirkt, und durch die Säule Allen, die darauf sitzen, sich mittheilet. War der Begrabene ein Schätzebesitzer, so theilt er dem Sitzenden seinen Reichthum, war er ein König, seine Macht mit, war er ein Weiser oder Prophet, so begeistert[275] er sie mit seinem Genius, und befriediget auf diese Weise die vornehmsten Wünsche der Sterblichen nach Reichthum, Macht und Weisheit, weswegen solch ein Grabmal Jethi'matalib oder Wunschbe friedigung heißt. Wer sich einmal darauf gesezt hat, den bewegt der Geist unwiderstehlich, und er muß, will er oder nicht, von der Säule herab predigen. Solch ein Grabmal bedarf keine Innschrift, denn es spricht sich durchs lebendige Wort aus, und die Steine reden als Orakel. Da der Knabe bald als Weiser, bald als Wesir, bald als König spricht, so ist kein Zweifel, der große Mann, der hier ruhet, habe diese drey Würden in sich vereinet. Wir wollen sehen, sprach Alexander, und ließ die Säule wegräumen. Man fand darunter das Grab Sandschar's, eines alten Weisen, der zugleich Wesir und zuletzt König war. Seine alte Residenz liegt verwüstet an den Ufern des Oxus, dessen Fluthen die meisten Denkmale seiner Macht und Größe begraben haben.
Alexander wandte seinen Zug gegen Syrien, wo er das Grab Davids besuchte, so wie in Roche die schöne kühle Grotte, in der Abraham vor Nimrods Grimm verborgen ward. Von Jerusalem zog er nach Tadmor und Istachar um die Palläste Salomon's zu besuchen. Mit Erstaunen durchwandelte er die unabsehlichen Säulengänge und Marmorhallen, auf deren Wänden Salomons Thron und Hofstatt eingehauen ist. Die Gelehrten, so Alexandern[276] überall begleiteten, lasen und erklärten die Innschriften von Tadmor und Istachar.
Weil ihre Erklärung und Auslegung aber gar nicht zusammenstimmte, hielt sich Alexander mehr an die Formen der Gebäude, und an die steinernen Gebilde als an die Ameisenfüße und Pfeilbuchstaben von Palmyra und Persepolis.
Die Eroberung der festen Schlößer Persiens kostete Alexandern viele Zeit und Mühe; am meisten die der Festung Schußer, deren Bewohner sich schon damals durch teuflische Bosheit auszeichneten. Der Befehlshaber von Schußer war Tschehelpai Iraki, das ist Vierzigfuß aus Irak, ein gewandter Schlaukopf, der Alexandern manche Fallen legte, denen er glücklich entgieng.
Indem wir die verschiedenen Wunschbefriedigungen, welche Alexander auf seinen Kreuz- und Queerzügen entdeckte und hob, mit Stillschweigen übergehen, befriedigen wir zweifelsohne den Wunsch der Leser. Bald waren es Schätze, bald unterirdische Palläste, bald politische und bald medizinische Orakel.
Schabur, der schon besiegte Fürst von Chorasan, hatte sich empört, und Alexander zog dahin, die Empörung zu stillen. Auf dem Wege ward er schwer krank, er badete sich auf Anrathen der Aerzte in einer warmen Quelle und genas. Ober der Quelle ließ er zum Andenken einen Pallast aufbauen, den[277] er Tabris d.i. warmströmend nannte. Dies ist der Ursprung der Stadt Tabris, noch heut zu Tage berühmt durch die heilsame Eigenschaft ihrer warmen Bäder.
Der Schah von Chorasan unterwarf sich Alexandern, und erhielt Verzeihung. Sie zogen zusammen nach Bedachschan, um dort die berühmten Rubinenminen zu besuchen, welche Dschemschid zuerst entdeckt hatte.
Alexander erkundigte sich, ob es sonst in der Gegend nichts Wunderbares gebe. Man zeigte ihm verschiedene alte Innschriften, und seltsame Thiere.
Aristoteles entzifferte die ersten als Vermächtniße der Weisheit Dschemschids, und bereicherte mit den Beschreibungen der zweyten seine Naturgeschichte Adschaibi Machler kat oder die Wunder der Geschöpfe betitelt.
Auch führte man Alexandern in Grotten und Höhlen, wo es unheil war und den Besuchenden gewöhnlich die Augen auskratzte. Alexander bändigte die Stifter dieses Unheils, die Dschinnen, und Isrit, von denen er sich zur Unterhaltung ihre Buben- und Teufelsstreiche erzählen ließ.
Von hier richtete Alexander seinen Lauf nach Sistan, wo damals Ardschasp einer der Nachkommen Rustems herrschte. Die Tochter Ardschasps, Prinzessin Rosenstengel, verliebte sich sterblich in Alexander, und weil sie keine bessere Art ersinnen[278] konnte, ihm ihre Liebe zu erklären, verabredete sie mit ihrer Amme den Anschlag, ihm ihr Portrait in die Hände zu spielen. Dies geschah, und wirkte. Mehrere heimliche Gesandtschaften mit Blumenbriefen und Früchtebotschaften in der Haremssprache wurden hin und her geschickt, und der große König begieng alle Narrheiten, die ein gewöhnlicher Verliebter hätte begehen können.
Um bis Prinzessin seines Herzens unbemerkt zu sehen, verkleidete er sich sogar einmal als Bettler, und wartete auf dem Wege, wo sie zur Kirche gieng, und gewöhnlich Allmosen ausspendete. Prinzessin Rosenstengel erkannte ihn aber ungeachtet seiner Verkleidung, und gab ihm einen leichten Schlag auf die Backen, um ihn in seiner Liebe zu konfirmiren.
Eine in den eroberten Provinzen ausgebrochene Empörung nöthigte Alexandern, den angesponnenen Liebeshandel zu unterbrechen und von Sistan abzuziehen.
Dafür sandte er aber Aristoteles als Brautwerber, daß er um dieselbe in allen Ehren anhalten möge. Unglücklicherweise erhielt er von Ardschasp eine abschlägige Antwort, und Alexander sah sich gezwungen, seinen vorerwählten Schwiegervater mit Krieg zu überziehen. Aber eben so galant als tapfer belagerte er zu gleicher Zeit die Prinzessin und den Fürsten, die Stadt, und das Herz seiner Geliebten,[279] und zwang beyde sich ihm zuletzt auf Gnade und Ungnade zu ergeben.
Gegenüber dem Köschb der Prinzessin hatte er rosenfarbne Zelte aufspannen lassen, deren grünseidne Stricke gleichsam die Stengel der Zeltrosen vorstellten, und also eine witzige Anspielung auf den Namen der Prinzessin enthielten, der auch zum Losungswort gegeben ward.
Mit Auf- und Untergang der Sonne warf Alexander Rubinen aus, wodurch er zu verstehen gab, dies seyen die blutigen Thränen seines Herzens, und während die Belagerungsmaschinen Felsen gegen die Mauern der Stadt schleuderten, schoß er auf goldenen Pfeilen Liebesbriefe hinein, welche die Prinzessin mit vieler Rührung las, und dann die Pfeile statt Nadeln in die Haare steckte. Auch trug sie zum Kopfputz das Feldzeichen Alexanders, einen diamantnen zweygehörnten Neumond, als zarte Anspielung auf ihres künftigen Gemahls Ehrennamen, dem sie hiedurch im voraus ihren vollen Beifall ertheilte. Von dieser galanten Belagerung und gewaffneten Bewerbung Alexanders des zweihörnigten um die Prinzessin Rosenstengel, schreibt sich in den Haremen die Mode her, Pfeile und Monde in den Haaren zu tragen, als Symbole von Liebesbriefen und Hörnern.
Endlich ergab sich so Vater als Tochter, wie das Herz so die Stadt, und die Hochzeit wurde mit persischer Pracht und griechischem Geschmacke gefeiert.[280] In der Brautnacht beschloß Alexander seinen Zug nach Indien, blos in der Absicht, von dort eine der Prinzessin würdige Morgengabe zu holen; der Zug gieng längs den Küsten des persischen Meeres. Auf einer wüsten Insel kamen sie zu einem aus dem lebendigen Felsen gehauenen Pallast, zu dem man auf sieben Riesenstufen emporstieg. Die sieben Stufen formten eine Pyramide, auf deren Platte der Pallast stand. Die Stufen waren zu hoch, um mit den Füßen erstiegen zu werden.
Man mußte sich voltigirend emporschwingen von Stufe zu Stufe, und dann erst konnte man nicht zum Gipfel emporkommen. Denn wie man sich auf die erste Stufe emporgeschwungen hatte, schoß vor dem Thor des Pallastes ein Riesenkopf auf; war man auf die zweyte Stufe gelangt, so erhob sich der Riese in voller Gestalt von Kopf zu Fuß. Bey Ersteigung der dritten Stufe trat er einen Schritt vorwärts; wenn die vierte erstiegen war, griff er um ein ungeheueres Felsenstück, und zerschmetterte damit den Kühnen, der es gewagt hatte, sich bis zur fünften emporzuschwingen. Alexander wollte den Versuch machen, aber Aristoteles hielt ihn beym Zipfel des Kleides zurück, und belehrte ihn, das sey ein Talisman, wodurch ein verborgener Schatz verwahrt werde. Um den Schatz zu heben, müsse man die Pyramide von Grund aus zerstören. Alexander befolgte[281] den Rath, zerstörte die Pyramide, und hob den Schatz.
Aristoteles hielt bey dieser Gelegenheit in der Akademie eine gelehrte Abhandlung über den Unterschied zwischen einer Wunschbefriedigung oder Orakelsäule, und zwischen einem Talismane, welche gewöhnlich über Schätze gesetzt sind. Die Orakelsäule verkündet den Schatz, der Talisman bewahrt denselben. Furchtloser Stärke und festem Willen ist kein Schatz unerheblich, kein Talisman unzerstörbar.
An der Gränze Indiens fand Alexander einen Brahman oder Gymnosophen, mit dem er sich in Gespräch einließ, um sich über indische Weisheit zu belehren. Behmen, dies war der Name des Brahmans, erklärte Alexandern das indische Schöpfungssystem. Nach demselben wurden zuerst die Berge erschaffen. Vier und fünfzigtausend Jahre später süßes und bitteres Wasser. Nach anderen vier und fünfzigtausend Jahren kam ein stierähnliches Thier zum Vorschein, das lange ruhig die Welt bewohnte, zuletzt aber übermüthig zu werden anfieng, und Zweige von Bäumen abriß. Einen solchen Zweig ließ es aus dem Munde fallen auf den Platz, wo heute Mekka steht. Der Zweig wurzelte, und ward zu einem Baume, vor dem das Thier erschrocken davon lief.
Der Baum trug Früchte, die ganz mit Mücken und Gälsen angefüllt waren. Nach einiger Zeit kam[282] das Thier wieder, und wollte den Baum ausgraben. Da blies ein heftiger Wind, der die Früchte des Baumes herunterschüttelte, daß die Schaale zerbrach und die Mückenheere in Freyheit gesetzt wurden. Sie fielen über das Thier her, und sogen ihm das Blut aus, bis es umfiel. Dann bewohnten und beherrschten Mücken und Gälsen die Welt. Da auch diese sich nicht in Einigkeit vertragen konnten, sandte Gott einen Wind, der sie alle vernichtete. Weil aber der Wind zu viel Unheil stiftete, schuf Gott aus dem Winde Pferde, und als auch diese störrig wurden, schuf Gott aus Feuerfunken Dschinnen, die Pferde zu bändigen. Aus diesen Pferdebändigern oder Hippocentauren wurden die heutigen Menschen.
Als Alexander endlich über die Gränze vorgedrungen war, schrieb er an Keid, den König Indiens: er möge, wenn ihm sein Thron lieb wäre, kommen, denselben durch freywillige Huldigung zu erhalten. Keid antwortete ihm: die ganze Welt hast du siegreich durchzogen, und willst nun auch mein Reich erobern; und dann welchen Grund hast du erst, auf diese vergängliche Welt so stolz zu seyn?
Und auf was bist denn du stolz? schrieb ihm Alexander zurück.
Auf meine Wissenschaft, war die Antwort, die du mir nicht rauben kannst. Zugleich schickte Keid als Gesandte zwey Gelehrte, einen Philosophen und einen Arzt. Sobald sie angekommen waren, sandte[283] Alexander dem Philosophen ein mit Schmalz angefülltes Gefäß. Dieser sandte es zurück, nachdem er tausend und einen eisernen Stift hineingesteckt hatte. Alexander ließ die Stifte einschmelzen, und dem Philosophen die daraus gewordene Platte überbringen; dieser glättete dieselbe so, daß sie der König wieder als Spiegel zurück erhielt.
Nun erschien der Philosoph, und auf die von Alexander gemachte Frage, was er glaube, daß unter dem mit Schmalz gefüllten Topfe gemeint gewesen sey, antwortete er: du wolltest mir hiedurch sagen: weich und jedes Eindrucks empfänglich, wie das Schmalz, ist mein Geist; aber wie das Schmalz von jedem fremdartigen Körper rein ist, so ist auch mein Geist an aller Kenntniß leer. Ich steckte eiserne Stifte hinein, um anzuzeigen, ich sey Willens, wissenschaftlichen Stoff in dein Gemüth zu legen, du machtest daraus eine Platte, mir verstehn zu geben, daß dein Herz durch Blutvergießen hart geworden sey, wie ein eiserner Schild, und ich verwandelte denselben in einen Spiegel, weil ich dein Herz durch meine Lehren zu erweichen und durch meine Ermahnungen abzuschleifen gedenke.
Alexander ließ hierauf den Arzt rufen, und fragte ihn, woraus alle Krankheiten entsprängen?
Daraus, antwortete dieser, weil die Menschen Dinge essen, deren schädliche Eigenschaften sie nicht kennen, und als er wieder gefragt ward, worin alle[284] Heilmittrl beständen, antwortete er: darin, daß die Menschen Dinge essen, die mit Kunst zu ihrem Heile bereitet worden.
Dem griechischen König wollte weder die Weltweisheit des indischen Philosophen, und noch weniger die Arzneykunde des Arztes behagen, und er fand sowohl die eine als die andere ziemlich abgeschmackt und ungesalzen.
Einst erblickte Alexander in seinem Ruhegemache ein fürchterliches Gespenst: Wer bist du? rief ihm der König zu; die Krankheit, schrie es auf, und sprang gegen Alexandern, dessen Glieder ein kalter Schauer durchbebte.
Er gieng hinaus, und als ihn der Arzt fragte, warum er so blaß aussehe, antwortete er: ich weiß es nicht, und verhehlte sein Uebel. Am nächsten Morgen trat der Arzt zu Alexandern mit diesen Worten: König, eine Krankheit hat dich befallen, warum verheimlichst du dein Uebel, ich bin ja da, dasselbe zu heben. – Ey, versetzte Alexander, wenn du darum da bist, warum hast du denn nicht ohne aufgefordert zu seyn, die nöthigen Arzneyen bereitet?
Der Arzt bereitete ein Elixier, Alexander nahm es, und bald hernach erblickte er dasselbe Gespenst im Fliehen begriffen. Ich fliehe, sprach es, weil dein Arzt eine Arzney bereitet hat, die mich gänzlich verzehrt. Alexander gieng heraus, und der Arzt goß das noch übrige Glas Arzney zur Erde. – Warum dies?[285] fragte Alexander. Weil, war die Antwort, während du im Ruhgemache warst, die Krankheit von dir wich.
Alexander staunte über so tiefe Wissenschaft, und besonders darüber, daß der Arzt eine so mühsam bereitete Arzney lieber habe wegschütten, als eingeben wollen. Er hielt ihn fortan in hohen Ehren; deswegen heißt es im Koran: werden die, so etwas wissen, denen, so nichts wissen, wohl gleichgehalten werden?
Ein altes Orakel hatte Alexandern vorausgesagt, er werde dort sterben, wo die Erde Eisen und der Himmel Gold seyn werde. Lange begriff Alexander den Sinn der Worte nicht; als er aber wenige Stunden vor seinem Hinscheiden bemerkte, daß er auf seinem Panzer ruhe, und ein Zelt aus Goldstoff sein Haupt überschatte, erinnerte er sich der Vorhersagung, und schrieb an seine Mutter folgenden Brief:
Wisse, daß die Mutter der Sterblichen der Tod, und ihr Vater das Verderben sey. Wem ein Pfand gegeben ist, dem wird es abgefodert; die Monde steigen und fallen, und Sterblichkeit ist eine Bürde, die wir überall mit uns tragen.
Wird gleich mein Reich zertrümmert, so werden doch die Denkmale meiner Kenntnisse bleiben. Dies sind die eigenthümlichen Schöpfungen des Menschen. Das Kind, vom Weib geboren, ist mir gelieheu. Glauben und Geduld sind die besten Gefährtinnen durchs Leben. Darum empfehle ich sie dir, und dich[286] ihnen, o Mutter, und wisse, daß, wenn ich gleich hier nimmer zu dir komme, du doch dort zu mir kommen wirst. Heil dir!
Hieraus zieht der Verfasser des persischen Adschaibal-machlukat die Lehre, daß Macht und Herrschaft nur vergänglichen Glanz gewähren, und der wahre Ruhm nur in der Wissenschaft bestehe.
So erzählen den Tod Alexanders der persische Uebersetzer des Adschaibal-machlukat und die anderen Geschichtschreiber, welche ihn bald nach seiner Rückkehr aus Indien das Leben beschließen lassen; nach andern aber zog er zuvor noch gegen Osten und Westen, schloß die Völker von Gog und Magog zwischen ihren Bergen ein, und vertiefte sich ins Land der Finsterniß, um dort den Quell des Lebens zu suchen. Wir führen hier noch die Denkwürdigkeiten dieser beiden Züge an, und zwar den ersten nach der von Abdullah Ben Abbas aufbewahrten Ueberlieferung der Worte des Propheten, der die ungläubigen Juden von Chaibar über die Wahrheit der Geschichte von Gog und Magog belehrte wie folgt:
Alexander war an den Fuß der großen Gebirge [Rand: Al-Thabari.] gekommen, die zwar in der Ueberlieferung mit Namen nicht genennt, von den meisten Auslegern aber für den Cuhal-burs oder Caukasus gehalten werden. Ihre mit ewigem Schnee bedeckten Gipfel sind der große Behälter der Ströme und Wasser Oberasiens,[287] ihre grünenden Thäler die Scheide der Völker, aus der mehr als einmal schwärmende Stämme wie ein flammendes Schwert über die Erde gefahren.
Von diesen zahlreichen Völkerschaften das zahlreichste, zahlreich wie der Sand des Meeres und die Blätter der Bäume, ist das Volk Gog und Magog, die Nachkömmlinge zweyer Söhne Jafets des Sohns Noe's.
Die Söhne von Gog und Magog wohnen in einem Bergkeßel, dem sich nur eine einzige Schlucht als Ausgang öffnet. Nackt aber dicht behaaret schweifen sie herum in den Wäldern, und vermischen sich untereinander wie Thiere. Das ungeheuerste an ihrer abscheulichen Gestalt sind ihre Ohren, so ungeheuer groß, daß wenn sie gehen, dieselben wie eine Schleppe auf der Erde nachschleifen, und wenn sie schlafen, so dient ihnen eine der Ohrlappen als Lacke sich darauf zu legen, die andere als Decke sich damit zuzudecken. So schlafen sie auf und unter ihren großen Ohren eben so weich als sicher, was nicht immer der Fall ist, wenn man auf oder unter großen Ohren ruht.
Die benachbarten gesitteten Völker, die von den wiederholten Ausfällen dieser Barbaren so vieles gelitten, so vieles zu fürchten hatten, wandten sich an Alexander mit der Bitte, daß er den Ueberschwemmungen dieser Wilden einen Damm entgegensetzen möge. Denn so lang ihnen ein Weg offen stünde,[288] sey die Welt nicht sicher vor ihrer Verheerung. Alle Cultur würde untergehn in Barbarey, alle Thronen würden gestürzt, alle Länder verwüstet werden, wenn Gog und Magog ihre Sitze verlassen, und sich zu Herren machen sollten der bewohnten Welt.
Alexander gieng in den Sinn der Bitte ein, und beschloß die Barbaren einzudämmen in ihren Felsenkeßel. Zu diesem Ende befahl er den umliegenden gesitteten Nationen, alles Erz und Eisen und alle Kohlen, welche das Gebirg reichlich darbot, aufzuschütten in der Felsenkluft, so, daß der Eingang von dem Abgrunde der Schlucht bis an den Gipfel des Gebirges ausgefüllt werde. Als dies geschehen war, ließ Alexander besondere Vorrichtungen machen von Blasbälgen, mit deren Hülfe er künstliche Sturmwinde schuf, die Kohlen in Feuer, und das Erz und Eisen in Fluß setzte. Es schmolz in einen ehernen Damm zusammen.
Dies ist der berühmte Damm von Gog und Magog, der, so lang er besteht, die Welt von der Rückkehr der Barbarey rettet, und der bestehen wird bis an den jüngsten Tag; denn die Erscheinung der Horden von Gog und Magog auf Erden ist eines der Zeichen des Endes der Welt; bis dorthin soll ihnen alle angewandte Mühe den Damm durchzubrechen nicht gelingen, wie drohend auch stets die Gefahr zu seyn scheint. Denn wiewohl sie keine Werkzeuge haben den Damm zu zerstören, so ist ihr[289] tägliches Geschäft kein anderes, als denselben mit ihren Jungen, scharf wie Feilen, zu lecken.
Wirklich genügt ihnen ein Tag, um denselben so dünn zu lecken wie eine Eyerschale: Wenn nun die Sonne sinkt, freuen sie sich des vollbrachten Tagewerks, und sagen mit anmaßendem Triumph: Ganz gewiß lecken wir ihn morgen durch. Aber wenn sie nun des Morgens wiederkehren, finden sie denselben so dick als jemals, und fangen das Werk von vorn an. Sie lecken und lecken bis er wieder so dünn wird als eine Eyerschaale, freuen sich auf dieselbe Art des gewissen Erfolgs, und werden am nächsten Morgen dafür auf dieselbe Weise gestraft. So verzehrt sich Riesenkraft, die auf sich allein baut und traut, in gemächlichem Bemühn.
Dies Tagwerk treiben sie fort bis an's Ende der Welt. Damals wird es durch Gottes Zulassung einem von ihnen einfallen zu sagen: »Söhne von Gog und Magog, seit Jahrtausenden lecken wir täglich diesen Damm so dünn wie eine Eyerschale, und freuen uns mit jedem Abend des gewissen Erfolgs auf den nächsten Morgen, und finden dann dieselbe Arbeit zu beginnen.« Laßt uns klug werden, und nicht mehr blos auf unsere Kraft vertrauen, und nicht mehr sagen: Morgen lecken wir den Damm ganz gewiß durch, sondern morgen lecken wir ihn durch, wenn's Gott will.
Wenn's Gott will! wird das ganze Volk[290] schreyen, und am nächsten Morgen lecken sie den Damm durch, und verwüsten die Erde als Vorboten des jüngsten Gerichts.
So groß ist die Kraft des Wörtleins Will's Gott, als Ausdruck des Vertrauens auf Gottes Beistand und Vorsehung, ohne die kein menschliches Unternehmen gelingt, und Riesenkraft zu Schanden wird.
Nicht oft genug können die Rechtgläubigen dies goldne Wörtlein in ihren Reden wiederholen8.[291]
Nachdem Alexander Gog und Magog in den Felsenkessel eingedämmt hatte, zog er nach Westen[292] ins Land der Finsterniß, weil er gehört, daß dort der Quell des Lebens ströme, von dem er Unsterblichkeit trinken wollte. Sieben Tage lang wanderte er mit seinen Begleitern durch finstere Wüsten. Endlich strahlte sie ein grüner Schein an, der Abglanz vom Gewande Chisr's, des Hüters des Quells des Lebens. Je näher sie kamen, desto mehr funkelte Alles in smaragdnem Glanze. Grün, wie das Meer an den Küsten in heiterem Sonnenschein, spiegelte sich vor ihnen der Quell des Lebens. Chisr schöpfte, und reichte Alexandern die Schaale. Weil er aber zu gierig darnach griff, vergoß er sie, und kehrte nicht wieder aus dem Lande der Finsterniß.[293]
Nach der wahrscheinlichsten Meinung sind Gog und Magog die wilden Völker des Kaukasus, die ehemals durch eine Mauer, die ans kaspische Meer lief, in ihren Sitzen eingedämmet wurden. Noch heißt zum Andenken des eisernen Dammes Derbend das eiserne Thor. Das Land der Finsterniß sind die Wüsten Afrika's, und der Quell des Lebens strömt in der Oasis, deren grüner Palmenhain dem Wandrer in der Wüste, wie eine Insel dem Schiffer nach einer langen Seereise, freundlich entgegenstrahlt.
Alexandern ward die Schaale des Lebensquells nicht, weil er zu gierig darnach gegriffen; zu heißer Durst nach Unsterblichkeit führt vor der Zeit hinab ins Land der Finsterniß, aus dem keine Wiederkehr ist.
[Rand: Adschaib. pers.] Als die Thiere und der Mensch erschaffen waren, sprach der neubelebte Löwe zu einer Vögelschaar, die hoch in den Lüften über ihn wegflog, und sich dann auf dem Gipfel eines Baumes niederließ: Ihr mit Fittigen begabte Bewohner der Lüfte, die ihr hoch in den Wolken emporschwebet, was fürchtet ihr wohl auf Erden?
Den Menschen, war die Antwort.
Der Mensch ist ja ein Geschöpf wie ich, fuhr der Löwe fort, wie ist er denn im Stande, euch zu erreichen?
Er erreicht uns zwar nicht in der Höhe der Lüfte,[294] sprachen die Vögel, aber er weiß uns herabzulocken auf die Erde, sperret uns in Käfige ein, tödtet und verzehret uns.
Deß wunderte sich der Löwe und ward begierig, den Menschen kennen zu lernen. Da begegnete ihm das stolze Pferd im fliegenden Laufe, hochgesträubt die Mähne, kraftvoller Stirne und aus der Nase rauchend. Vielleicht ist dies der Mensch, dachte der Löwe, denn Stärke und Ansehn beseelen diese Gestalt. Er redete das Pferd an, das ihm antwortete: O Löwe, der Mensch fängt mich, zähmt mich mit Zaum und Zügel, zwingt mich, seiner Hand und seinem Sporn zu gehorchen, Lasten zu tragen, und wenn ich entkräftet bin, so tödtet und verzehrt er mich.
Bald hernach stieß dem Löwen der mächtige Stier auf, und es dünkte ihm, daß wohl dies der Mensch seyn könne. Allein der Stier belehrte ihn also: In das Joch werd' ich gespannt von dem Menschen, gezwungen, die Erde mit dem Pflugschaar zu durchwühlen, und wenn ich alt geworden bin, ist die Schlachtbank mein Lohn, und des Menschen Bauch mein Grab. Hierauf begegnete ihm das langhalsige, hochtrabende Kameel, das, befragt, ob es nicht vielleicht der Mensch sey, zur Antwort gab: Keine Last würde meinen Rücken beschweren, kein gewaltsamer Tod mir drohen, besäße nicht der Mensch Stärke und List genug, mich seinem Willen zu unterwerfen. Wenn dies nicht der Mensch war, dachte der Löwe,[295] so muß es wohl der lebendige Berg seyn, der da einhergeschritten kömmt, und zwischen den Silberzähnen so gewandt das ungeheure Fühlhorn beweget. Sey mir gegrüßt, o Mensch! sprach der Löwe. Aber der Elephant erwiederte: Das bin ich nicht; der Mensch, er umgarnet mich, besteigt meinen Hals, setzt Thürme auf meinen Rücken, und belastet mich, bis daß ich sterbe. Dann glättet er meine Zähne als Elfenbein, macht Scepter und Königssitze daraus, und thronet noch auf meinen Gebeinen.
Jetzt erblickte der Löwe ein kleines schwaches unansehnliches Geschöpf. Du elendes Thier, sprach er, fürchtest du dich nicht vor dem Menschen, vor dem die Mächtigsten unseres Reichs erzittern. Der Mensch bin Ich, ertönte die Rede. Du der Mensch? brüllte der Löwe erstaunt. Hat dir die Natur doch keine Waffen, keine Hörner, keine Zähne, keine Klauen gegeben. Einen Streich will ich dir versehen, und hiemit die ganze Schöpfung von deinem Unheile befreyen. O Löwe, das kannst du nicht, erwiederte der Mensch. Warum nicht? fragte der Löwe. Weil ich von hier dir einen Schlag senden werde, sende auch du einen, wenn du kannst. Nun, so komm näher, erwiederte der Löwe, denn von hier aus kann dich meine Klaue nicht erreichen. Aber meine Hand soll dich erreichen, sprach der Mensch, ergriff zwey Steine und schleuderte sie ins Antlitz des Löwen, daß beyde Augen aus ihren Höhlen rannen.[296] Jetzt erkenne ich, daß du der Mensch, jetzt weiß ich, warum du das Schrecken aller Thiere bist, brüllte der Löwe, und als er sich beym Schweife fortgezogen fühlte, rief er: Was machst du? Willst du mich in einen Käfig sperren, wie den Vogel, oder mir Lasten auflegen, wie dem Kameele, oder mich mit Zaum und Zügel zähmen, wie das Pferd, oder dich meiner zum Pflügen bedienen, wie des Stieres, oder auf mich Thürme bauen, wie auf dem Elephanten? – O nein! antwortete der Mensch: die Haut will ich dir abziehen, und dein Fleisch den Hunden vorwerfen, kraft des Vorrangs, den mir Gott verliehen hat vor allen Thieren, deren er keinem als mir Vernunft und Willensherrschaft gab.
Und wahrlich, nur durch Vernunft und Willenskraft ist der Mensch der Herr des Landes und des Meeres. Durch ihre Macht zieht er den Fisch aus der Tiefe des Meeres, und den Vogel aus der Höhe der Lüfte. Durch sie fesselt er den Elephanten, und reißt dem Löwen Zähne aus, baut Palläste bis an die Zinnen des Himmels und gräbt Schachten bis in den Abgrund der Hölle, schmiedet Waffen, um seine Feinde zu bezwingen, und stimmet Flöten, um das Ohr der Freunde zu vergnügen. Alle diese Gaben dankt er nicht sich, sondern der Gnade des Schöpfers, der dieselben eben sowohl andern Geschöpfen hätte verleihen können, wie er zum Beyspiel der Biene die Kunst verlieh, sechseckige Zellen zu bauen, zierlich[297] und kunstreich, den kunstreichsten der Menschen unnachahmbar.
[Rand: Adschaib. pers.] Als ich zum Gebrauche der Vernunft kam, fieng ich an nachzudenken über den Ursprung und die Bestimmung des Menschen. Ein Tröpfchen Wasser war ich erst in meiner Mutter Schooße, und als ich mich demselben entwunden hatte, weinte ich kraft- und hülflos um Muttermilch. Der süßen Nahrung entwöhnt, kroch und schlief ich im Staube herum, bis daß mir die Mühe des Lernens, die Pein der Ruthe zu Theil ward. Dann drängten sich die Schwärmereyen der Liebe um Herz und Kopf. Weibergroll, Feindeshaß, Nahrungssorgen und Familienzwiste verbitterten mir das Leben.
Und wäre der Mensch auch von allen diesen Uebeln frey, harret nicht seiner doch endlich der Tod? Keiner, und wäre er auch von allen Ungemächlichkeiten des Lebens befreyt geblieben, kann ihm entfliehen. Der Mensch gleichet der Frucht am Baume, die, wenn gleich von Hagel und Stürmen gerettet, doch zuletzt reif wird und zur Erde fällt.
Sechzig Jahre sind der gewöhnliche Zeitraum des Menschenlebens; dreyßig verschlafen wir, und die Hälfte der übrigen dreyßig sind die Jahre der Kindheit und Jugend. Was bleibt also wohl zu thun übrig in kurzen fünfzehn Jahren; was darf der Mensch zu unternehmen wagen in dieser Spanne Zeit![298]
Noch in meinen Knabenjahren sah ich ein Traumgesicht. Am Ufer des Meeres gieng ich einsam hin, da stellte sich meinen Blicken ein Pallast dar, aus dem ein Weib auf einer Wolke thronend mir entgegenschwebte. Sie gab mir einen Spiegel, und sprach: Sie strömet fort, die Welt verzehrend. Völker und Jahrtausende hat sie verschlungen, die Gefräßige! Beym Namen Gottes, des Allerbarmers! ein Zeitmaaß ist dem Menschen bestimmt worden, und es wird dahin rollen, und man wird seiner nicht mehr gedenken.
Der Sinn dieses Traumes ist:
Der Strom der Zeiten wogte, als noch kein Mensch war, und der Strom der Zeiten wird fortwogen, wenn kein Mensch mehr seyn wird. Erschaffen hat der Herr den Menschen aus einem Tropfen Wasser, und ihm gegeben das Gesicht und das Gehör, und ihn geleitet auf den rechten Wegen, daß er ihm dankbar sey. – Doch ist er's nicht. – Er soll den Allmächtigen erkennen, und zu ihm aufblicken, und das Dankgefühl für seine Wohlthaten ausströmen.
Der Spiegel will so viel sagen, als: Bey Gott dem Allwissenden; er kann dir zeigen, was du ohne seinen Beystand zu sehen nicht vermagst.
Von der peinlichen Frage des Grabes, welche jeder Mensch gleich nach dem Tode zu untergehn hat, ist schon oben bey den Grabesengeln eine Ueberlieferungsstelle Mohammeds angeführt worden, hier sind deren andere:
Wenn der Leichnam begraben wird, kommen zwey schwarze Engel mit blauen Augen, deren einer Monkir, der andere Nikir heißt. Sie fragen den Todten: Was sagst du vom Manne Gottes (Mohammed)? Ists ein Gläubiger, so sagt er: Er ist Gottes Diener und Prophet. Ich bezeuge, es ist kein Gott, außer Gott. Ich bezeuge, Mohammed ist sein Diener und Gesandter. Die Engel erwiedern: Wir wußten im Voraus, daß du uns so antworten würdest. Hierauf erweitert sich sein Grab siebzig Ellen im Gevierten, und wird erleuchtet, und sie sagen: Schlafe. Er aber sagt: Laßt mich zu meinen Freunden zurückkehren, daß[300] ich ihnen von meinem Wohlseyn Nachricht gebe. Die Engel erwiedern: Schlafe den Schlaf der Brautnacht, von dem nur der Geliebte erwecket. So schläft der Gläubige, bis ihn der Herr erwecket.
Ist der Todte aber ein Ungläubiger, so antwortet er auf die erste Frage der Engel, was sagst du vom Manne Gottes? Ich habe davon reden gehört, und habe nachgeplaudert, weiß aber nichts Gewisses. Wir wußten, sagen die Engel, im Voraus, daß du uns so antworten würdest. Dann erhält die Erde Befehl, den Todten zusammenzupressen, und sie preßt ihn, daß Ribbe an Ribbe kracht. Dieser Zustand der Pein dauert bis auf den Ruf des jüngsten Tages.
Das Grab ist dem Tugendhaften eine Paradiesesflur, dem Lasterhaften eine Höllengrube.
Das Grab ist die erste Station von den Stationen der anderen Welt. Wer sich dort wohl befindet, kömmt leicht auf den übrigen fort; wem's dorten schwer fällt, wird schwer auf den übrigen befördert.
Hütet Euch vor vielem Harnen9,
[301] [Rand: Fereidol fewaid.] denn dies führt die Grabespein herbey.
[Rand: S. 157.] Die Geister der Auserwählten genießen nach den verschiedenen Graden ihres Verdienstes in der andern Welt auch eines verschiedenen Ranges. Von den Geistern der Blutzeugen ist folgende Ueberlieferung aufbewahret:
Die Geister der Blutzeugen wohnen in den Leibern grüner Vögel, und ihnen zu Ehren sind Lampen aufgehängt am himmlischen Gezelte.
Die Blutzeugen (d.i. die im heiligen Kriege fallen) wohnen an den Ufern des Flusses Barik, der vor des Paradieses Thoren vorbeyströmt, unter grünen Lauben, wo ihnen Morgens und Abends himmlische Nahrung gesendet wird.
Die Geister der Rechtgläubigen wohnen im Paradiese unter der Gestalt grün befiederter Vögel, essen von den Früchten des Paradieses, trinken aus dessen Quellen, umflattern die goldenen Lampen des himmlischen Gezeltes, und sagen: Vereine uns, o Herr, mit unseren Brüdern, und verleih' uns die versprochenen Gnaden.
[Rand: S. 164.] Nährend die Geister der Auserwählten als grüne Vögel die Lampen des Paradieses umflattern, senken die Geister der[302] Verworfenen als schwarze Vögel den Flug zur Hölle.
Der Prophet wurde gefragt: reden die Todten? [Rand: Fereidol fewaid. S. 166.]. Er antwortete: ja, und sie besuchen einander; die frommen Seelen fliegen im Paradiese als Vögel, und erkennen einander als solche.
Die Stunde des Gerichts ist da, wenn ihr einst Krieg zu führen habt mit einem Volke, das kleine rothe Augen, und Gesichter breit wie Schilder hat.
Die Stunde des Gerichts ist da, wenn der Mann am Grabe des Mannes vorbeygehen und ausrufen wird: O wäre ich an seiner Stelle! –
Die Stunde des Gerichtes ist da, wenn sich euere Weiber empören werden.
Eine Zeit wird kommen, wo vom Islam [Rand: S. 174.] nichts als der Name übrig, wo die Moschee von außen in gutem Stande, von innen wüste seyn wird, wo die Ulemas die bösesten Menschen seyn werden unter der Sonne, von denen Zwist und Hader ausgehen, und zu denen Zwist und Hader zurückkehren wird.
[303] [Rand: Fereid. few. S. 175.] Die vorzüglichsten Zeichen des Gerichts sind die folgenden neun: der Heerrauch, der die ganze Welt bedecken wird, der Dedschal (oder Antimohammed), der Aufgang der Sonne in Westen, das Thier der Erde (der Apokalypse) die Erscheinung Jesus des Sohnes Maria's, der Ausbruch der Völker von Gog und Magog, das Feuer in Jemen, eine dreyfache Sonnenfinsterniß, und die Sendung Mahadis.
Mahadi ist aus meinem Geblüte, sagt der Prophet. Er schlummert in einer Grotte, und wird dann hervorgehn um die Welt zu regieren als Chalife. Unter seiner friedlichen Regierung wird aller Groll, alle Feindschaft zwischen Menschen und Thieren ausgesöhnt; alle Sekten vereinen sich, und es wird nur ein Schaafstall, nur eine Kirche seyn. Denn die Ungläubigen werden sich entweder Alle bekehren oder getödtet werden. Den Empörer Dedschal oder Antimohammed wird der Herr Jesus mit eigner Hand erlegen.
Jesus wird die Zweifel der Christen über die Wahrheit des Islam's aus dem Wege räumen, und sie dazu bekehren. Die seinen Worten Gehör geben, werden vom Tribute befreyt, die andern frißt das Schwert.
Die Rathgeber und Helfer des Mahadi, als Chalifen der friedlichen Welt, werden die heiligen Siebenschläfer seyn.
[304] Jesus, der Sohn Maria's, sagt der Prophet, wird dann auf der Erde erscheinen, sich verehlichen, ein Kind zeugen, fünf und vierzig Jahre predigen, und dann mit mir in einem Grabe begraben werden. Ich erstehe dann mit Jesus aus einem Grabe zwischen Omar und Ebubekr.
Der Dedschal oder Antimohammed, welchen [Rand: Feraid. S. 178.] die Nazaräer unter dem Namen des Antichristen, und die Juden unter dem des Messias erwarten, ist ein falscher Prophet, der viel Unheil stiften wird auf Erden. Zum Glücke dauert seine Regierung nicht länger als vierzig Tage, von denen der erste ein Jahr, der zweyte einen Monat, der dritte eine Woche lang seyn, die übrigen die Länge gewöhnlicher Tage haben werden. Zwey Flüsse werden zu seinem Befehl stehen, der eine von Wasser, der andre von Feuer. Doch wird der Fluß, der Feuer scheint, Wasser, und der andere, der Wasser scheint, Feuer seyn. Er wird in Chorasan erstehen; siebzigtausend Juden aus Isfahan, und das Volk mit kleinen rothen Augen und breiten Schildgesichtern wird ihm folgen.
Kein Mensch wird ihm etwas anhaben können, als der Herr Jesus, der ihn im Zweykampf erlegen, und die in sein Blut getauchte Lanze den Rechtgläubigen zeigen wird. In den vierzig Tagen seiner Herrschaft wird er die ganze Welt verheeren, Mekka und Medina ausgenommen, denn nach einer[305] Ueberlieferung des Propheten stehen auf den Bergen von Mekka und Medina Engel Wache, daß die Pest und Dedschal nimmer ihr Gebiet betreten möge.
[Rand: Fereid. S. 181.] Nach dem Tode Dedschal's werden die Völker Gog und Magog den Damm durchbrechen und die ganze Erde überschwemmen als ein verheerender Strom, dem nichts widersteht. Auf ihrem Wege werden sie den Euphrat, den Tiger, und den See von Tiberias austrinken, und den Herrn Jesus in Jerusalem belagern.
Groß wird die Hungersnoth seyn in Jerusalem, und ein Kalbskopf hundert Dukaten kosten. Gog und Magog werden die Berge um Jerusalem besetzen, und in der Meinung, daß sie die Herrn der Erde seyen, Gott im Himmel den Krieg erklären. Sie werden Pfeile in die Wolken schießen, die blutig auf ihre Häupter zurückfallen sollen.
Jesus mit den Belagerten wird zum Himmel flehen, und sein Gebet, durch die Vernichtung der Völker Gog und Magog mit einem Streich, erhört werden. Die ganze Erde wird mit ihren Leichnamen bedeckt, und keine Spanne Erdreichs frey seyn. Auf Gottes Befehl werden Lämmergeyer die Aeser wegtragen, und ins Meer werfen, und ein allgemeiner Regen das Blut von der Erde abspülen.
Der Aufgang der Sonne in Westen, als Vorzeichen des jüngsten Tages, ist ebenfalls durch mündliche Ueberlieferung des Propheten bekräftigt.
[306] Wißt Ihr wohl, sprach er eines Tages [Rand: Fereid. S. 182.] zu seinen Jüngern, wohin sie geht, diese Sonne? Gott und sein Prophet weiß es, antworteten die Jünger. Sie geht, erwiederte der Prophet, bis an den Ort ihres Stillstands unter dem Himmelsgezelt. Dort verweilt sie anbetend, bis daß der Ruf erschallt: Geh' hin, von wannen du gekommen; Und sie kehrt zum Aufgang, und gehet auf im Osten, und verfolgt ihren Lauf, ohne daß die Menschen daran etwas Besonderes finden. So wandelt sie, bis eines Tags, wenn sie anbetend verweilt, unter dem Himmelszelt der Ruf erschallen wird: Gehe zurück, wie du gekommen, und gehe auf in Westen.
Von dem Erdenthiere ist sowohl im Koran [Rand: S. 183.], als in zahlreichen Überlieferungen die Rede. Nach der Meinung der meisten Ausleger wird dasselbe in der Moschee von Mekka aus der Erde zum Vorschein kommen, und rein arabisch sprechen. Es wird den Stab Moses und den Ring Salomons besitzen; mit dem Stabe wird es die Auserwählten berühren, deren Gesicht dann sogleich himmlischer Glanz verklärt; den Verworfnen wird es mit dem Siegel das Zeichen der Verdammniß ins schwarze Gesicht brennen. Drey Tage lang wird es sich der Erde entwühlen, von Kopf ein Stier, von Augen ein Schwein, von[307] Ohren ein Elephant, von Brust ein Löwe, die Stärke aller dieser Thiere in sich vereinigend. Ganze Bücher sind über die Eigenschaften dieses Thieres geschrieben worden.
Der Heerrauch, von dem ebenfalls der Koran spricht, wird nach des Propheten mündlich hinzugesetzter Auslegung die ganze Erde bedecken durch vierzig Tage und Nächte, den Gläubigen wird er einen leichten Schnuppen, den Ungläubigen Schwindel verursachen, und ihnen bey Nasen und Ohren herausgehen.
Von den drey Sonnenfinsternissen wird eine in Osten, die andere in Westen, die dritte nur in Aldschesira oder Mesopotamien sichtbar seyn.
Das Feuer endlich wird ausgehen von Hedschas, und laut der Ueberlieferung, die Nacken der Kameele von Baßra beglänzen. Es wird die Menschen zusammentreiben, die sich dann zu vier und fünf auf ein Kameel setzen, und zum Gerichte versammeln werden.
Dies ist das letzte der Vorzeichen des Gerichts. Die Zeit der Auferstehung und des letzten Gerichts läßt sich zwar nicht aus den Offenbarungen bestimmen, wohl aber der Tag der ersten, der ein Freytag seyn wird. Denn als Ebi Hureire den Propheten fragte, warum der Freytag Jaum dschumaa, das ist, der Versammlungstag heiße, antwortete Er: Weil an diesem Tage der Lehm zur Erschaffung[308] deines Vaters Adam gesammelt ward, weil an diesem Tage der erste, zweyte und dritte Ruf der Gerichtsposaune die Menschen versammeln wird. Wie werd' ich mich freuen, sprach der Prophet, am Tage, wo der Gerichtsengel die Posaune wie einen Leckerbißen an den Mund gesetzt, und seine Stirne entrunzelt haben wird, allbereit den Befehl des Herrn zum Ruf der Todten zu empfangen.
Uebrigens sind die Zeichen des jüngsten Tages in [Rand: Feraid. S. 188.] mehr als einer Stelle des Korans erwähnt: wie z.B. wenn die Meere sich entflammen, weil nach der Meinung der Ausleger, Sonne, und Mond und Sterne vom Himmel ins Meer fallen werden. Wenn die Himmel sich spalten, und zerfließen werden wie Oel; wenn die Sterne zerstreut vom Himmel fallen; wenn die Himmel wie eine Rolle zusammengerollt werden u.s.w. Alle diese Zeichen verkünden diesen schrecklichen Tag, der eine Menge bedeutungsvoller Namen hat10.
[309] [Rand: Feraid. S. 210.] Wo finden wir dich am Tage des Gerichts? fragten die Jünger den Propheten.
Bey der Wage, antwortete er, und wenn nicht bey der Wage, am Wasserbecken, und wenn nicht am Wasserbecken, an der Scheidungsbrücke11.
[Rand: S. 226.] In derselben werden alle guten und bösen Werke abgewogen, mit der größten Genauigkeit, und findet sich des Guten nur so viel mehr, als das Gewicht eines Sonnenstäubchens beträgt, so erhält der Sünder Verzeihung. Nach der Meinung der größten Gottesgelehrten wird nur das Leben derjenigen Menschen abgewogen, die an das jüngste Gericht, und Himmel und Hölle glauben; die Freygeister[310] aber, die von alle dem Nichts glauben, werden ungewogen verdammt.
Im Koran heißt es von der Wage:
Die Wage ist aufgestellt am Tage des Gerichtes. Glücklich sind diejenigen, deren gute Werke überwiegen, diejenigen hingegen, deren gute Werke zu leicht befunden werden, haben ihre Seelen ins Verderbniß gestürzt, weil sie unsere Wunderzeichen Lügen strafen wollten. Am Tage des Gerichts, sprach der Prophet nach einer von Ins aufbehaltenen Ueberlieferung soll die verschriebene Dinte der Gottesgelehrten, und das vergoßene Blut der Glaubenshelden gegen einander abgewogen werden, und die Dinte das Uebergewicht über das Blut behalten.
Nach der Meinung der Meisten wird es nur eine einzige Wage geben für alle Menschen und ihre Handlungen. Nach Andern soll jeder Mensch mit besonderer Wage und Gewicht gewogen werden, nach seinen verschiedenen Naturanlagen und Fähigkeiten, und Lebensumständen.
Auf dem Gerichtsplatze sind so viele Basins als Propheten; jeder derselben trinkt aus dem seinigen ehe er ins Paradies eingeht, um sich den Leib von Allem Irdischen zu reinigen.[311]
Der größte und schönste dieser Basins ist der des Propheten Mohammeds. Er selbst hat mehr als einmal davon gesprochen:
Von einem Ecke meines Wasserbeckens bis zum andern ist ein Monat Weges; das Wasser ist weißer als Milch, und duftender als Moschus; die Trinkgeschirre zahlreicher als die Sterne des Himmels; wer einmal davon trinket, den dürstet nimmer.
Und nach einer andern Ueberlieferung:
Das Bette meines Beckens besteht statt aus Sand, aus Perlen und Rubinen; die Erde rund umher duftet besser als Moschus, das Wasser ist süßer als Honig, und kälter als Schnee. Ich werde mich der Erste zum Becken verfügen, und dort Eurer warten; wer dahin kömmt und davon trinket, der dürstet nimmer nach Irdischem, und wer nach Irdischem nicht dürstet, der geht ins Paradies ein.
Weiters nach einer Ueberlieferung von Ins:
Vier Säulen stehen um mein Wasserbecken. Die erste umfaßt Ebubekr, die zweyte Omar, die dritte Osman, die vierte Ali mit der Hand. Wer den Ebubekr liebt, und dem Omar zürnt, dem giebt Ebubekr nicht zu trinken; wer den Osman liebt, und dem Ali zürnt, dem[312] giebt Osman nicht zu trinken. Wer den Omar liebt, und dem Ebubekr zürnt, dem giebt Omar nicht zu trinken; wer den Ali liebt, und dem Osman zürnt, dem giebt Ali nicht zu trinken. Wer vom Ebubekr Gutes spricht, dessen Glaube ist befestiget. Wer vom Omar Gutes spricht, dessen Islam liegt am Tage. Wer von Osman Gutes spricht, ist mit Gottes Licht erleuchtet. Wer von Ali Gutes spricht, schwingt sich zu höherem Ziel empor. Wer von meinen Jüngern Gutes spricht, ist ein Rechtgläubiger, und wer Böses spricht, ein lasterhafter Betrüger.
Und wieder nach einer andern Ueberlieferung:
Ich stehe dann (am Tage des Gerichtes) am Becken, und harre der Kommenden. Man wird Einige zurückweisen wollen, ich aber werde sprechen: »O Herr! sie sind von mir und meinem Volke. Aber du weißt nicht, wird mir zur Antwort werden, was sie nach dir getrieben haben auf Erden.« Dann sprech' ich für sie beim Herrn.
Nach einer von Omar selbst aufbehaltenen Ueberlieferung sprach der Prophet:
Das Paradies ist allen Propheten verschlossen, bis ich werde hineingegangen seyn, und es wird verschlossen seyn allen[313] Völkern, bis hineingegangen seyn wird das meinige.
Ueber die Art, wie die Bösen am Tage des Gerichts vorgeladen werden, belehrt uns die folgende von Hafis Ebun-naim und von Sianddin Caab aufbewahrte Ueberlieferungsstelle:
Gott der Herr wird zu den Folterengeln sprechen: Schleppet diejeni gen aus Mohammeds Volk, die große Verbrechen begangen haben, ins ewige Feuer. Dann greifen die Folterengel die Männer beym Bart, die Weiber bey den Haaren, und schleppen sie fort.
Die härteste Behandlung am Tage des Gerichts erleiden diejenigen, so die Diener Gottes auf Erden am härtesten behandelt haben.
Wer das Gebet sorgfältig verrichtet, erhält Erleuchtung, und Zurechtweisung, und Rettung von den Peinen des Gerichts.
Die Richter und Vorsteher, die Emire und Wesire, werden am Tage des Gerichts herbeygeführt mit auf den Rücken gebundenen Händen, um Rechenschaft zu geben von ihrer Herrschaft und Verwaltung.[314]
Nachdem nun auf diese Art die guten und bösen Werke abgewogen seyn werden, geht der Zug nach der Brücke Sirat. Die Menschen theilen sich in Haufen nach ihren verschiedenen Religionen, und folgen dem Gegenstande ihrer Verehrung, der vor ihnen hergeht.
Die, so die Sonne angebetet haben, folgen der Sonne, die Anbeter des Mondes dem Monde, die Götzendiener ihren Götzen in die Hölle.
Die Brücke Sirat ist über die Hölle gespannt, und mit derselben zugleich erschaffen worden. Nach der Meinung der glaubwürdigsten Imame ist dieselbe dreytausend Jahre Weges lang. Tausend Jahre steigt man mit dem Bogen empor, tausend Jahre geht man eben fort, und tausend Jahre lang senkt sich der Bogen. Sie ist feiner als ein Haar, und schärfer als ein schneidend Schwert. Die verschiedenen rechtgläubigen Völker gehen stillschweigend über dieselbe unter Vortritt ihrer Propheten, die allein den Mund zu öffnen und zu Gott zu flehen wagen. Sie beten mit lauter Stimme: Sellim! Sellim! das ist: Rette uns, rette uns, o Herr! denn die Flammen der Hölle schlagen wild und fürchterlich empor von beyden Seiten der Brücke, aus den Tiefen des Abgrunds; aber auf Gottes Befehl bilden sie einen kühlenden[315] Laubengang, unter dem die Rechtgläubigen mit ihren Propheten unbeschädigt weggehen.
Der Gang und Schritt selbst der Rechtgläubigen wird verschieden seyn nach ihren verschiedenen Verdiensten. Die Propheten werden hinüber wandeln den Gang des Blitzes, die großen Gottesgelehrten und Kirchenväter wie reißende Sturmwinde; die Blutzeugen wie Pferde im vollsten Wettrennen; die Frommen in gutem Posttrab. Die Ungläubigen und Lasterhasten hingegen wie Esel und Maulesel, schwer bebürdet mir ihrer Sündenlast. Sie können sich unmöglich im Gleichgewichte erhalten, sondern stürzen haufenweise hinab in den Abgrund der Hölle von der Brücke, die auf diese Art die Guten von den Bösen scheidet.
Ueber die Schnelligkeit dieses Ueberganges der Gerechten darf man sich um so weniger einen Zweifel erlauben, als man davon in der Natur täglich Beyspiele hat, und der Allmacht Gottes nichts unmöglich ist. Wirklich werden einige Heilige so schnell hinübergeführt werden, daß sie gar nicht wissen sollen, daß sie die Scheidungsbrücke und die Hölle passirt haben. Wo? werden sie bey ihrem Eintritt ins Paradies die begleitenden Engel fragen: wo ist die Brücke Sirat und das Höllenfeuer geblieben? Wir haben die Brücke passirt, werden die Engel antworten, und das Höllenfeuer habt ihr nicht gesehn, weil es vom Glanze Eures Angesichts verdunkelt ward.
[316] Die Hölle besteht aus sieben Stockwerken oder [Rand: Feraid. S. 237.] Schachten, je einer über dem andern, und in jedem tieferen ein heftigeres Feuer. Die erste Hölle Gehenne oder Vorhölle, ist blos bestimmt für die zeitlichen Strafen der Rechtgläubigen, die, wenn sie die Zeit ihrer Strafe ausgestanden haben, ins Paradies eingehn. Die zweyte Lasa, d.i. Flammenpfuhl, ist der Wohnort der Christen, die dritte Hatma, d.i. Feuerwuth, der Aufenthalt der Juden. In der vierten Sair, d.i. Lohebrand, werden die Sabäer, in der fünften Sakar, d.i. Sonnengluth, die Magier; in der sechsten Dschahim, d.i. Brunstwirbel, die Götzendiener, und in der siebenten Hawir, d.i. dem Abgrund (barathrum) die Gottesläugner gepeiniget.
In der ersten Hölle werden die Rechtgläubigen nach dem Maas ihrer begangenen Missethaten mehr oder weniger mit der Feuerstrafe belegt. Einige stehen blos mit den Füßen, andere bis an die Lenden, andere bis an die Brust, andere bis an den Hals im Feuer, je nachdem sie mehr oder weniger durch die verschiedenen Theile des Körpers gesündiget haben. Einige wer den tausend Jahre, Andere länger darin bleiben, Keiner über siebentausend Jahre, nach welcher Epoche alle Rechtgläubigen im Paradiese versammelt, und die erste Hölle ausgeleeret seyn wird. Nach der folgenden Ueberlieferungsstelle:
[317] Wenn die Bewohner der ersten Hölle ganz zu Kohlen verbrannt sind, so giebt der Herr der Fürsprache des Propheten Gehör. Sie werden gebracht haufenweise, und an den Rand der Flüsse des Paradieses gelegt. Dann ergeht an die Bewohner des Paradieses der Ruf: Begießt sie mit Wasser; und sobald sie begossen worden, wächst ihnen neues Fleisch, wie das Korn im Wasser aufwächst.
Hierauf gehn sie ins Paradies ein. Diese Gunst wird aber nur den Rechtgläubigen, denn die Verdammten der sechs untern Höllen erhalten zwar auch frisches Fleisch, sobald das alte zu Kohlen verbrannt ist, aber blos, damit ihre Pein von neuem beginne, und so fort in alle Ewigkeit.
Den Ersten wird auf die Hand geschrieben: Ihr seyd die Freygelassenen Gottes. Die Letzten aber sind auf ewig mit einer siebzig Ellen langen glühenden Kette an ihren Platz gefesselt.
Sobald sie in die Hölle gestürzt sind, schwellen ihre Körper an zu ungeheurer Ausdehnung, so nämlich, daß jeder Zahn zu einem Berge wird, die Haut die Dicke von drey Tagereisen erhält, und die Schulterbreite drey Jahre Weges für einen schnell reitenden Kurier. Ihre Kleider sind flammendes Pech; die Folterengel zerren sie bey Bart und Haar, bey Hand und Fuß, und fragen sie: Habt ihr den[318] Propheten nicht gekannt, der Euch die Zeichen des Herrn und diese Pein verkündet hat?
Ja wohl, antworten die Verdammten.
Aber das ja wohl nutzt ihnen nichts, denn festgesetzt ist die ewige Pein für die Ungläubigen.
Den Vers des Korans: am Tage, wo jede Seele zanken wird, hat Ibn Abbas folgendermaßen ausgeleget:
Die Verdammten werden nicht nur unter sich, sondern Geist und Körper eines Jeden werden mit einander zanken. Der Geist wird sagen: Herr, du hast den Körper erschaffen, und ich habe an dem, was er Böses gethan haben mag, keine Schuld. Ich habe nicht die Hand aufgehoben und den Fuß gesetzt, ich habe nichts gehört und nichts gesehen. Strafe also den Leib, wie ers verdient, und rette mich. Herr! wird der Leib sagen, ich für mich habe nichts gethan, und ohne den Geist hast du mich erschaffen wie ein Stück Holz; ich habe die Hand nicht aufgehoben und den Fuß nicht gesetzt; ich habe nicht gesehen und nicht gehört. Strafe also den Geist, und rette mich. Um diesen Streit beyzulegen, wird Gott der Herr dem Geist und dem Körper die Fabel erzählen vom Lahmen und Blinden, die allein nichts vermocht hätten, die aber mit vereinten Kräften einen Diebstahl begiengen, weil der Blinde den Lahmen[319] trug, und dieser jenen leitete. Dem zufolge wird über beyde der Ausspruch der ewigen Verdammniß ergehen, nach dem im Koran enthaltenen schrecklichen Ausspruch: Gehet ein durch die Pforten der Hölle, um ewig darin zu wohnen. Welch ein Aufenthalt, die Hölle, für die Stolzen der Erde!
[Rand: Feraid. S. 243.] Ueber den Ort, wo sich die Hölle befindet, sind die Meinungen getheilt, indem Einige dieselbe unter die sieben Meere, Andere unter die sieben Erden verlegen. Das Höllenfeuer ist siebzigmal stärker, als das gewöhnliche Erdenfeuer, und ohne Licht schwarz wie Ruß. Der großen Folterengel sind an der Zahl neunzehn; der erste derselben, der zugleich Hüter der Pforten der Hölle ist, heißt Malek. Diese neunzehn Höllenfürsten regieren unter Satans Vorsitz die Hölle, und die Legionen der Teufel gehorchen ihnen. Sie belegen die Verdammten mit Kleidern aus brennendem Pech, und mit glühenden Ketten; sie gießen ihnen siedendes Wasser in den Mund, und rösten Herz und Leber auf feurigen Rosten. So oft die Haut abgezogen ist, erneuet sie sich zu frischer Pein.
Die Nahrung der Verdammten sind die Früchte des Höllenbaums, Sakum genannt, der nichts als Teufelsköpfe trägt; ihr Getränk heißt Goslin, und ist nichts als der Kloakenunrath der Bewohner des Paradieses, und das Wundeneiter der Blutzeugen.[320] Eines aus den zahlreichen Thälern der Hölle heißt Wadiol-ikil, das Wehethal. Wenn die Verdammten dort hinuntergeworfen werden, so fallen sie vierzig Jahre, ehe sie auf den Grund kommen. Sie werden in eiserne glühende Särge eingepackt und hinabgeschleudert in den stammenden Abgrund.
Ein anderes Höllenthal heißt Sencherir oder das Eisthal, wohin die Verdammten von Zeit zu Zeit zur Abwechselung der Pein übertragen werden. Aber die Kälte ist eben so brennend als das Feuer, sie frieren zu Eis, und da wird seyn Heulen und Zähnklappern. Wieder giebt es Berge in der Hölle, wo oben und unten Folterengel stehen, um die Verdammten mit glühenden Ketten, die ihnen an Hand und Fuß befestiget sind, hinauf und herab zu reißen. Umsonst sagen sie, wie's im Koran heißt: O Malek! bitte für uns den Herrn, daß er uns nur einen einzigen Tag unsere Pein erleichtere; denn das Flehen der Ungläubigen ist umsonst.
Die vornehmsten Ausleger sind über die nähere Bestimmung dieses Platzes uneins. Einige meinen, die Höllenmauer, oder die Scheidewand zwischen Hölle und Himmel werde so genannt; andere sagen, Aaraf sey der Name eines besonderen Berges; die[321] Meisten machen Aaraf zum Aufenthalt einer Zahl von Heiligen, deren Geschäft es seyn wird, am Tage des Gerichts die Auserwählten und die Verworfenen zu bezeichnen, und von einander zu unterscheiden12.
Die Bewohner des Paradieses, sagt der Prophet, werden eingehen in dasselbe, geschoren an Haupt und Lenden, als Männer von drey und dreyßig Jahren; was so zu verstehen ist, daß sowohl Greise als Kinder in diesem Alter blühender männlicher Kraft erscheinen, und ewig in selbigem verbleiben werden.
Die erste Schaar, so ins Paradies eingeht, wird eingehn schön von Gestalt, wie der volle Mond; die folgenden schön, wie die großen Sterne des Himmels.
Die Diener des Paradieses kommen ihnen entgegen, und begrüßen sie; und ihre Fustapfen dampfen Wohlgeruch auf fünfhundert Jahre Weges weit.
Vor dem Paradiese, sagt Ali, steht ein[322] Baum, an dessen Fuß zwey Quellen entspringen. Die Auserwälten baden sich in der einen, und trinken aus der andern. Die erste reiniget ihren Leib, die zweyte ihr Gemüth von irdischem Unrath.
Wenn sie nun an die Thore des Paradieses kommen, öffnen sich dieselben, und der Hüter Riswan bewillkommt die Auserwählten mit den Worten: Heil Euch. Euch ists wohl geworden. Geht herein, um ewig hier zu verbleiben13.
Die Zahl der Himmel ist, wie die der Höllen [Rand: Feraid. S. 263.], sieben.
Der erste Eden, der zweyte Firdews oder Paradies, der dritte Dschenneton-naim oder Gnadenhimmel, der vierte Darol-Chaled oder Haus der Ewigkeit, der fünfte Darol-meva oder Haus gastfreyer Aufnahme, der sechste Dares-selam, das Haus des Heiles, der siebente Oliun oder der Oberste.
Der vornehmste dieser sieben Himmel ist Eden, in dem sich der Pallast des Propheten befindet, und[323] wo nur Propheten und Blutzeugen wohnen. Im Paradies der gastfreyen Aufnahme halten sich die Erzengel Michael und Gabriel auf. Nach andern Ueberlieferungen giebt es acht, nach andern nur vier Paradiese, zwey aus Gold und zwey aus Silber.
Alle Gegenstände des Paradieses sind zwar den irdischen, die uns umgeben, dem äußeren Ansehen nach ähnlich, aber in der That von edlerer Natur; so ist die Erde Moschus, der Mörtel Silber, die Blätter und Blumen weiche Smaragden und Rubinen.
[Rand: Feraid. S. 266.] So fließen auch die Wasser des Paradieses keineswegs, wie auf der Erde, in Betten, sondern über der Erde wie krystallene Bänder fort, und richten ihren Lauf nach dem Belieben der Auserwählten, wohin diese wollen.
Nach einer vom Imam Termedi aufbewahrten mündlichen Ueberlieferung des Propheten sind im Paradiese vier Seen, der eine aus Wasser, der andere aus Honig, der dritte aus Milch, der vierte aus Wein, aus denen sich vier Flüsse ergießen. Die Erde, über der sie fließen, ist mit Rubinen besäet, weiß wie Kampfer und wohlriechender als Moschus.
Der Koran erwähnt auch der Quellen des Paradieses.
[324] Eine Quelle, von der die Diener Gottes trinken;
Eine Quelle, genannt Selsebil14.
Die Quelle Selsebil entspringt unmittelbar unter dem himmlischen Gezelte, und strömt für alle Bewohner des Paradieses.
Ein zweyter Quell heißt Tesnimm, so genannt von der Höhe, von der er herabstürzt. Der dritte ist Rahik, oder der überströmende, weil er von Gottes Gnade überfließt. Der vierte Sendschibil, der wie der Quell Selsebil nach Moschus duftet.
Außer diesen vier Quellen ist auch im Paradiese das große Wasserbecken Kewßer, aus dem der Fluß gleiches Namens entspringt.
Kewßer, sagt der Prophet, ist ein Fluß im Paradies, dessen Ufer Gold, dessen Sand Perlen, dessen Wasser duftender als Moschus, süßer als Honig, weißer als Schnee ist.
[325] [Rand: Feraid. S. 269.] Der Koran und die mündliche Ueberlieferung kehren oft zur Beschreibung des Paradieses zurück. Die Palläste des Paradieses sind aus Rubin, Perlen, Smaragden und Gold erbauet; die Köschke mit den reichsten Stoffen und Matten behangen. Die Einrichtung besteht aus goldenen Geschirren und diamantenen Gläsern.
Jeder Auserwählte hat siebzig Polster, sich darauf zu stützen und zu legen, und ruht auf erhabenen Betten. Diese Betten sind eins über das andere so hoch aufgepolstert, daß nach der Meinung einiger Ausleger, die senkrechte Höhe eines solchen Himmelbettes, zu dem die Engel die Leiter halten, fünfhundert Jahre Weges beträgt.
Des Paradieses Herrlichkeit übersteigt zehnmal die Herrlichkeit der Welt. Der geringste der Paradiesesbewohner hat achtzigtausend Diener. Das sind die Paradiesesknaben, die weder Engel noch Menschen sind, mit prächtigen Kleidern und Ohrgehängen und Kopfschmuck angethan, von denen der Koran sagt:
Um sie (die Auserwählten) gehen herum schöne Kinder, zerstreuten Perlen gleich. Einige von ihnen schöpfen in diamantenen Geschirren aus den Paradiesesquellen, andere tragen auf goldenen Tassen die Früchte des Paradieses[326] auf, und wieder andere machen die Himmelsbetten zurechte.
Außer diesen achtzigtausend Paradiesesknaben hat der geringste Auserwählte auch noch zwey und siebzig Gemahlinnen, die so leicht bekleidet und so zart geformet sind, daß man durch siebzig Schleier, mit denen sie verhüllet sind, das Mark der Schenkel durchsieht. Zwey und siebzig ist die geringste Zahl, welche die Ausleger angeben, denn nach Einigen steigt die Zahl derselben von siebzig bis auf fünfhundert und darüber, nach den verschiedenen Graden der Tugend und des Verdienstes. Kein Auserwählter ist unvermählt, und Kinder, die in der Wiege sterben, haben, weil sie drey und dreyßig Jahre alt ins Paradies eingehn, achtzigtausend Knaben, und zum wenigsten zwey und siebzig Frauen.
Die Köschke des Paradieses, in denen die Auserwählten mit Knaben und Frauen der höchsten Glückseligkeit genießen, sind aus einer einzigen Perle gebohrt, mit Kuppeln aus Rubin und Smaragden bedeckt. Die Breite eines jeden solchen Köschks ist, nach einer Ueberlieferung, wie die Entfernung zwischen den zwey Städten Dschabia und Sanaa deren die eine in Syrien, die andre in Arabien gelegen ist; und jedes Cöschk trägt zwey Kronen, deren Edelsteine wie Sterne funkeln.
Die Kleider der Auserwählten sind schwerer und[327] leichter Goldstoff und Seidenstoff, meistentheils grüner Farbe, welche die Lieblingsfarbe des Paradieses ist.
Der Baum des Paradieses heißt Tuba. Gott allein kennt die Größe und Ausdehnung desselben; unter einem seiner Zweige könnte ein Reiter siebzig Jahre lang in gestrecktem Galoppe reiten. Auf demselben sitzen Vögel, groß wie Kameele, und die Blätter sind Kaftane, Shawle und andere Ehrenkleider, die der Baum für die Bewohner des Paradieses abschüttelt. Seine Zweige überspreiten alle Palläste und Köschke, und ragen weit über die Mauren des Paradieses hinaus. Wenn der Wind durch die Blätter rauscht, so bringt er eine liebliche Harmonie von Tönen hervor, welche die Tafel- und Nachtmusik der Auserwählten ist. Außerdem stehen ihnen auch die Chöre der Vögel zu Diensten, welche auf jeden Wink bereit sind, die schönsten Conzerte aufzuführen.
Der Name der Paradiesesmädchen ist Huri'ain. Hur ist die vielfache Zahl von Huri und Ain von Aina. Das erste bedeutet ein Mädchen von schönem Körper, weiß und rein wie ausgeschlacktes Silber. Aina heißt ein Mädchen mit großen Augen, deren Weiß äußerst weiß, deren Schwarz äußerst schwarz ist. Weil nun die Jungfrauen des Paradieses zarte Körper, wie Silber, und große schwarze Augen haben, heißen sie Huri'ain in der vielfachen, und Huri'Aina in der einfachen Zahl.[328]
Sie sind nach dem Worte Gottes, dem Koran: beschränkten Blickes, das ist, sie lassen ihre Blicke nicht herumschweifen, und beschränken dieselben auf ihren Gemahl; schön geformten Busens, wie zwey Orangen nämlich, und ewiger, sich stets wiederherstellender Jungfrauschaft. Mit ihren Männern zufrieden werden sie beständig den Herrn preisen, daß ihnen grade der, und kein anderer Gemahl zu Theil geworden, werden immer in ihren Zelten bleiben und nie auszugehn verlangen, wie unsere Weiber auf Erden. Es haben aber auch (um das Eine wie das Andere zu sagen, der Wahrheit zur Steuer) die Auserwählten die Kraft, von hundert gewöhnlichen Männern.
Den Vers des Korans:
Die Engel werden zu Euch eingehen bei jeder Thüre und sagen: Heil Euch, weil Ihr geduldig waret; wie schön ist Eure Wohnung! erklären die einsichtsvollsten Ausleger folgendermaßen:
Jeder Pallast im Paradiese hat siebzig Thüren, an deren jeder ein Engel Wache steht. Gott der Herr wird den Auserwählten kleine Geschenke und Briefe schicken, welche die thürhütenden Engel übernehmen, und den Auserwählten mit vieler Ehrerbietung darbringen. Die Briefe sind alle nach einem Modell abgefaßt, und lauten, wie folgt:
[329] [Rand: Feraid. S. 277.] Von wegen Seiner Allmacht des lebendigen Gottes, an seinen lebendigen Diener, der nicht mehr stirbt.
Mein Lieber und Getreuer! ich lade Dich ein zum Feste meiner Anschauung von Angesicht zu Angesicht. Heil Dir!
[Rand: S. 179.] Im Paradiese sind hundert Stufen, jede so hoch wie der Abstand vom Himmel zur Erde. Diese Stufen sind von den verschiedenen Graden der Glückseligkeit zu verstehen. So steht der Gottesgelehrte eine Stufe höher als der Blutzeuge, und dieser eine Stufe höher als der Fromme. Nach Einigen giebt es im Himmel so viele Stufen der Seligkeit, als Verse des Korans.
Die Bewohner des Paradieses, sagte der Prophet, formen hundert Reihen, wovon Ihr, mein Volk, achtzig ausmacht.
Wenn der Fromme die ihm angewiesene Stufe des Paradieses betritt, fragt er um seinen Vater, und sein Weib, und seine Kinder. Sie sind nicht hier, wird ihm geantwortet, denn sie haben den Grad der Vollkommenheit nicht erreicht, den du erreicht hast auf Erden. Ich habe, fährt der Rechtgläubige fort, sowohl für sie als für mich gute Werke gethan. Hierauf befiehlt der Herr, ihm zu Gefallen, daß seine[330] Verwandten zur selben Stufe der ewigen Glückseligkeit erhoben werden.
Gott der Herr wird die Anserwählten fragen: Seyd ihr mit mir zufrieden? und sie werden antworten: Wie sollten wir's nicht seyn, da Du uns bereichert hast mit Gnaden, wie keines Deiner übrigen Geschöpfe. Doch will ich Euch noch Besseres geben als das, spricht Gott. O Herr! was ist noch besser als das, antworten die Seligen; – Meine Zufriedenheit, die von nun nimmer von Euch weichen soll, spricht der Herr.
In dem höchsten Ueberfluß des Köstlichsten und Schönsten und Besten, der den Seligen von allen Seiten zuströmt, so, daß ihnen Nichts mehr zu wünschen übrig bleibt, wird ihnen der Herr doch noch ein Fest geben, das die höchsten Genüße übertreffen soll, nämlich das Fest der Anschauung von Angesicht zu Angesicht, von dem wir schon oben die Einladungs-Billete gesehen haben. Gott wird zu diesem Ende dem Erzengel Gabriel auftragen, die Seligen im Pallaste, das himmlische Jerusalem genannt, zu versammeln. Gabriel wird sogleich sich aufmachen, um den Pallast aufzusuchen, aber nachdem er lange umsonst gesucht haben wird, kehrt er zurück und sagt, daß er ungeachtet seiner topographischen Kenntniß des[331] Paradieses, denselben nicht finden könne. Gott belehrt ihn, daß dieser Pallast sich im vierten Paradiese, das Haus der Ewigkeit genannt, befinde. Gabriel findet denselben auf, und grüßt den thürhütenden Engel, den er sein Lebetag zuvor nie zu Gesicht bekommen. Wer bist du? fragt der Thürhüter. Ich bin Gabriel, der Bote Gottes. Diesen Namen hab' ich nie gehört, sagt der Thürhüter, und ich sehe wohl, daß es außer diesem Paradiese noch andere geben müsse, wo auch Engel Thor stehen wie ich. Gabriel besieht nun mit Erstaunen das himmlische Jerusalem mit seinen Mauern aus Diamant, mit seinen Gärten und Pallästen, und Flüßen und Hainen, und nimmt es auf den Rücken, um dem Befehle des Herrn zu gehorchen, dem er es bringen soll. Er stellt es nieder zum Fuße des Throns, und ruft, daß es weit durch alle Himmel erschallt: Herbei zum Feste des Herrn! Ihr Propheten und Heilige, und alle Selige, zum Feste des Herrn herbey! Auf diesen Ausruf steigen die Seligen von ihren hohen Köschken und Himmelsbetten herab, setzen sich auf die Borake oder Himmelsrosse (auf deren einem Mohamed seine nächtliche Reise durch die Himmel machte) und reiten in vollem Gallopp, so daß ihnen Alles, was sie nur begegnen, Bäume und Berge aus dem Wege gehn. Wie der Blitz reiten sie vorbey an den Perlenköschken, Rubinpallästen und Moschusbergen, bis sie endlich von weitem[332] das Licht des himmlischen Jerusalems erblicken, wohin aber noch eine gute Strecke Weges von zehntausend Jahren ist, die sie schnell wie der Blitz zurücklegen.
Endlich gelangen sie im himmlischen Jerusalem an, und gehen bis zur Essenszeit spazieren. Die Cherubim bringen den runden Tisch, der zehntausend Jahre Weges im Durchmesser hat, und die Paradiesesknaben tragen die Schüsseln auf, in deren jeder siebzigerley Gerichte sind. Auch werden die demantenen Trinkgeschirre mit reinem Getränke aus den Quellen des Paradieses gefüllt, und hierauf spielt der Vers des Korans an: Und der Herr hat sie getränkt mit reinem Getränk15.
Sodann befiehlt der Herr den Engeln Kaftane und Ehrenkleider, und Ringe und Armbänder auszutheilen, und jedem Seligen eine Krone aufzusetzen, aus Karfunkeln, die wie die Sonne scheinen. Nun bringt das Rauchwerk, sagt der Herr. Sogleich holen die Engel die großen Vögel, welche auf dem Baume Tuba aufsitzen, bestreuen ihre Flügel mit Ambra und Moschus, begießen dieselben mit Rosenessenz, und lassen sie so über den Häuptern der Seligen[333] schweben, die dann von Kopf zu Fuß in Wohlgeruch gebadet werden; zugleich ertönt die Blätterharmonika und das Vögelkonzert.
Nachdem die Seligen auf diese Art gespeiset, gekleidet, mit Rauchwerk und Musik bewirthet, und also gleichsam zur göttlichen Audienz würdig vorbereitet worden, fragt der Herr: Ist euch nun noch ein Wunsch übrig geblieben? Dich zu schauen von Angesicht zu Angesicht, schreyen die Seligen zusammen aus voller Kehle, daß die sieben Himmel dröhnen. Nun enthüllt sich Gottes Majestät, und zeigt sich im Glanze der höchsten Herrlichkeit den Seligen. Diese vergessen darob aller übrigen Freuden und Genüsse, werfen sich anbetend nieder, und rufen einstimmig:
»Herr der Ehre! Herr der Macht! Lob und Preis Dir, o Gott! Du bist Einer von Ewigkeit, und außer Dir ist Keiner; keine Kraft und keine Herrschaft außer Dir; Lob und Preis dem Herrn!«
Gott spricht dann auch zu den Seligen:
»Heil Euch, meine Diener, Heil Euch, meine Geliebten! Heil Euch, meine Heiligen! Ich bleibe Euch in Gnaden gewogen. Ich habe Euch nicht gerufen mich anzubeten, das habt ihr auf Erden gethan. Hier aber sollt ihr blos frohen Muths und guter Dinge seyn. Heil Euch, meine Auserwählten!« –[334]
Sie kehren nun zurück, wie sie gekommen, und ihre Gemahlinnen verwundern sich über den Schein, der von ihren Gesichtern strahlt, und sie noch einmal so schön macht.
Es ist, antworten die Auserwählten, der Abglanz von Gottes Antlitz, den wir von Angesicht zu Angesicht geschauet haben; und dies ist das höchste Glück, das kein Auge gesehen, das kein Ohr gehöret, und das in keines Menschen Herz hinabgestiegen.
1 | Weil mancher Herr der großen Glücksconstellation ein Tyrann ist, so haben Einige dies Wort aus dem oberwähnten Arabischen ableiten wollen. d.U. |
2 | Das sind vermuthlich die gigantischen amphitheatralischen Bergstufen, von denen Paul Lukas eine so wunderbare und fabelhaft scheinende Beschreibung macht, die bisher von späteren Reisenden weder bestätigt noch zu Lüge gestraft worden. d.U. |
3 | Georgien. |
4 | Arabien. |
5 | Aegypten. |
6 | Aethiopien. |
7 | Mauritanien. |
8 | Sie wiederholen es wirklich bis zum Uebermaaß. Inschallah, wenn's Gott will, ist bei Türken, Arabern, und Persern gleichsam ein unerläßliches Bedingungswort geworden, das jeder Rede, die ein künftiges Handeln oder Unternehmen andeutet, vorgesetzt wird. Wer Etwas beginnt, ohne vorher wills Gott gesagt zu haben, mag das Mißlingen seiner Unternehmung sich selbst zuschreiben, noch weit mehr, wenn ihm der stolze, keinem Sterblichen geziemende Gedanke, es aus eigener Kraft zu thun, durch den Sinn fuhr. Von den gleichgültigsten Handlungen, die der Abendländer tausendmal des Tages mit absprechender Gewißheit vorlaut wird, spricht der Morgenländer nur bedingungsweise und mit vorausgesetztem will's Gott. Auf die unbedeutendsten Fragen: kommen Sie morgen? Gehn wir heut spatzieren? Schicken Sie mir das Buch? Reifen Sie diesen Abend ab? Traut sich der gewissenhafte Morgenländer kein bestimmtes Ja, sondern nur ein bedingtes will's Gott, das die Ratifikation der Vorsehung voraussetzt, zu antworten. Noch weit weniger würde er sich getrauen, von dem Erfolge größerer und wichtigerer Begebenheiten Etwas mit Gewißheit vorherbestimmen zu wollen. Diese Unbestimmtheit des Entschlusses, diese Ungewißheit über den Erfolg, dieses Mißtrauen in eigene Kraft, das so tief in dem Innersten des Morgenländers wohnt, sticht mächtig ab mit dem Alles berechnenden, Alles bestimmenden, Alles aus sich selbst greifenden Geiste, der den Abendländer charakterisirt. Der schneidende Abstand, der sich in tausend Gelegenheiten zwischen dem Charakter, den Sitten, der Denkungsart und Lebensweise des Abend- und Morgenländers darbietet, springt dem Beobachter nirgends besser und öfter ins Auge, als bey der im Gespräche des Letzten alle Augenblicke wiederkehrenden Aeußerung der Grundmaximen seines Religions- und Moralsystems. Inschallah, wenn's Gott will, ist die eine; Maschallah, was Gott will, die andere. Vertrauen auf die Vorsehung und Ergebung in ihre Beschlüsse sind die Pole, um die sich die innere Welt des wahren Moslim's dreht. Was geschehen, ist nicht mehr zu ändern, es war der Beschluß des Schicksals, in das sich der Mensch ergeben muß. Was Gott will. Was geschehen soll, ist in der Hand der Vorsehung, und mit ihrem Beystand vermag der Mensch sein Beginnen auszuführen. Wenns Gott will. Wenn mit dem Erwachen aus dem Schlaf die Rolle des Lebens neu ausgebreitet wird, und der Moslim an's bestimmte Geschäft geht, erhebt er seinen Geist zu Gott und spricht als Morgengebet mit Zuversicht und Vertrauen: Wenn's Gott will. Wenn mit sinkender Nacht die Karte des vollbrachten Tagewerks zusammengerollt wird, und Glück oder Unglück darauf eingezeichnet ist, fügt er sich mit Gehorsam und Ergebung in den Willen Gottes und spricht als Abendgebet: Was Gott will. Mit dem einen beschwört er die Zukunft, mit dem andern die Vergangenheit, und für die Gegenwart ist sein Gefühl, Preis und Dank dem Herrn. Elhamd lillah. Lob sey Gott. Ungeachtet die zwey gedachten Formeln Inschallah und Maschallah in ihrer ursprünglichen Bedeutung auf die gedachte Weise gebrauchet werden, so ist es doch gewiß sehr bemerkenswerth, daß dieselben bey den Türken (die durch unmittelbare Nachbarschaft und Verbindung mit dem Occident schon Vieles vom wahren Geiste des Orients verloren) auch diese beyden Formeln gleichsam ihre eigentliche und wörtliche Bedeutung eingebüßt haben, und meistentheils in einem ganz verschiedenen Sinne gebrauchet werden; wie dies schon aus dem Ton der Stimme ganz allein, und ohne Verbindung mit vorhergehenden oder nachfolgenden Ideen abzunehmen. Inschallah wiederholen sie zwar bis zum Eckel, so oft sie von einer künftigen Sache reden, aber nicht mit dem Tone zweifelnder Ungewißheit, sondern sehr oft in dem der größten Zuversicht, beyläufig, wie wir ganz gewiß sagen würden. Das Maschallah brauchen sie gar als einen Ausruf des lauten Beyfalls statt Bravo! und o wie schön! In diesem Sinne schreiben sie es auch an ihre Häuser, um dem Vorbeygehenden, der es liest, gleichsam die Worte: o wie schön ist das! als gute Vorbedeutung in den Mund zu legen. In dieser Absicht tragen auch die Frauen und Kinder der Großen und Reichen den Schriftzug des Maschallah als Diamanteninschrift in den Haaren. So macht auch hier der Ton die Musik, und so viel haben diese Grundmaximen des Islams unter den türkischen Großen von ihrem Geiste verloren. |
9 | Die Wirkung statt der Ursache: Hütet Euch vor vielem Trinken. |
10 | Hier sind einige der drey und sechzig, die der Verfasser des Fereidal-fewaid aufführt: Tag der Auferstehung, der Rechenschaft, des Erdbebens, des Bundes, der Trennung, der Wiedervergeltung, der jüngsten Stunde, des letzten Zeichens, der Pein, der Verheißung, der Drohung, des Posaunenschalls, der Scheidungsbrücke, der Gerichtswage, der Verzweiflung, des Gerichts, der Ewigkeit, des Heulens und Wehklagens, der Zerstreuung, der Versammlung, der Reue, des Unglücks, der Vorladung, des Heils u.s.w. |
11 | Die Wage der guten und bösen Werke, das Reinigungsbecken, und die Scheidungsbrücke, die über einen flammenden Abgrund führt, sind augenscheinlich von der alten ägyptischen Lehre der später nach Eleusis genannten Mysterien hergenommen. Auch dort mußte der Eingeweihte einer Prüfung seiner Werke, die Wasser- und Feuerprobe, unterziehen; auf den Mumiensärgen finden sich diese Todtenprüfungen in sprechenden Hieroglyphen, und bis auf die neuesten Zeiten hat sich die Wasser- und Feuerprobe in den symbolischen Proben geheimer Gesellschaften, und in Bliomberis und der Zauberflöte erhalten. |
12 | Man sieht hieraus, daß der Begriff von Fegefeuer oder Vorhölle, mit dem man dieses Wort zu übersetzen pflegt, wenn nicht völlig irrig, doch nicht allgemein richtig ist. |
13 | Selamaleikum, tubtum fe edchalu ha Chaledin. Diese Worte sind gewöhnlich mit großen goldenen Buchstaben aber dem Eingang der Moscheen geschrieben. A.d.U. |
14 | Stinen jeschrib biha ibadollah, Stinen fiha tesema selsebilen. Diese zwey Koranstexte kommen häufig vor auf den Innschriften der mit so vielem Aufwand aufgeführten und erhaltenen Fontainen in Constantinopel. A.d.U. |
15 | Ve sakahum rebbuhum scheraben tuhuren. Dieser Vers kömmt nicht weniger häufig als die zwey oben angeführten, als Innschrift auf Fontainen vor. A.d.U. |
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