[223] [Rand: Alaim.] Ahmed Ben Mohamed Elhariri erzählt von Dschennet, der Tochter Abdorrahmans, des Haschemiten, daß sie das reichste und wohlerzogenste Mädchen gewesen aus dem Stamme der Söhne Haschem's. Das Feuer hätte ihre Schätze nicht verzehren, die Steine ihrer Beredsamkeit nicht widerstehen können.
Eines Tages gieng sie zum Chalifen Mamun, den sie heimlich auf das heftigste liebte. Mamun saß in einem Saale, den er selbst hatte erbauen lassen, und der an Pracht und Herrlichkeit alle Gebäude der vorigen Chalifen bey weitem übertraf. Alle Thiere des Meeres und der Erde waren da zu sehen, in Stein gehauen, oder in Gold gegossen. Die Spalieren waren gelber Damast, und die Vorhänge chinesischer Seidenstoff. Vierhundert Sklavinnen, in die reichsten Stoffe gekleidet, waren zum Dienste dieses Saales bestimmt. Gleicher Wuchs, gleiche Haare, gleiche Kleidung, alle schienen nach demselben Modele geformet. Zweyhundert standen zur rechten, und zweyhundert zur linken Seite.
Dschennet! redete Mamun die Tochter Abdorrahmans an, hatte dein voriger Gemahl, oder dein Vater, oder irgend ein anderer Chalife einen Saal, gleich diesem, an Pracht und Schmuck und Dienerschaft? Fürst der Rechtgläubigen, antwortete sie, der Himmel friste dir dein Leben und den Genuß dieser[224] Herrlichkeit! Alles entspricht deiner Würde und Majestät; doch, möchtest du dich eines Tages herablassen, und deine Dienerin Dschennet zu besuchen würdigen, so würde sie dich in einer Gesellschaft empfangen, wie du noch keine gesehen, und dir einen Wein kredenzen, wie du noch keinen getrunken. Dschennet, antwortete Mamun, ich nehme deine Einladung an, doch mit der Bedingniß, daß ich den Richter Jahja, den Sohn Ektem's, (der sich eben gegenwärtig befand) mitbringen darf, denn ohne ihn, wie du weißt, genieße ich kein gesellschaftliches Vergnügen. – Schon recht, Fürst der Rechtgläubigen. Dann zog sie eine goldene Dose hervor, mit dem reinsten Moschus gefüllt, und reichte sie dem Sohne Ektem's mit den Worten hin: nimm Jahja! dies sey dein Lohn zum voraus, für die Mühe, morgen Abends den Fürsten der Rechtgläubigen zu mir zu führen. Gerne, sehr gerne, erwiederte Jahja, der Sohn Ektem's, und Dschennet verließ den Saal des Chalifen.
Am folgenden Tage saß Mamun zu Gericht in feyerlicher Versammlung. Als die Sonne sich zum Untergange neigte, trat Jahja vor den Thron und sprach: Erinnere dich, o Fürst der Rechtgläubigen, des gestern gegebenen Versprechens. Sogleich hob Mamun die Versammlung auf. Sie verkleideten sich beyde als Kaufleute, bestiegen zwey große schöne ägyptische Esel, und machten sich auf den Weg nach dem[225] Hause Dschennets. Sie klopften leise an das Thor, und Dschennet, welche dieselben sogleich an ihrem Klopfen erkannte, kam selbst, das Thor zu öffnen.
Sie gieng vor ihnen her, und führte sie durch den Garten in ein Lusthaus, von vier Säulen aus rothem Granit getragen. Die Gesimse waren Gold. Ueber dem Eingang war die folgende Inschrift mit Perlen ausgelegt:
Mein Inneres erfüllet sich mit reiner Lust,
Wenn freundliches Gespräch bewegt die traute Brust.
Das Gold der Söhne Haschems strahlt mir vom Gesicht;
Vielleicht gefällt es dir, vielleicht gefällt es nicht.
Wohlredenheit, o Fremdling, ist der Geist,
Der in mir lebt, und mich zu dir hinreißt.
Jahja! sagte Mamun, hast du irgend eines Chalifen Lusthaus gesehen, das sich mit diesem vergleichen könnte? Die Fußteppiche waren mit Perlen gesticket, der Plafond aus einem Zelt von Goldstoff geformet. Auf dem Boden standen große japanische Gefäße, aus denen Moschus, Ambra, Kampfer, Safran und Sandelholz ihre Wohlgerüche versendeten, so, daß man keinen einzelnen Geruch zu unterscheiden vermochte, sondern in einem Meere von Blüthengerüchen zu schwimmen glaubte. Dschennet führte sie hernach an eine Balustrade, wo alle duftenden Blumen des Morgenlandes grünten und blühten. Mamun wähnte sich in ein Zauberland versetzt. Bald hierauf brachte man den Tisch, aus jemenischen Onyr. Jeder Fuß war aus einem einzigen Stücke gearbeitet.[226] Die Tafel ward gedeckt mit Speisen der mannigfaltigsten Farben und des köstlichsten Geschmackes, zu gleicher Lust der Augen und des Gaumes. Sie aßen, und Mamun schwur, er habe nie so vortreflich gespeiset, und sein Hofzehrgaden vermöge nichts ähnliches zu liefern.
Nun ward das Wasser gebracht zum Händewaschen, in goldenen Kannen und Waschbecken, und nach dem Abhube der Tafel erschien der Wein. Schöne Jünglinge kredenzten denselben in Gefäßen aus syrischem Krystall. Es war der köstlichste Rebensaft, leicht wie die Luft, roth wie Rubin, brennend wie Ingwer. Dschennet nahm die Gläser aus den Händen der Jünglinge, und setzte dieselben ihren Gästen vor, die gar nicht aus dem Taumel des Vergnügens kommen wollten. Wahrlich, sagte Mamum, so habe ich noch nie getrunken! Dann kamen zwey Sklavinnen, in Seidenzeug von Kufa gekleidet, mit goldenen Gürteln und agyptischen Schleyern, und persischen Kronen auf dem Haupte. In ihrem Schooße hielten sie zwei Lauten, denen sie die süßesten Töne entlockten, und dieselben mit noch süßeren Gesängen begleiteten. O Dschennet, rief Mamun, wohl mit Recht trägst du deinen Namen, denn durch dich genießen wir der Freuden des Paradieses1.[227]
Fürst der Rechtgläubigen, sagte Jahja, Etwas fehlt uns doch noch zur Vollkommenheit der Paradiesesfreuden. – Was denn, Jahja? – Das Vergnügen der Jagd. Da hast du Recht, sagte Mamun, Dschennet muß uns auch noch das Vergnügen der Jagd verschaffen. Dschennet führte sie in den Garten, der im eigentlichsten Verstande ein Paradies genannt zu werden verdiente2.
Pfauen, Rebhühner, Turteltauben, Gasellen, Alles lebte hier in der größten Vertraulichkeit beysammen. Die Nachtigallen kosten in den Rosengebüschen, und die Quellen murmelten leise ins Flüstern der Winde. Hundert Sklavinnen erschienen, alle zwar gleich gekleidet, jedoch eine schöner als die andere. Goldene Gürtel hielten ihren schwellenden Busen zusammen, und Perlenschnüre in die schwarzen Tressen des langen Haares geflochten, schleppten ihnen auf dem Boden nach. Seht hier, sprach sie zu ihnen, indem sie auf Mamun und Jahja wieß, seht hier die Jäger.
Die Sklavinnen verstanden den Wink, und verstreuten sich ins Gebüsche, wie schüchterne Gasellen sich vor den beyden Gästen flüchtend, welche dieselben umsonst verfolgten. Siehst du, Jahja, das Wildpret, sagte Mamun, ich wollte es wohl erjagen, aber ich[228] müßte einen guten Spürhund haben. Den Spürhund, sagte Jahja, hast du schon gefunden in mir, bleibe nur stehen am Anstand, ich will die Fährte des Wildes schon verfolgen. Jahja lief und erjagte ein Mädchen, das er dem Chalifen als Wildpret zuführte.
Ey, sagte Dschennet, wenigstens mußt du bekennen, o Fürst der Rechtgläubigen! daß ich nicht eifersüchtig bin. Mamun verstand den Wink, und sagte zu seinen Gefährten, nun bleibe du als Jäger am Anstand, und ich will als Hund das Wild aufjagen. Jahja lachte laut und gehorchte. Wir wollen sehen, sagte Dschennet, was du erjagen wirst, Jahja; was es immer sey, wird mich wenigstens die Eifersucht nicht plagen, sagte Dschennet. Sprachs und sprang davon wie ein flüchtiges Reh; Mamun hinter ihr her, und gar bald hatte er sie ergriffen.
Fürst der Rechtgläubigen! sprach Jahja, das Fest würde nicht vollkommen seyn, wenn du die Geberin desselben nicht zur Frau nehmen wolltest. Keinen schicklichern Begleiter hättest du nicht mitnehmen können, als mich, der sogleich den Heyrathskontrakt aufsetzen und ausfertigen kann. Beym Propheten! schwur Mamun, und bey meinen erlauchten Ahnen aus der Familie Abbas, ich verlasse den Garten nicht, bis ich sie zur Frau genommen habe. Setze nur gleich den Contrakt auf; ich gebe ihr als Morgengabe eine Million Dukaten, und hundert Dörfer obendrein als Nadelgeld. Jahja, der Sohn Ektems, setzte als[229] Oberrichter den Contrakt auf der Stelle auf, und erhielt dafür von Dschennet zur Belohnung zehntausend Dukaten. Die Heyrath ward noch am selben Abend vollzogen, und die Frucht der Hochzeitnacht war Abbas, nicht unwerth des Namens seiner Familie und seiner Aeltern.
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