LI.

[86] [Rand: Dschami. 770.] Harun Raschid las eines Tags im Koran. Bey dem Verse: Bin ich nicht Aegyptens Herr? der dem Farao in den Mund gelegt ist, ward er nachsinnend, und machte Betrachtungen, wie der Stolz Farao's, der auf seine Macht trotzte, so sehr gedemüthiget worden, daß es heut in des Chalifen Macht stehe, die Herrschaft von Aegypten dem letzten Sklaven zu verleihen. Er rief den Vogt von Bagdad, und befahl ihm, die ganze Stadt zu durchziehen, und ihm den ärmsten, elendesten Menschen, den er auftreiben könnte, vorzuführen. – Der Vogt durchstreifte die Gassen von Bagdad, und fand endlich auf einem Misthaufen einen halbnackten Mann, der sich mit Hunden um seine Nahrung schlug. Er nahm ihn mit sich, und brachte ihn vor den Chalifen, der ihn um seinen Namen fragte. Er nannte sich Tulun. Harun machte ihn auf der Stelle zum Statthalter von Aegypten. Der ganze Hof erstaunte. Das hab ich gethan, sagte Harun, dem Dränger Farao zum Trotz, daß alle Welt sehe, wie nichtig vor den Augen des Herrn alle Macht und Herrschaft sey; auf Aegyptens Thron soll heut der letzte meiner Sklaven[86] sitzen. Tulun verwaltete die ihm anvertraute Provinz mit vielem Glanze. Sein Aufwand war königlich, und konnte dem der Faraonen verglichen werden. Auch forderte Harun, so lang er lebte, keine Rechnung von ihm.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 86-87.
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