LXXIX.

[147] Harun Raschid saß eines Tages zwischen zwey Sklavinnen, einer schwarzen und einer weißen, die beyde um seine Gunst buhlten. Sie boten alle mögliche Künste auf, eine der andern einen Vorsprung abzugewinnen, und als der Sieg unentschieden blieb, so nahmen sie zu Stachelreden die Zuflucht, und suchten ihre gegenseitigen Reitze und Gesichtsfarben herabzusetzen. Die Schwarze begann, und improvisirte zuerst:


Hast du je was gesehn, dem schwarzen Moschus vergleichbar?

Einen Pfennig nur kostet vom Bleyweiß die Fuhr.

Nur das Schwarze verleiht dem Auge Leben und Feuer,

Matt und erstorben ist immer das Weiße des Aug's.


Sogleich erwiederte die Weiße aus dem Stegreife:


Kennst du denn nicht den Werth der weißen glänzenden Perle?

Einen Pfennig nur kostet von Kohlen die Fuhr.

[147] Weiß sind am Tag des Gerichts der Auserwählten Gesichter,

Und das Schwarz brandmarkt nur der Verworfnen Gesicht.


Harun war mit diesen sinnreichen Stachelreden so zufrieden, daß er auch die Rednerinnen beyde auf der Stelle zufrieden stellte.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 147-148.
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