LXX.

[122] [Rand: Lobbal-al-bab.] Asmai, der Hofdichter und Günstling Harun Raschids, erzählt, er habe eines Tages, als er in der Moschee von Bassora sein Gebet verrichtete, einen Mann mit zwey seiner Töchter angetroffen, der auf eine ganz neue und unerhörte Art bettelte. Die eine hatte er am rechten, die andere am linken Arm, und schrie dabey beständig:


Schämt Euch nicht, Mädchen, laßt Euch sehn,

Daß es Euch möge wohl ergehn!


Auf diese Art hatte er sich bald so viel zusammengebettelt, daß er sich ein Haus kaufen konnte in Bassora, wo er ganz gemächlich lebte, und seiner witzigen Einfälle und treffenden Reden wegen viel besucht ward. Harun Raschid, ein großer Liebhaber lustiger Einfälle und witziger Worte, ließ ihn zu sich an Hof kommen, und fragte ihn, ob er kein Bedürfniß fühle. Kein anderes, antwortete der Araber, als das, deine Majestät zu lobpreisen. O, laß das Lob, sprach Harun, ich muß dessen täglich so viel hören, daß mir die Ohren davon gellen, ich möchte lieber eine Satyre, als ein Lobgedicht. Der ausgewählteste Kreis der trautesten Gesellschaft des Chalifen fand sich eben bey ihm versammelt. Das waren der Wesir Dscha fer, der Barmekide, mit seinem[122] Bruder Fasl, dem Großkanzler, und ihrem Vater. Dann Fasl, der Sohn Rebii's, Said Ibn Moslim Albahili, Hilal, der Günstling, Ahmed, der Geheimschreiber, und Mesrur, der Oberste der Eunuchen. Bey wem soll ich anfangen, fragte der Araber. Das ist gleichviel, sagte der Chalife, wo du willst. Er richtete das Wort an Said Ibn Moslim Albahili, dessen Freygebigkeit nicht sehr zu rühmen war, und der große Ländereyen in Aegypten besaß:


Dein Geiz ist ohne Maaß und Ziel,

Denn bist du gleich der Herr vom ganzen Nile,

So gönnst du doch des Wassers nicht so viel,

Daß man darin den Leib abspüle.


Said, wüthig vor Zorn, zog sein Schwert, und wollte über Abu Faraon (dies war der Zuname des witzigen Kopfes) herfallen; aber der Wesir und die ganze Gesellschaft hielten ihn zurück, und sagten, man müßte einem Dichter solche Freyheiten zu gute halten.

Nun wandte er sich an Fasl, den Sohn Rebii's, der viel zu versprechen und wenig zu halten gewohnt war:


Gleich Strömen fließet deine Rede fort.

Allein der Wille ist ins trockne Herz gebrochen.

O Schade, daß noch niemals deinem Wort

Die That entsprochen.


Fasl erhob sich voll Zornes, zog sein Schwert und wollte den Stichredner in Stücke zerhauen. Aber der Chalife und die ganze Gesellschaft riefen ihm zu:[123] Sachte, sachte, einem Dichter muß man so was verzeihen.

Nun kam die Reihe an Mesrur, den Vorsteher des Harems, und geheimen Scharfrichter des Chalifen.


Ey, der liebenswürdigen Gestalt!

Schmutzig, runzlicht, schwarz und alt.

Macht er im Harem den Schäfer,

Itzt entkriechet er dem Mist als Käfer,

Wenn man ihn als Henker ruft,

Fliegt er wie ein Rabe in der Luft.


Mesrur zog sein Schwert, und hätte sein Amt als Scharfrichter an Abu Faraon vollzogen, wenn nicht der Chalife und die ganze Gesellschaft ihn daran gehindert hätten. Sachte, sachte! riefen sie ihm zu; einem Dichter muß man so was verzeihen.

Nun redete er den Geheimschreiber an:


Ihr ganzes Geheimniß, Herr Sekretair,

Ist wahrlich zu finden gar nicht schwer;

Wir wissen, daß unter der Löwenhaut

Ein Paar von langen Ohren graut.


Ahmed stürmte mit dem bloßen Schwerte auf ihn los. Der Chalife, der sich vor Lachen kaum halten konnte, rief ihm mit der ganzen Gesellschaft zu: Sachte, sachte! einem Dichter muß man so was verzeihen.

Abu Faraon richtete sich gegen den Günstling des Chalifen:


Ich ruf' ihn aus; wer legt mir einen Both?

Er kann zwar weder lesen, schreiben, tanzen, singen.

Doch weiß er Euch im Fall der Noth

Als ausgelernet umzuspringen.[124]


Der junge Mensch rannte mit gezücktem Dolch auf ihn los, und hätte ihn durchbohrt, wenn nicht der Chalife und die ganze Gesellschaft ihm zugerufen hätte: Er solle sich niedersetzen, einem Dichter müsse man so was verzeihen.

Nun redete Abu Faraon die drey Barmekiden zugleich an:


Die Barmekiden sind

Der Wohlthat Quell, wie jeder weiß,

Doch was aus dieser Quelle rinnt,

Ist Völkerschweiß.


Die drey Barmekiden sprangen auf und wollten den Dichter in Stücke zerhauen. Aber der Chalife, vor Lachen berstend, rief ihnen zu, sich niederzusetzen, einem Dichter müsse man so was verzeihen.

Nun war Niemand übrig, als Harun selbst. Abu Faraon, sprach er, sag mir auch eine Stichrede, denn des Lobes habe ich bis zum Eckel, und ich möchte gar zu gerne einmal, der Abwechselung willen, Bitterkeiten statt Süßigkeiten kosten.

Abu Faraon ließ sich nicht zweymal auffodern. Er sprach:


Du meinst, daß deine Hand die Welt regieret,

Da irrst du in der That,

Du bist Nichts als die Puppe, deren Draht

Die Hand der Großen führet.


Wiewohl der Chalife die Satyre selbst herausgefodert hatte, so war sie ihm doch so fremd und schmerzte ihn so tief, daß er mit bloßem Schwert den Dichter zusammengehauen hätte, wenn ihm nicht[125] die ganze Gesellschaft in den Arm gefallen wäre mit dem einstimmigen Ruf: Sachte, sachte! einem Dichter muß man so was verzeihen.

Harun gieng in sich, und Abu Faraon ward reichlich belohnt.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 122-126.
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