CII.

[216] [Rand: Alaim.] Mamun liebte vor vielen andern seiner Sklavinnen Eime Nesim, oder Zephyrine genannt. Sie war[216] beständig in seinem Geleite, so in der Stadt als auf dem Lande. Doch mußte sie zuletzt einer neu angekommenen griechischen Sklavin weichen, welche den Chalifen für sich einnahm. Zephyrine verzehrte sich in Kummer und Schmerz, aber sie klagte nicht. Am neuen Jahrstage, wo Alles dem Chalifen Glück wünschte und Geschenke brachte, erschien auch sie mit einem Becher aus Krystall, der mit einem gestickten Tuche bedeckt war. Im Krystall war diese Inschrift eingegraben:


Trinke, mein Freund, in langen Zügen den Becher der Liebe,

Lasse für mich darin nur ein Tröpflein zurück.


Der Chalife, bezaubert vom schönen Gedanken, und vom Gefühle, das denselben ausgesprochen hatte versprach der Geberin, noch diesen Abend den Becher in ihrer Gesellschaft zu leeren, und hielt Wort.

Diese Inschrift ward in der Folge berühmt, und findet sich daher noch heut' auf Bechern, Gläsern und anderen Trinkgeschirren eingegraben.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 216-217.
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